Experte aus Singapur:

„Keine App ersetzt manuelle Kontaktverfolgung“

Digital
15.04.2020 09:22

Im Kampf gegen Covid-19 sehen Ärzte, Wissenschaftler und Politiker viel Potenzial in Kontakttagebuch-Apps, die aufzeichnen, wen man trifft, und bei Verdacht auf eine Corona-Infektion schnell alle Kontakte der vergangenen Tage warnen. Gänzlich sollte man sich aber nicht darauf verlassen, warnt nun jener Mann, der im Stadtstaat Singapur eine solche App einführen ließ.

Jason Bay ist als hochrangiger Beamter für die digitalen Bürgerdienste zuständig - und war federführend an der Einführung eines Covid-19-Kontakttagebuchs in Singapur beteiligt. Im Blog des staatlichen Digitalisierungsdienstes verriet Bay kürzlich, wie sich die Einführung einer Kontakt-Tracking-App in Singapur seiner Meinung nach bewährt hat.

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Wenn Sie mich fragen, ob irgendein Bluetooth-Kontakttagebuch, das irgendwo auf der Welt bereits im Einsatz oder in der Entwicklung ist, dazu in der Lage ist, die manuelle Kontaktverfolgung zu ersetzen, dann sage ich Ihnen bedingungslos, dass die Antwort Nein lautet.

Jason Bay, Government Digital Services Singapur

Bay: „Wenn Sie mich fragen, ob irgendein Bluetooth-Kontakttagebuch, das irgendwo auf der Welt bereits im Einsatz oder in der Entwicklung ist, dazu in der Lage ist, die manuelle Kontaktverfolgung zu ersetzen, dann sage ich Ihnen bedingungslos, dass die Antwort Nein lautet.“ Apps - zuletzt hatten Apple und Google angekündigt, gemeinsam eine Programmierschnittstelle dafür zu schaffen - sind nach Bays Ansicht nur ein Hilfsmittel und kein Ersatz für Profis, die darauf spezialisiert sind, im Infektionsfall nach Kontaktpersonen des Covid-19-Infizierten zu fahnden.

Apps sind nicht unfehlbar
In seinem Blogeintrag, aus dem unter anderem das US-Technologieportal „CNET“ zitiert, erklärt Bay, auf welche Schwierigkeiten man in Singapur bei der Implementierung der App gestoßen ist. So ist es beispielsweise gar nicht so einfach, eine kritische Masse an Nutzern für Anti-Corona-Apps zu finden. In Singapur hat es etwa die App TraceTogether nach offiziellen Angaben trotz groß angelegter Werbekampagne der Regierung nur auf jedes sechste Smartphone geschafft - zu wenig, um wirklich einen Unterschied zu machen.

Hinzu komme, dass eine App das Infektionsrisiko einer Begegnung falsch einschätzen könne. Als Beispiel führt man bei „CNET“ einen Fall aus Israel an. Dort wurde eine Frau unter Quarantäne gestellt, weil sie laut einer Tracking-App Kontakt zu ihrem Covid-19-infizierten Mann hatte. Was die App nicht wusste: Die Frau winkte ihrem Mann nur durch das Fenster zu, war also trotz geringem Abstand keinem signifikanten Infektionsrisiko ausgesetzt.

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Falsche Positiv- und Negativmeldungen haben ganz reale Konsequenzen für Leben und Tod. Wir nutzen TraceTogether daher nur als Ergänzung zur menschlichen Kontaktverfolgung, nicht als Ersatz. Wir warnen davor, sich zu sehr auf die Technologie zu verlassen.

Jason Bay, Government Digital Services Singapur

Apps kennen den Kontext nicht
Umgekehrt könne eine App durchaus einen gefährlichen Kontakt übersehen. „Das können zum Beispiel kurzzeitige Begegnungen in geschlossenen Räumen ohne Frischluftzufuhr sein, die nahen Kontakt bedeuten, obwohl die Algorithmen nicht auf Dauer und Distanz der Begegnung anschlagen.“ Bay warnt: „Falsche Positiv- und Negativmeldungen haben ganz reale Konsequenzen für Leben und Tod. Wir nutzen TraceTogether daher nur als Ergänzung zur menschlichen Kontaktverfolgung, nicht als Ersatz. Wir warnen davor, sich zu sehr auf die Technologie zu verlassen.“

Kontaktverfolgung sei ein heikles Geschäft, in dem menschliche Empathie durchaus nützlich sei. „Die Kontaktverfolgung umfasst eine intensive Abfolge schwieriger und mit Angst erfüllter Gespräche. Die Aufgabe des Kontaktverfolgers ist, dem Patienten unter Wahrung seiner Privatsphäre zu erklären, dass seine engen Kontakte dem Erreger ausgesetzt gewesen sein könnten, und ihn über die nächsten Schritte aufzuklären.“

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