Das Doppelinterview:

„Wer sich an Ibiza erinnern kann, war nicht dabei“

Politik
09.05.2020 16:30

Sie sind die beiden Hauptdarsteller im wohl größten politischen Skandal der Zweiten Republik - und der Name einer Partyinsel wird für immer untrennbar mit ihnen verbunden sein. Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus, die Schlüsselfiguren der Ibiza-Affäre, sprechen im (getrennten) Doppelinterview über ihre Zeit nach dem Ausscheiden aus der FPÖ und die folgenschwere Nacht der Finca. Während Strache sich gerade auf den Wien-Wahlkampf vorbereitet und hinter dem Ibiza-Video eine „geheimdienstlich geplante und kriminell vollzogene Falle“ sieht, ist Gudenus damit beschäftigt, ein Unternehmen aufzubauen. Auf die Frage, was sich der ehemalige Klubobmann der Freiheitlichen in jener Nacht dachte, wandelt Gudenus ein Zitat des legendären Musikers Falco ab: „Wer sich an Ibiza erinnern kann, war nicht dabei.“ Beim am 4. Juni startenden Ibiza-U-Ausschuss werden Strache und Gudenus als Zeugen gleich am ersten Tag einvernommen.

„Krone“: Der Ibiza-Skandal jährt sich. Wie geht es Ihnen heute?
Heinz-Christian Strache: Momentan befinde ich mich teilweise in einer gefühlsmäßigen Achterbahn. Natürlich beschäftigen mich das Video und die Konsequenzen emotional auch weiterhin, aber wenn man sich ansieht, dass eine täglich wachsende Anzahl an Österreicherinnen und Österreichern vor den Scherben ihrer Existenz stehen, wirkt Ibiza fast wie ein Ereignis aus einer vergangenen Epoche. Wirklich weh tut mir, dass ich der ÖVP den gesuchten Vorwand geboten habe, eine funktionierende und beliebte Regierung zu sprengen, welche meiner Meinung nach in der momentanen Situation rascher und entschlossener reagiert hätte. Man darf nicht vergessen, dass mit meinem Rücktritt als Vizekanzler eigentlich kein Grund zu Neuwahlen mehr bestanden hat.

Zum Video selbst denke ich, dass die geheimdienstlich geplante und kriminell vollzogene Ibiza-Falle gegen einen politischen Mitbewerber und Unbequemen als Skandal, welcher in der demokratischen Auseinandersetzung nichts verloren hat, noch nicht aufgeklärt wurde. Nachdem alle Versuche gescheitert sind, mir rechtliche Verfehlungen anzuhängen, blieb den Verschwörern nichts anderes übrig, als einen PR-Gau zu inszenieren.

Dabei konnten sie natürlich auf die willige Unterstützung durch Mainstream-Medien setzen, welche immer öfter mehr als Aktivisten denn als objektive Berichterstatter agieren. Selbst Herr Obermayer musste in seinem Buch zugeben, dass ich nicht bereit war mich für politische Gefälligkeiten bestechen zu lassen und solche widerrechtlichen Angebote konsequent und immer wieder zurückgewiesen habe.

Im Rückblick betrachtet, was ist Ihnen damals in dieser Nacht eingefallen?
Ich war nicht ich selbst. Man muss davon ausgehen, dass die Ibiza-Fallensteller nichts dem Zufall überlassen haben und auch illegale Substanzen untergejubelt worden sein könnten, damit man nicht mehr Herr seiner Sinne ist und völlig überdreht und übersteigert reagiert. Dies behauptet zumindest Herr Schmidt (EU-Infothek in einem oe24-Interview), welcher diese Information von einem mutmaßlichen Mittäter als Informanten erfahren haben will.

Die Frau von Gudenus hat im Video mehrfach vor der vermeintlichen Oligarchin gewarnt. Ist Ihnen nichts seltsam vorgekommen?
Die veröffentlichten Videosequenzen sind manipulative vier Minuten von sieben Stunden mit 13 Zusammenschnitten. Da wurde vieles aus zum Zusammenhang gerissen und die Rolle der Fallensteller nicht gezeigt. Ich habe mehrfach vor Ort gegenüber Frau und Herrn Gudenus geäußert, dass das Verhalten der vermeintlichen Gastgeber (Lockvögel) seltsam ist und ich aufstehen und gehen will. Dies ist auch im veröffentlichten Buch der Spiegel-Redakteure nachzulesen. Gudenus hat uns jedoch immer wieder zum Bleiben aufgefordert und überredet. Ich war nicht imstande, meinem inneren Gefühl zu folgen. Das ärgert mich sehr im Rückblick.

Waren Sie zu leichtgläubig und sind Sie nach der Falle erpresst worden?
Ich war aufgrund meines privaten Urlaubs sicher zu leichtgläubig und hätte die damalige Einladung von Gudenus in die Finca zu diesen mir unbekannten Personen nicht annehmen oder in Folge das Abendessen verlassen sollen.

Was haben Sie sich gedacht, als Sie das Video zum ersten Mal gesehen haben?
Es war fürchterlich. Ich konnte gar nicht hinsehen, da ich mich so geniert habe für mein dortiges Auftreten im privaten Rahmen. Und ich war verzweifelt, weil ich wusste, dass ich einerseits nichts verbrochen hatte, aber nicht wusste, wie ich das aufklären kann. Und dann war da natürlich der Schock, und im ersten Augenblick denkt man ja nicht nur politisch, sondern auch an die Familie und wie sich dieser Bruch jeglicher Privatsphäre auch auf diese auswirkt. Zum damaligen Zeitpunkt war ja nicht auszuschließen, dass auch diese bespitzelt worden ist. Da hat man, offen gesagt, schon auch mit einem Gefühl der Angst zu kämpfen.

War Ihnen damals sofort klar: Das war es mit der Regierung?
Ich wollte im Sinne der staatspolitischen Verantwortung die Regierung retten. Diese Regierungsfortsetzung hat mir Bundeskanzler Kurz im Falle meines Rücktritts auch zugesichert. Als Obmann hätte ich im Nachhinein betrachtet, nicht zurücktreten sollen. Nachträglich betrachtet war der Rücktritt als Vizekanzler richtig, aber als Parteichef ein Fehler. Ich habe einerseits unterschätzt, wie sehr ehemalige Mitstreiter diese Situation für ihre eigenen Interessen ausnutzen wollten, und andererseits den machiavellistischen Wunsch nach der Macht von Sebastian Kurz und seiner ÖVP. Man soll bitte nicht vergessen, dass es nach meinem Rücktritt als Vizekanzler keinen Grund mehr für Neuwahlen gegeben hat, die ÖVP aber aus politischem Kalkül heraus diese provoziert hat. Eine funktionierende und gut arbeitende Regierung musste dem Wunsch nach einer türkisen Alleinregierung Platz machen. Und mit den Grünen ist das ja jetzt fast gelungen.

Die FPÖ fährt eine Wahlniederlage nach der anderen ein. Was wünschen Sie Ihren Nachfolgern?
Schauen Sie, als Politiker ist man ja nicht nur für eine Partei verantwortlich, sondern auch für deren Werte. Ich bin als Vizekanzler zurückgetreten, um es der FPÖ zu ermöglichen, den unter mir 14 Jahre aufgebauten erfolgreichen Weg, ohne mich an der Spitze fortzusetzen. Das sogenannte dritte Lager ist in Österreich wichtiger denn je, weshalb mir die momentane Situation ganz besonders weh tut. Aus diesem Grund konnte ich auch nicht still bleiben, weil ich nicht der Meinung bin, dass unter Kickl und Hofer die wahren Freiheitlichen Werte noch eine Rolle spielen. Für Hofer ist die ideale FPÖ ein Wurmfortsatz der ÖVP, für Kickl eine österreichische Version der ungarischen Jobbik. Beides hat es unter mir nicht gegeben, weil meine FPÖ den Werten von 1848 und der Vision einer freien, sozialen Bürgergesellschaft verpflichtet ist. Und mit dieser Vision möchte ich auch im Herbst antreten.

Zusätzlich gab es dann natürlich auch noch das persönliche. Ich hätte mir einen fairen und korrekten Umgang mit meiner Frau und mir erwartet. Dies hat man leider nicht gelebt. Ich wünsche meinen Nachfolgern, dass sie nicht auch einmal in so eine miese Verleumdungs- und Verfolgungsspirale geraten.

Gudenus zählte einst zu Ihren engsten Freunden. Wann haben Sie sich zum letzten Mal gehört und wie ist Ihr Verhältnis heute?
Naturgemäß bin ich enttäuscht, in welchen Bekanntenkreis mich Gudenus im Jahr 2017 auf Ibiza geführt hat. Und aufgrund einiger Widersprüche dazu habe ich den Kontakt abgebrochen.

Wieso kehren Sie nach Ihrem Rücktritt doch in die Politik zurück und was wollen Sie erreichen?
Eine solche Entscheidung fällt nie leicht, aber der „Rücktritt vom Rücktritt“ lag auch darin begründet, dass es nicht Schule machen darf, eine Person des öffentlichen Lebens so lange mit kriminellen Methoden und anonymen Anschuldigungen zu diffamieren und fertigzumachen, bis diese sich zurückzieht. Dazu kommen auch die ständigen Leaks aus der angeblich unabhängigen WKStA. Auch hier hat meiner Ansicht nach der kritische Journalismus versagt. Wenn ich daran denke, wie die Medien plötzlich die Privatsphäre von Vizekanzler Werner Kogler verteidigten, nur weil dieser beim Essen eines „Big Mac“ gefilmt wurde. Anscheinend hängt das Recht auf ein Privatleben davon ab, ob man in Österreich eine linke oder eine freiheitliche Gesinnung vertritt.

Wenn man mit solchen miesen STASI-Methoden gezielt und laufend vernadert und verleumdet wird, dann setzt man sich zur Wehr. Solche Methoden dürfen sich in der politischen Auseinandersetzung nicht durchsetzen. Und viele Bürger haben mir zugeredet mich für ein Comeback in Wien zu entscheiden - gerade aufgrund der aktuellen Corona-Krise und dem Umstand, dass Bürgerrechte ausgehebelt und die Wirtschaft an die Wand gefahren wurde - und keine starke Opposition sichtbar und spürbar ist.

Fotos von Geldbündeln im Kofferraum, Vorwürfe der Untreue mit üppigen Spesenrechnungen. Wie erklären Sie das Ihren Wählern?
Was ein ehemaliger Sicherheitsmann von mir, der mutmaßlich Teil des Ibiza-Netzwerkes rund um den Anwalt R. ist, wo und wann konstruiert und fotografiert hat, um mir in Folge zu Schaden, kann ich nicht beurteilen. Die Spesenabrechnungen wurden jedenfalls - ich gehe davon aus, korrekt - von meiner dafür zuständigen Büroleitung verwaltet, beim Finanzprüfer/Rechnungsprüfer eingereicht und genehmigt. Mir privat zugeordnete Ausgaben wurden regelmäßig mit mir verrechnet. Dass ich als Obmann mit meinen Mitarbeitern jahrelang rund um die Uhr im Einsatz war und Repräsentations- und Spesenkosten nicht selbst getragen habe, ist für jeden nachvollziehbar und legitim, da diese laufend geprüft und genehmigt wurden.

Gegen Sie wird in mehreren Punkten ermittelt. Was machen Sie bei einer allfälligen Anklage?
Ich bin ein unbescholtener Bürger, der mit massiven Verleumdungen konfrontiert ist. Dass diese einen politisch motivierten Hintergrund haben, ist durchschaubar. Ich habe ein reines Gewissen und daher nichts zu befürchten. Ermittlungen oder Verfahren sind ein offener Prüfvorgang, wo ich im Sinne der Gerechtigkeit nur von Einstellungen ausgehen kann.

„Krone“: Der Ibiza-Skandal jährt sich. Wie geht es Ihnen heute?
Johann Gudenus: Es geht mir gut. Meine Familie ist gewachsen und das macht meine Frau und mich überglücklich. Ich habe die Chance für einen Neuanfang am Schopf gepackt und baue ein Unternehmen auf. Das erfüllt mich sehr. Das Wichtigste: Alle sind gesund.

Im Rückblick betrachtet, was ist Ihnen damals in dieser Nacht eingefallen?
Offensichtlich nicht viel. Mir fällt dazu jetzt nur frei nach Falco ein: Wer sich an Ibiza erinnern kann, war nicht dabei ;)

Waren Sie zu leichtgläubig und sind Sie nach der Falle erpresst worden?
Es sind rückblickend viele Fehler passiert und ich war sicher zu leichtgläubig. Nachher ist man immer gescheiter. Erpresst wurde ich nicht. Auch von Warnungen in der Phase der Anbahnung weiß ich nichts.

Was haben Sie sich gedacht, als Sie das Video zum ersten Mal gesehen haben?
Ich habe mir bis jetzt die Sequenzen nicht angeschaut. Ich denke, es gibt spannendere Videos. Ich kenne natürlich den Inhalt: Dieser ist eine Persiflage auf die politische Realität der beiden ehemaligen sogenannten staatstragenden Großparteien in der Zweiten Republik.

War Ihnen sofort klar: Das war es mit meiner politischen Karriere?
Das ist das Perverse: Andere tun das seit Jahrzehnten, worüber wir nur gesprochen haben, und sind immer noch im Amt.

Vermissen Sie die Politik?
Ich werde immer ein politischer Mensch sein. Aber ich bin froh, nun Herr meiner Zeit zu sein und mehr Zeit für mich und meine Familie zu haben. Ich war die letzten 25 Jahre in politischen Mandaten auf verschiedensten Ebenen. Es ist Zeit für einen neuen Lebensabschnitt. Natürlich hätte der Abschied aus der Politik ein Schönerer sein können.

Die FPÖ fährt eine Wahlniederlage nach der anderen ein. Was wünschen Sie Ihren Nachfolgern?
Die FPÖ kommt wieder, da bin ich mir sicher. Es sind dort viele fähige Leute in allen Bundesländern am Werk, da mache ich mir keine Sorgen. Und: Die FPÖ hat in ihrer Geschichte viele Krisen durchgemacht und versteht es, daraus gestärkt hervorzugehen. In Wien hat die FPÖ eine stabile Führung mit Dominik Nepp, der seine Arbeit hervorragend macht. Die aktuellen Umfragewerte sind eine Momentaufnahme, es wird wieder bergauf gehen.

Strache zählte einst zu Ihren engsten Freunden, nach dem Rücktritt wurden Sie sogar bespitzelt. Wann haben Sie sich zum letzten Mal gehört und wie ist Ihr Verhältnis heute?
Wir haben bis letzten Sommer Kontakt gehabt. Seitdem sind wir einander vielleicht zwei bis drei Mal zufällig, etwa bei einem Begräbnis eines gemeinsamen Freundes, begegnet.

Was halten Sie von seinem Polit-Comeback und wieso haben Sie als Chef der FPÖ-Wien nie etwas über die üppigen Spesenrechnungen mitbekommen?
Ich wünsche ihm persönlich alles Gute. Aber Projekte wie das DAÖ lehne ich entschieden ab, weil hier geht es nur um Eigeninteressen, Geld und Posten und nicht um Bürgerinteresse und Inhalte. Die Wiener SPÖ und ÖVP freuen sich über ihren neuen Bündnispartner, wenn es darum geht, der FPÖ als einzig ernstzunehmendem Gegner zu schaden. Dieser Plan wird aber nicht aufgehen, denn dieses DAÖ wird grandios an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern und daher ist jede Stimme dafür eine verlorene Stimme. Der Strache vorgeworfene mutmaßliche Spesenbetrug ist Gegenstand von Ermittlungen.

Was machen Sie jetzt beruflich?
Ich baue gerade ein Unternehmen auf und wäre ohne Corona auch viel im Ausland unterwegs. Es geht um Beratung im Strategiebereich, politisch-wirtschaftliche Netzwerke und unter anderem auch Immobilien. Ich versuche auch Start-ups zu begleiten wie zum Beispiel gerade eine neue App, die bald erscheinen wird.

Interviews: Christoph Budin, Kronen Zeitung

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