Steiermark History

Wie Steirer das Ende des Krieges erlebten

Steiermark
03.05.2020 10:00

Am 8. Mai 1945, vor 75 Jahren, kapitulierte die deutsche Wehrmacht. Die Besatzungszeit, vor allem durch die sowjetischen Soldaten, prägte die Bevölkerung. Folgen gab es in allen Bereichen des Alltagslebens.

Obwohl Karl Renner, Staatskanzler der provisorischen Regierung, Ende April 1945 in Wien bereits die Zweite Republik ausgerufen hatte, wurde in der Steiermark ein weiteres dunkles Kapitel der Nazi-Herrschaft aufgeschlagen: Die Ermordung ungarischer Juden im Lager Graz-Liebenau und am Präbichl im Zuge der Todesmärsche ins Konzentrationslager Mauthausen oder Erschießungen am Grazer Feliferhof gehörten zu jenen so genannten Endphase-Verbrechen, die noch vor dem Zusammenbruch der Hitler-Diktatur begangen wurden.

Vor 75 Jahren, in der Nacht von 8. auf den 9. Mai, wurden auch die Befürchtungen vieler Grazer Realität: Die Landeshauptstadt wurde der Roten Armee übergeben, die Hoffnung der Bevölkerung, sofort unter britische Besatzung zu kommen, war vergebens.

10 Wochen Besatzung durch die Rote Armee
Schließlich sollte es zehn Wochen dauern, bis die Steiermark zur englischen Besatzungszone wurde:Bis Juli 1945 hatten sich Sowjets, Briten, Amerikaner, die bulgarische Armee und jugoslawische Tito-Partisanen die Gebiete aufgeteilt.

Welche Auswirkungen hatte die kurze, aber für die Bevölkerung sehr prägende Besatzungszeit durch die Sowjetarmee? Im wirtschaftlichen Bereich kam es zu Plünderungen und Einquartierungen, zudem wurden auf Befehl Stalins Hochöfen und Industrieanlagen in den weiß-grünen Bezirken demontiert und in die Sowjetunion abtransportiert. „Steirische Arbeiter mussten beim Abbau helfen. Das war eine schmerzliche Erfahrung, denn die Männer spürten, sie würden ihre eigene Zukunft demontieren“, erklärt Barbara Stelzl-Marx, Professorin für Zeitgeschichte an der UniGraz.

Verhaftungswelle durch die Rotarmisten
Zudem schockierte eine Verhaftungswelle durch die Rotarmisten das Land: 200 Steirer wurden vor allem wegen des Verdachts von „Werwolf-Aktivitäten“, also des Aufbaus einer NS-Untergrundbewegung, festgenommen und nach Russland verschleppt.

Besatzungskinder suchen nach Identität
Dokumentiert sind zudem Tausende Vergewaltigungen von Frauen vor allem in der Ost- und Südsteiermark. „Die provisorische Landesregierung sah sich zur ,Abhilfe eines Notstandes‘ gezwungen, Abtreibungen freizugeben“, berichtet Barbara Stelzl-Marx, die sich auch als Leiterin des Grazer Ludwig Boltzmann Instituts mit Kriegsfolgenforschung beschäftigt. Trotzdem kamen überall im Land Besatzungskinder auf die Welt - auch aus Liebesbeziehungen. Sie quält vielfach die Frage nach der eigenen Identität.

Eheschließungen zwischen Steirerinnen und sowjetischen Soldaten wurden von der Besatzungsmacht übrigens nicht erlaubt: „Eine Ausnahme aber stellte der erste Stadtkommandant von Leoben, Šurupov, dar. Er durfte seine österreichische Freundin heiraten und mit ihr in der Ukraine leben“, weiß Barbara Stelzl-Marx.

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