Interview & Album

Khost: „Kunst sollte immer furchterregend sein“

Musik
01.04.2020 06:00

Seit sieben Jahren verstören zwei Briten den musikalischen Underground mit sinistren Klängen, die sich aus Metal, Hardcore, Industrial und Horror zusammensetzen. Dabei sind Andy Swan und Damian Bennett abseits ihrer Band Khost richtiggehende Frohnaturen - und gaben uns Einblick in ihr neues Album „Buried Steel“ und ihre ganz eigene Welt des Klangs.

(Bild: kmm)

Verunsicherung, Anspannung, Angst, Paranoia - nur einige wenige Begriffe, die einem schlagartig in den Sinn kommen, wenn man sich der unbändigen Sogkraft einer Khost-Klangwelt aussetzt. Aus der harschen britischen Industriestadt Birmingham stammend, haben die beiden Jugendfreunde Andy Swan und Damian Bennett noch nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie sich musikalisch von den dunklen Seiten des Lebens anziehen lassen. Aber auch kein Wunder, denn Birmingham war schon immer eine Brutstätte für das Obskure und Gewaltvolle. Dort hat sich mit Black Sabbath der gesamte Heavy Metal begründet, dort haben Napalm Death vor mittlerweile weit mehr als 30 Jahren den Grindcore aus dem Punk gezimmert und dort hat sich mit Godflesh die bis heute spannendste Band formiert, die industrielle Kühle mit metallener Aggressivität paarte. Es verwundert nur wenig, dass die beiden Khost-Mitglieder mit einem Gros der Genannten nicht nur eine künstlerische, sondern auch menschliche Nähe verbindet.

Lust am Experimentieren
Auf „Buried Steel“, dem brandneuen Album des Duos, lässt es sich einmal mehr gut in die Untiefen des Unfassbaren abtauchen. Industrial-Klänge, hypnotisierende Samples, Schreie, Sprechgesang und elektronische Verzerrungen prägen das dystopische Klangbild Khosts, das sich - obwohl die Band selbst erst seit 2013 existiert - aus der reichhaltigen Erfahrung der beiden Musiker ergibt. „Wir beide hatten schon viele Projekte und ich habe vor allem in meinen ersten Bands wahnsinnig viel experimentiert und mit allen möglichen Gerätschaften gearbeitet“, erinnert sich Swan im Gespräch mit der „Krone“ zurück, „diese Lust am Unerwarteten wollte ich unbedingt zu Khost mitnehmen. Zudem stand ich immer auf die trippigen Gitarren und den verzerrten Shoegaze-Klang der 80er.“ Bennett durchlief ähnliche Phasen: „Bevor ich mich auf mein Soloprojekt konzentrierte, war ich in Bands, bei denen die Ästhetik wichtig war. Ich entwickelte über die Jahre hinweg eine Aversion dagegen der Typ zu sein, der einfach nur Sounds macht. Dann bist du nämlich nichts weiter als ein DJ.“

Davon sind Khost weit entfernt, denn hier ist alles handgemacht und persönlich zusammengestoppelt - ob das auf den ersten Hör passen mag oder nicht. „Spoken Word, verzerrte Gitarren, Laptops, Diktaphone. Alles ist erlaubt“, erklärt Bennett, „Musikmachen ist für mich so, wie wenn du dein Auto abwürgst und dir nicht sicher bist, ob du es noch einmal zum Laufen bringst, obwohl es am Ende doch wieder irgendwie anspringt.“ Metaphern lieben die beiden ausgesprochen sympathischen Musiker, die im Gegensatz zu ihrem Bühnengebaren im Gespräch die Freundlichkeit in Person sind. „Unser Sound soll so intensiv wie möglich sein“, beteuert Swan, „wenn du ins Kino gehst und einen Thriller siehst, weißt du im besten Fall nicht, was als nächstes passiert. Du fühlst dich unwohl und bist verunsichert. Genau so wollen wir klingen.“ Beide Musiker lieben Independent-Filme und die musikalische Dekonstruktion. Das haben sie nicht zuletzt im Frühling 2019 bei einem leider nur dürftig besuchten Konzert im Wiener Fluc bewiesen.

Atmosphäre und Unwohlsein
Doch auch wenn mal mehr los ist, herrscht im Publikum Unsicherheit. Manche tanzen, manche versuchen sich zu lockern, anderen stehen nur da und starren gebannt auf die Bühne. „Wir klingen so, wie wenn du mitten in der Nacht blind und ohne GPS-Signal durch eine Landschaft fährst. Natürlich wäre es möglich, durchgehend hart zu klingen, aber das ist nicht unser Anspruch. Atmosphäre und Unwohlsein sind das wichtigste Gut.“ „Buried Steel“ vermengt die Vorzüge der Vorgängeralben „Corrosive Shroud“ und „Governance“ und reichert sie mit neuartigen Nuancen an. Neben bedrohlichen Klängen haben Khost auf dem neuen Werk auch eine ganze Menge Gäste und Freunde versammelt, wie etwa die Cabaret-Voltaire-Legende Stephen Mallinder, Oxbows Eugene Robinson oder Stephen Ah Burroughs von Tunnels Of Ah. Allesamt Underground-Namen, die Genre-Connaisseuren ein Begriff sein werden.

Ein wichtiger Bestandteil bei Khost kann auch die Stille sein. „Manchmal passiert am meisten, wenn gar nichts passiert. Das kennt man auch aus Horrorfilmen“, so Bennett, „Stille ist wahnsinnig fordernd, aber auch immens spannend. Die magischsten Momente sind jene, wo du die Kontrolle über den Sound verlierst und er ebenjene Kontrolle selbst übernimmt. Das höre ich bei Bands wie Throbbing Gristle, Cabaret Voltaire oder Aphex Twin oft heraus. Da zischt es aus allen Ecken und Enden und man kann sich sicher sein, dass man überrascht wird.“ „Buried Steel“ ist in gewisser Weise dann doch etwas härter und streckenweise sogar leicht zugänglicher ausgefallen als seine Vorgänger. Auch wenn man mit derartigen Begriffen vorsichtig umgehen sollte. „Die Gitarren tiefer zu stimmen und hart zu sein ist einfach. Aber dissonant zu werden und mit den Instrumenten zu experimentieren, Neues zu suchen, das ist die wahre Kunst.“

Gedanken an die Menschheit
Inhaltlich haben sich Khost längst auf die ihnen wichtigen Themen versteift, die sich lose auch durch alle Alben ziehen: die Mächte der realen Welt, Paralleluniversen, Turbokapitalismus und die harsche Lebensrealität, die man in Birmingham erlebt. „Auf ,Buried Steel‘ haben wir mir denn je auch versucht, in eine Traumwelt vorzudringen und sie mit Klängen zu visualisieren. Wir denken viel über die Menschheit im Allgemeinen nach. Wie wir auf diesem Planeten leben, uns verhalten und uns behandeln. Dass ich davon ein bisschen besessen bin, hört man eigentlich allen Platten an“, schmunzelt Bennett und versucht jegliche „Weirdo-Gedanken“ beiseite zu wischen, „es darf schon auch ein bisschen wild bei uns zugehen. Wie bei Bands wie Converge oder Deafheaven. Eigentlich würde es mir gefallen, wenn die Leute bei Gigs heute wieder etwas selbstzerstörerischer sein würden. So wie früher, bei den Hardcore-Shows in den seligen 80er-Jahren.“

Nicht zuletzt die gute Freundschaft der beiden nicht mehr ganz so jungen Herren macht die Leidenschaft aus, die hinter Khost steckt. „Die Musik verbindet uns seit jeher“, erklärt Swan, „wir haben uns über andere Bands kennengelernt und schnell gemerkt, dass die musikalischen Visionen ähnlich sind. Damian schickt mir immer die ersten Beats und Gitarrenspuren und von dort an geht es weiter.“ Dass die beiden im echten Leben gar so freundlich singt, bringt Bennett zum Lachen: „Das ist doch das Schöne an der Kunst, die Ironie des Lebens. Du kannst darin so klingen, als ob du die ganze Welt hasst und zerstören möchtest und im echten Leben trotzdem der netteste Mensch sein. Wir können uns in Albträumen ausdrücken, obwohl wir ganz normal ticken. Meiner Ansicht nach sollte Kunst immer so furchterregend wie nur möglich sein.“

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