„Ein Stück Normalität“

Liga-Neustart: Alles über die Vor-Match-Tests

Fußball National
19.04.2020 08:30

Vor einem Neustart der Fußball-Bundesliga gilt es noch viele Details zu klären, nur eine Frage scheint schon jetzt beantwortet: An den Testkapazitäten wird eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs der beiden höchsten Klassen wohl nicht scheitern. Das sagte Gregor Hörmann (unten im Bild), Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie.

Ein Überblick über die wichtigsten Fakten:

Anzahl der Tests:
In der Bundesliga sind noch 60 Partien ausständig, dazu kommen das Cupfinale und das drei Spiele umfassende Europa-League-Play-off. Laut Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer (unten im Bild) wären bei einem Geisterspiel „minimal 161 Personen“ im Stadion - sollten alle von ihnen vor einem Match auf das Coronavirus untersucht werden, wäre man insgesamt bei knapp über 10.000 Tests, verteilt auf etwa sechs bis sieben Wochen. In der 2. Liga fehlen 88 Matches. Wieder ausgehend von 161 Personen pro Geisterspiel, käme man auf über 14.000 Tests.

Auch diese Zahl wäre laut Hörmann zu stemmen, allerdings immer unter Vorgabe, dass die Infektionen in Österreich nicht wieder stark steigen. „Aber grundsätzlich sind solche Zahlen bewältigbar, vor allem über einen Zeitraum von mehreren Wochen und bei der Anwendung von Probe-Pooling.“ In dieser Rechnung nicht inkludiert sind Testungen während der Trainingsphase vor dem Neustart, doch auch hier sollten die Ressourcen reichen. „Wir haben die Zahl der täglichen Tests zuletzt massiv erhöht, sind derzeit bei 6.000 bis 7.000 pro Tag und dabei nicht an den Obergrenzen.“

Art der Tests:
Die Betroffenen würden sich PCR-Tests unterziehen, die darüber Auskunft geben, ob eine Person aktuell mit dem Coronavirus infiziert ist und ihn auch übertragen kann. Durch einen PCR-Test kann nicht nachvollzogen werden, ob ein Mensch die Erkrankung schon vor Wochen hatte und deshalb immun sein könnte. Diese Erkenntnis wäre durch Antikörper-Tests zu gewinnen, allerdings liegt deren Zuverlässigkeit nicht bei 100 Prozent. Daher könnten sich falsch positiv getestete Personen in trügerischer Sicherheit wiegen.

Zudem ist noch nicht zweifelsfrei geklärt, ob ein Mensch, bei dem Antikörper gegen das Coronavirus nachgewiesen werden, wirklich immun ist. „Deshalb raten wir derzeit dringend von Antikörpertests für diese Fragestellung ab“, sagte Hörmann. Die Situation könne sich aber in den Wochen bis zum geplanten Liga-Start noch ändern, sollten die Antikörpertests zuverlässiger werden und mehr Erfahrungen zu einer möglichen Immunität vorliegen.

Durchführung der Tests:
Bei den betreffenden Personen werden von medizinisch geschultem Personal - dafür infrage kommen auch Mitarbeiter der medizinischen Abteilungen der Clubs - Rachenabstriche durchgeführt. Anschließend könnten die Proben etwa mit Botendiensten in die jeweiligen Labore gebracht werden, die Ergebnisse würden laut Hörmann rund vier Stunden später, sicher aber noch am Tag des Rachenabstrichs, feststehen. Der 37-jährige Labormediziner empfiehlt ein bis zwei Testungen pro Person und Woche, sinnvollerweise am Tag eines Spiels oder tags zuvor.

Getestete Personen:
Nicht alle Personen, die sich bei einem Geisterspiel im Stadion befinden, müssen nach den Angaben von Hörmann auch zwingend getestet werden. Davon befreit könnten zum Beispiel Journalisten, Mitarbeiter der TV-Produktion oder nicht in den unmittelbaren Spielverlauf involvierte Club-Angestellte sein. „Personen, bei denen der nahe Kontakt zu anderen ausgeschlossen ist, könnte man davon ausnehmen“, sagte Hörmann.

Kosten der Tests:
Die Durchführung eines PCR-Tests beläuft sich laut Hörmann auf rund 100 Euro, Liga-Vorstand Ebenbauer geht von Gesamtaufwendungen im Oberhaus in Millionenhöhe aus. Zwei Möglichkeiten zur Kostenersparnis gibt es - zum einen durch eine geringere Anzahl von zu testenden Personen, zum anderen durch das sogenannte „Proben-Pooling“. Dabei werden Abstriche von fünf Personen zu einem PCR-Test zusammengefasst.

Ist das Ergebnis negativ, weiß man, dass alle fünf Menschen Corona-frei sind und benötigte dafür nur einen Test. Sollte ein positives Ergebnis herauskommen, müssten die Proben der fünf Betroffenen noch einmal einzeln getestet werden. Das erhöht den Aufwand im Labor, steigert aber die Testkapazität enorm. „Proben-Pooling macht nur Sinn, wenn die Durchseuchungsrate gering ist“, erklärte Hörmann. Da dies in Österreich aktuell offensichtlich der Fall sei, „ist diese Methode durchaus verfolgenswert“. Das „Proben-Pooling“ befindet sich noch in einer Evaluierungsphase, soll aber kontinuierlich ausgebaut werden.

Labore:
PCR-Testungen können sowohl in Kliniken als auch in privaten, von Fachärzten geführten Laboren ausgewertet werden. „Ich würde zu Laboratorien raten, wo Ärzte involviert sind und Erfahrung in der Diagnostik von Infektionskrankheiten vorhanden ist“, betonte Hörmann. Andere klar definierte Qualitätskriterien für Labore, die PCR-Tests durchführen, gibt es derzeit nicht. „Das wird aber demnächst kommen“, sagte Hörmann.

Die Konsequenzen eines positiven Tests eines Spielers sind noch völlig offen. Eine Möglichkeit wäre, die komplette betroffene Mannschaft unter Quarantäne zu stellen, was wohl den Abbruch der Meisterschaft zur Folge hätte. Zwingend notwendig ist das Isolieren des gesamten Teams für Hörmann nicht - den Betroffenen aus dem täglichen Betrieb zu nehmen und dessen Kollegen noch genauer zu testen, könnte vielleicht ausreichen, so der Labormediziner. Diese Vorgehensweise kommt in Österreich auch bei Schlüsselkräften im Gesundheitswesen teilweise zur Anwendung.

Fußball als Vorreiter
Hörmann, nach eigenen Angaben „mäßig“ an Fußball interessiert, sieht in einem Liga-Neustart trotz der nach wie vor grassierenden Pandemie kein wirkliches Problem. „Ich denke, dass es gut ist, ein bisschen in den Normalmodus zurückzukehren, und das wäre ein kleiner Baustein dazu.“

Der Fußball könnte sogar eine Art Vorreiterrolle einnehmen. „Wir werden einfach lernen müssen, in allen Bereichen des Lebens mit dem Virus und dieser Art von Diagnostik umzugehen. Da könnte der Fußball beispielgebend sein, vermutlich werden in anderen Bereichen ähnliche Überlegungen geführt“, erklärte der Labormediziner. „Man hat die Möglichkeit, durch rigorose Testungen ein Stück Normalität zurückzugewinnen.“

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(Bild: KMM)



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