Schwesterfirma Inhaber

Fake-Lokale auf Mjam: Wiens geheime Geisterküchen

Digital
30.04.2020 13:52

Auf der Essensbestell-Website mjam.at kann man bei Restaurants bestellen, die es in der Realität gar nicht gibt. Diese Geisterküchen betreibt eine Schwestergesellschaft des Bestellportals, indem sie Imbissen in Franchise-Manier Lizenzen zur Markennutzung ausstellt und sie mit tiefgekühlter Ware versorgt, die unter dem Namen des virtuellen Lokals zum Kunden geliefert wird. Die Mjam-Nutzer bekommen davon nichts mit.

Das geht aus einer Reportage beim Start-up-Magazin „Trending Topics“ hervor, in der Jakob Steinschaden einige dieser nur in der virtuellen Welt existierenden Restaurants enttarnt. Sie alle eint, dass sie mit durchaus geschicktem Marketing auf der Bestellplattform einen attraktiven Eindruck machen sollen, es sie in der realen Welt aber gar nicht gibt.

„Beste Freunde Burgergrill“ ist Kebap-Imbiss
Da wäre etwa der „Beste Freunde Burgergrill“. Auf Mjam.at pflegt man mit Gerichten wie dem „Wunderkind“-Burger oder dem „Freunde fürs Leben“-Burger eine familiäre Corporate Identity, lockt mit attraktiven Fotos und garniert Werbebotschaften mit Smileys. Doch den „Beste Freunde Burgergrill“ gibt es nicht: Die dort bestellten Gerichte kommen aus einem Kebap-Imbiss im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Die Herkunft des Essens ist für den Mjam-Nutzer also nicht transparent.

Drei virtuelle Lokale an der gleichen Adresse
In Wien gibt es etliche solcher Geisterküchen - eine besonders große in der Semperstraße im 18. Bezirk, von wo aus der virtuelle Mexikaner „Mamacita“, der ebenfalls virtuelle Orientale „Baba Noni“ und das nicht minder virtuelle und auf eine gesundheitsbewusste Kundschaft zugeschnittene Restaurant „Blattgold“ operieren. Alle haben hübsch gestaltete Websites und locken mit einem attraktiven Sortiment, die dort bestellten Gerichte kommen letztlich aber alle aus dem gleichen Partnerlokal.

Mjam-Schwestergesellschaft als Betreiber
Pikanterweise werden diese Geister-Restaurants nicht etwa von findigen Gastronomen betrieben, sondern von einer Schwestergesellschaft des Bestellportals Mjam selbst. Auf den Websites von „Baba Noni“, „Blattgold“ oder „Beste Freunde Burgergrill“ wird überall die Delivery Hero HF Kitchen GmbH im 12. Wiener Gemeindebezirk als Betreiber ausgewiesen.

Plattformbetreiber macht Lokalen selbst Konkurrenz
Das bedeutet, dass Plattformbetreiber Mjam.at, der bei über sein Portal abgewickelten Bestellungen von Gastronomen eine Provision einbehält, mit seiner Schwestergesellschaft der eigenen Kundschaft Konkurrenz macht - ohne Fixkosten wie Bedienung oder Geschäftslokal, sondern ausgegliedert an Franchise-Nehmer, die das Essen zubereiten, ausliefern und damit ihren Umsatz aufbessern wollen. Was der Partner kocht und welche Zutaten zum Einsatz kommen, bestimmt dabei die Delivery Hero HF Kitchen GmbH. Wer eines der Geister-Restaurants von seinem Imbiss aus operieren lassen will, muss (tiefgekühlte) Zutaten und Verpackung beim Markeninhaber einkaufen.

Dass es die Restaurants nicht gibt, verschweigt man
Wer beim „Beste Freunde Burgergrill“, bei „Mamacita“ oder „Blattgold“ bestellt, bekommt von alledem nichts mit. Dass die Lieferung von einem Partner-Imbiss einer Mjam-Schwester geliefert wird und es das geschickt vermarktete Geisterlokal gar nicht gibt, verschweigt Mjam. Auch auf den Websites der Geisterlokale findet sich kein Hinweis. Im Gegenteil, beim Restaurant „Blattgold“ heißt es etwa: „Unsere Bowls bestehen aus einem Mix aus warmen und kalten Zutaten, die den perfekten Geschmack erst entwickeln, wenn sie zu euch nach Hause oder ins Büro verschickt werden. Deshalb gibt es unsere Köstlichkeiten auch nicht vor Ort im Restaurant, sondern wir verschicken ausschließlich via Lieferservice zu euch nach Hause.“

Geisterküchen-Betreiber Ende 2019 gekauft
Mjam.at gehört zur deutschen Delivery-Hero-Gesellschaft, die im ersten Jahresviertel 2020 515 Millionen Euro Umsatz gemacht hat. Die Tochter Honest Food - und damit die Delivery Hero HF GmbH - gehört zum Konzern, seit Delivery Hero Ende 2019 das gleichnamige Berliner Start-up gekauft hat, das auch in Deutschland Geisterküchen betreibt. Warum Mjam.at und der Betreiber der virtuellen Restaurants der Kundschaft nicht klar kommunizieren, dass die Speisen eigentlich von Partnerlokalen kommen, wollte die Delivery Hero HF Kitchens GmbH „Trending Topics“ nicht beantworten.

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