Epidemiologe Willeit

Forscher erklärt, wie Studien zu Corona entstehen

Tirol
27.04.2020 08:00
Der Innsbrucker Forscher Peter Willeit beschäftigt sich mit den Gesetzmäßigkeiten von Epidemien und verschiedenen Krankheiten. Aktuell arbeitet er mit Kollegen an zwei großen Corona-Studien. Im „Krone“-Gespräch erklärt er, wie diese Forschung funktioniert.

Warum treffen Krankheiten bestimmte Menschen besonders hart? Warum sind andere immun? Warum breiten sich Epidemien in einigen Regionen schneller aus? Nicht erst seit Corona befasst sich Epidemiologe Peter Willeit von der Medizin-Uni Innsbruck mit solchen Fragen. Plötzlich hat der Wissenschaftler ein ganz neues Forschungsfeld direkt vor der Haustür. Aktuell arbeitet er an zwei Corona-Studien und hofft dabei auf die Mitarbeit der Tirolerinnen und Tiroler:

„Krone“:Herr Willeit, gemeinsam mit Kollegen haben Sie eine Studie zur Erfassung der Immunität gegen das Corona-Virus konzipiert. Im Idealfall lässt sich damit sagen, wo die erhoffte Herdenimmunität schon da ist oder welche Personengruppen keine Sorge mehr vor Ansteckung haben müssen. Auf diese Antworten warten alle. Können Sie sie schon geben?
Peter Willeit:
Aktuell noch nicht. Aber solche Antikörper-Studien sind sehr wichtig. Wir finden so heraus, wie viele Personen bereits eine Infektion hatten. Interessant dabei ist auch, wie häufig es vorkommt, dass man zwar infiziert ist, aber davon gar nichts merkt. Das gilt es zu entschlüsseln.

Dafür braucht es aber geeignete Antikörper-Tests, mit denen man die Immunität einer Person feststellen kann. Noch sind diese zu unpräzise und die Gefahr falscher Schlussfolgerungen zu groß. Wir alle hoffen nun auf die Virologen, die derzeit auf Hochtouren an der Qualität dieser Tests feilen. Uns ist klar, dass eine Aussage zum Immunitätsstatus in der Bevölkerung die Planung für die kommenden Monate wesentlich erleichtern würde. Aber ohne aussagekräftige Tests auch keine fundierten Aussagen.

Derzeit läuft eine österreichweite Studie mit sogenannten PCR-Tests, die eine akute Infektion nachweisen. Erwarten Sie dadurch Ergebnisse, die ihre Forschung weiterbringt?
PCR-Tests waren ein wichtiger erster Schritt. Als nächstes brauchen wir aber Antikörper-Studien. Sobald ein geeigneter Test gefunden ist, kommen die praktischen Fragen: Gibt es überhaupt genug solcher Tests, damit wir genug Daten sammeln können? Die Nachfrage ist weltweit riesig.

Die Krise hat sichtbar gemacht, wie wichtig, aber auch wie komplex Forschung ist. Das Interesse an ihrem Fachgebiet ist enorm gestiegen.
Die Epidemiologie hat in englischsprachigen Ländern eine viel größere Tradition als bei uns. Ich habe acht Jahre in Cambridge geforscht. Dort arbeiteten an meinem Institut Hunderte Epidemiologen. Das war schon sehr spannend. Aber auch von Innsbruck aus sind wir international gut vernetzt. Um zu verstehen, warum Menschen krank werden oder gesund bleiben, braucht es möglichst viele Daten. Österreich allein ist da oft zu klein. Aber in unseren internationalen Studien haben wir Zugang zu Daten von Hunderttausenden Personen. So wird Forschung sehr aussagekräftig.

Womit wir bei ihrer zweiten Corona-Studie wären ...
Gemeinsam mit einem Kollegen aus Wien gehe ich der Frage nach, wie sich die verordnete Isolation auf die Psyche und auf die körperliche Verfassung der Bevölkerung auswirkt. Dafür haben wir auch einen Online-Fragebogen entwickelt. Dieser ist seit 16. April abrufbar. Wir haben bereits mehr als 600 Teilnehmer, hoffen aber auf deutlich mehr. Weil Online-Fragebögen tendenziell eher jüngere Menschen nutzen, müssen wir in der Folge natürlich noch Daten anderer Personengruppen sammeln. Wir schauen uns auch andere Länder an. So eine Studie kann dauern. Aber für ein klares Bild brauchen wir viele Daten.

Noch gibt es also mehr Fragen als Antworten. Trauen Sie sich als Forscher trotzdem, schon jetzt Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen dieser Krise zu ziehen?
Zum Beispiel die, dass das österreichische Gesundheitssystem eine Epidemie dieser Dimension und mit den gesetzten Maßnahmen bewältigen kann. Die Zahl der Todesfälle ist deutlich geringer, als in anderen Ländern. Das hängt zu einem guten Teil von der Intensiv-Kapazität in Spitälern ab. Dieser Zusammenhang ist belegt.

Der Online-Fragebogen ist unter folgendem Link abrufbar: https://www.soscisurvey.de/COVID_studie/

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