Nach Corona-Machtkampf

Brasiliens Präsident feuert Gesundheitsminister

Ausland
17.04.2020 07:14

Indem er sich für strikte Corona-Auflagen eingesetzt hatte, hat sich der brasilianische Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta die Missgunst von Präsident Jair Bolsonaro zugezogen: Nun ist der Minister des größten Landes Lateinamerikas sogar seinen Job los. Das Staatsoberhaupt hatte die Lungenkrankheit immer wieder als „kleine Grippe“ verharmlost. Mandetta dagegen warnte davor, die internationalen Empfehlungen ernst zu nehmen. Der Abgang des populären Politikers sorgte in dem Land für Proteste.

Bolsonaro hält den weltweiten Kampf gegen das Virus für eine „Fantasie“. Immer wieder wahrte er in der Öffentlichkeit keine soziale Distanz zu Bürgern und trug dabei auch keinen Mundschutz. Mandettas Versuche, gegen den Willen des Staatschefs Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie zu treffen, wurden abgeschmettert. Das machte sich in den Umfragen bemerkbar: Während Bolsonaros Popularität sank, erfreute sich der nun gefeuerte Gesundheitsminister immer größer werdender Beliebtheit.

Die Entlassung Mandettas sorgte dementsprechend für Empörung: Viele Menschen protestierten gegen diese Entscheidung, indem sie gegen die Fenster oder auf Töpfe und Pfannen schlugen. Mandetta informierte die Bevölkerung via Twitter über seinen Rauswurf und nannte die Pandemie eine „große Herausforderung, vor der unser Gesundheitssystem steht“.

Bolsonaro will Arbeitsplätze statt Leben schützen
Bei einer Pressekonferenz nach seiner Entlassung erklärte der scheidende Minister: „Die Wissenschaft ist das Licht“, von seinen Beamten war er zuvor mit stehenden Ovationen begrüßt worden. Bolsonaro sagte bei seiner eigenen Pressekonferenz, die Trennung sei „im gegenseitigen Einverständnis“ geschehen. Seine Priorität sei die Erhaltung von Arbeitsplätzen. „Das Heilmittel darf nicht schädlichere Nebeneffekte als die Krankheit selbst haben“, meinte das Staatsoberhaupt.

„Das Leben hat keinen Preis“
Als Nachfolger wurde der Onkologe Nelson Teich ernannt. Dieser kündigte bereits an, keine „abrupte Entscheidung“ hinsichtlich einer Lockerung der Corona-Beschränkungen zu treffen. Bolsonaro dagegen will die Wirtschaft rasch wieder hochfahren: „Das Leben hat keinen Preis. Aber die Wirtschaft muss wieder zum Normalbetrieb zurückkehren, um die Beschäftigung zu sichern. Nicht so schnell wie möglich, aber wir müssen nun über Lockerungen nachdenken.“

TV-Interview soll Fass zum Überlaufen gebracht haben
Anlass für den Bruch der beiden Politiker könnte ein TV-Interview am Sonntag gewesen sein: Mandetta sagte darin, die Menschen würden nicht mehr wissen, „ob sie auf den Minister oder den Präsidenten hören“ sollten. Daraufhin versagte ihm das Militär seine Unterstützung, das sonst auf seiner Seite gewesen war. Wie sein Nachfolger zu der Pandemie steht, ist ungewiss. „Die Absichten des neuen Ministers sind nicht klar, aber Bolsonaro hätte ihn nicht genommen, wenn er nicht auf der gleichen Wellenlänge wäre“, kommentierte der Politikwissenschaftler Vinicius Oliveira die Entscheidung des Präsidenten.

Experten gehen von hoher Dunkelziffer in Brasilien aus
In Brasilien starben offiziell bereits beinahe 2000 Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus, mehr als 30.000 sind infiziert. Experten vermuten jedoch, dass die wahre Zahl noch viel höher sein könnte: Schätzungen gehen von Hunderttausenden Infizierten aus. Der Höhepunkt der Pandemie wird erst für Mai oder Juni erwartet.

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