Neues Album „Omens“

Elder: Melancholie in beunruhigenden Zeiten

Musik
22.04.2020 06:00

Fröhlich geht definitiv anders: Eine zerbröckelnde Statue vor einer schwarz-blauen Wolkenmasse ziert das Cover des fünften Albums von Elder. „Es sind beunruhigende Zeiten, in denen wir leben“, betonte Kreativkopf Nick DiSalvo. Nun war das Coronavirus zwar noch kein Thema, als „Omens“ geschrieben wurde. Doch wirkt die Stoßrichtung der fünf Songs teils wie ein Kommentar zur aktuellen Lage.

(Bild: kmm)

Als die APA den in Berlin lebenden US-Amerikaner DiSalvo, zuständig für Gitarre und Gesang, erreicht, kommt er gerade vom Sport. „Erstmals seit dem Beginn der Ausgangsbeschränkungen“, fügte er hinzu. „Und sofort habe ich mich gefragt: Habe ich mich angesteckt, oder bin ich einfach nicht fitter?“, lachte der Musiker. Seinen Humor hat er also trotz Corona nicht verloren. „Eigentlich ist alles normal, nur eben langweiliger als sonst.“

Abwarten und schauen
Wobei DiSalvo und seine drei Kollegen natürlich von den Maßnahmen zur Eindämmung des Virus betroffen sind. Die US-Tour musste abgesagt werden, sämtliche Europakonzerte im Sommer sind höchst fraglich. „Wir hatten eigentlich das nächste halbe Jahr komplett verplant. Und nun heißt es für uns: Abwarten und schauen, was noch kommt“, zeigte sich DiSalvo nachdenklich. „Keiner kann die Zukunft voraussagen, und wir verfolgen einfach die Nachrichten, um am Laufenden zu bleiben.“

Dementsprechend „blöd“ sei es, aktuell ein Album zu veröffentlichen. „All das killt das Momentum ganz schön. Aber alle Musiker sind jetzt in derselben Lage. Niemand hat so eine Situation schon mal erlebt. Keiner weiß, was der beste Weg ist.“ Dabei sollten Freunde des progressiven Rocks „Omens“ in jedem Fall eine Chance geben, haben sich Elder doch nochmals gesteigert und ihren komplexen Kompositionen eine teils leichtere Note verpasst, die sich durch melancholische Ausflüge und einen etwas geradlinigeren Zugang ausdrückt.

Einfach mal probieren
Mit ein Grund dafür seien die vorangegangenen „Gold & Silver Sessions“ gewesen. Die im Vorjahr veröffentlichte EP mit drei Instrumentalstücken war deutlich melodischer und offener als alles, was Elder bisher eingespielt haben. „Wir waren uns gar nicht sicher, wie das ankommen würde“, erinnert sich DiSalvo. „Einfach ins Studio gehen mit ein paar groben Ideen und dann loslegen. Normalerweise erwarten alle von uns diese verschachtelten Nummern. Aber wir haben gemerkt: Die Leute haben Geduld, egal was wir machen.“

Die so entdeckte Leichtigkeit durchzieht nun beispielsweise das ungemein eingängige „In Procession“, in dem sich DiSalvo auch stimmlich von ungekannter Seite zeigt. „Es ist einfach meine natürliche Stimme, die nun mehr rauskommt“, erwiderte er darauf angesprochen. „Weniger roh, mit weniger Kraft. Ob der Gesang aber wirklich besser geworden ist, ist natürlich Geschmacksache“, lachte der Musiker. „Letztlich ist es auch ein Drahtseilakt zwischen komplizierten und gut singbaren Melodien, immerhin spiele ich dabei ja auch Gitarre.“

Neue Klangfarben
Verstärkt zum Einsatz kommen auch Keyboards, wobei hierfür Fabio Cuomo als Gast gewonnen werden konnte. „Ich habe mir einfach verstärkt Keyboards gekauft“, sagte DiSalvo. „Wie ich mich überhaupt für Instrumente interessiere, die ich nicht besonders gut spielen kann. Das sind dann Werkzeuge, um andere Ideen rauszulocken, als sofort wieder zur Gitarre zu greifen. Die Keyboards bieten einfach eine andere Klangfarbe, die aber sehr gut zu unseren Songs passt. Man hat es ja irgendwann satt, nur auf fette Gitarren zu setzen.“

Diese sind auf „Omens“ natürlich immer noch vorhanden, aber insgesamt hat sich der Sound deutlich erweitert und sind Elder abwechslungsreicher geworden, ohne den Komplexitätsgrad weiter hochzuschrauben. Ergänzt wird das von einer dunklen lyrischen Komponente, die DiSalvo „durch Betrachtungen des Alltags“ aufgegriffen hat. Man müsse sich ja nur anschauen, was auf der Welt passiert. „Wobei wohl jede Generation dazu tendiert, ihre spezifischen Probleme als die drängendsten aller Zeiten zu bezeichnen. So geht es mir auch. Ich mache mir sehr viele Gedanken darüber, wie es morgen weiter gehen kann.“

Vorsichtiger Optimismus
Womit man letztlich wieder beim Coronavirus wäre sowie der Frage, ob die Menschheit aus dieser Krise etwas lernen könne. „Nun ja, eigentlich will ich keine Prognosen abgeben, das sollen schlauere Leute machen. Aber natürlich ist das eine spannende Frage. Ich habe ehrlich gesagt nicht so viel Vertrauen in die Menschheit. Wir sind egoistisch und kurzsichtig - da nehme ich mich selbst gar nicht aus. Keiner hat je so etwas erlebt. Vielleicht bleibt im Moment aber gar nichts anderes als Optimismus, vielleicht werden wir wirklich etwas daraus lernen. Aber ich glaube, das wird nur eine Minderheit betreffen.“

APA/Christoph Griessner

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