„Schlagfertig“

Angst nehmen, nicht Angst machen

Salzburg
03.05.2020 08:15

„Der Bundeskanzler zeigt, nicht ganz überraschend, eine Neigung zu totalitärem Gedankengut.“ Als ich das unlängst in einem Interview mit der Wiener Zeitung „Der Standard“ sagte, bekam ich besorgte Nachrichten von Bekannten und Freunden. Ich möge mir das überlegen, denn die Feststellung sei schlicht falsch. Nordkorea ist totalitär. In Bezug auf Österreich und die Regierung sei die Bezeichnung totalitär nicht richtig und ein Fehltritt meinerseits. Ja, es war falsch.

Deshalb nutze ich den Beginn dieser Kolumne, um das zu korrigieren und mein Bedauern auszudrücken: Lieber Sebastian Kurz, Entschuldigung! Ich hätte präziser sein sollen. Ich hätte es eine Neigung zu autoritären Entscheidungen nennen sollen. Klar muss Politik in akuten Momenten wohl Führung zeigen und entschieden handeln. Auf Dauer funktioniert das Prinzip des Stärkeren aber nicht.

Auf Kosten seiner Partner im In- und Ausland seine Möglichkeiten der Macht mit kalter Berechnung zu verbinden, rächt sich immer.

Politik soll der Bevölkerung nicht Angst machen, sondern ihr Angst nehmen. In Krisenzeiten offenbart sich die Schwäche einer Politik, die nicht auf einer breiten Struktur ruht. Maßnahmen, die ein ganzes Land betreffen, müssen auf wissenschaftlich weitgehend gesicherten Erkenntnissen basieren. Dazu gehört der Rat von Experten ebenso wie das Parlament.

Der Philosoph Avishai Margalit beschreibt das so: „Eine Gesellschaft ist dann anständig, wenn deren Institutionen die Menschen nicht demütigen.“ Dies kennzeichnet für mich Würde und Freiheit.

Die Ideen der Bundesregierung zur Bekämpfung des Virus sind bekannt. Noch weiß keiner, was da richtig oder falsch ist. Was aber erwartet werden kann, ist ein breiter Prozess der Meinungsbildung. Es kann nicht sein, dass Wissenschafter, die Zweifel oder gar Kritik an Entscheidungen äußern, abgeschasselt werden. Es kann nicht sein, dass der eingeforderte nationale Schulterschluss, von der Regierung „TeamAustria“ genannt, alle anderen Nuancen der Diskussion als unpatriotisch geißelt.

Als Staatsbürger erwarte ich , dass Recht und Gesetz in Krisenzeiten die Richtschnur politischen Handelns sind. Eine zweite Grundsäule unserer Demokratie sollte die Freiheit des Wortes sein. Ich habe das Glück, dank der Rückendeckung meines Chefredakteurs, der die freie Meinungsäußerung als ein ungemein hohes Gut ansieht, auch kritisch zu politischen Entwicklungen Stellung beziehen zu können. Aber an welcher Stelle geht das mittlerweile nicht mehr? Werden querdenkende Charaktere nach und nach aus dem Diskussionsraum verbannt, weil man Sorge um die nächste öffentliche Zuwendung, das nächste Inserat oder die nächste Postenbesetzung hat?

Wie oft passiert das bereits unbewusst? In vorauseilender Sorge, dass dies von den Mächtigen nicht gutgeheißen und früher oder später sanktioniert wird? Wir müssen aufpassen, dass dieser Staat, wie wir ihn kennen, nicht kippt. Mit ausreichend Sensorium und Scharfsinn lässt sich in fast allen Bereichen ein Umbau beobachten.

Die Grundfesten unserer Demokratie sind nicht so unerschütterlich verankert, wie wir das vermuten mögen. In einer Zeit massenhafter Arbeitsplatzverluste, Kurzarbeit, drohendem wirtschaftlichem Kollaps schreibt der über Demokratie und Freiheit? Wie abgehoben kann er sein! Dem entgegne ich: Nur die Werte der Demokratie sind das Fundament, auf dem der Wiederaufbau unseres Landes gelingen wird. Die Phase der Entscheidung, welche Richtung Österreich in den nächsten Jahren nehmen wird, hat gerade erst begonnen.

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