Einsam in Quarantäne

Der Kollateralschaden psychische Gesundheit

Tirol
29.03.2020 09:00

Schon im normalen Alltag leiden viele Menschen unter Einsamkeit. Die Quarantäne könnte das für so Manchen verschärfen. Doch die Maßnahmen sind zu Ende gedacht, betont Psychologin Barbara Juen. Hilfsangebote werden dennoch laufend verstärkt.

Es ist Freitag, der 20. März, als die Stadt Innsbruck verkündet, die Innpromenaden zu sperren. Zu viele Menschen seien dort gewesen – Joggen, Radfahren, Spazieren. Damit habe zwar niemand per se etwas Illegales getan, doch in Summe sei es zu viel.

„Spaziergang gut für Kreislauf“
Sportmedizinerin Ulrike Hölzl versteht das nicht. Gerade in Zeiten wie diesen sei es wichtig, Vitamin D zu tanken und das Immunsystem zu stärken: „Aus medizinischer Sicht ist es zu begrüßen, den Kreislauf in Schwung zu bringen“, sagt sie. Natürlich plädiere auch sie an die Vernunft der Menschen: „Klar soll man nicht auf den Berg gehen, Risikosportarten betreiben oder in Gruppen auftreten, aber gegen einen Spaziergang – alleine und im Flachen – ist doch nichts einzuwenden.“

Wie sehr schadet die Quarantäne der Psyche?
Natürlich stehe die Eindämmung des Virus an erster Stelle, doch die Leute komplett „einzusperren“, sei unverständlich. Darunter leide die Psyche. Es stellt sich somit die Frage nach den Folgen. Schon im normalen Alltag leiden Menschen unter Einsamkeit. Schützt uns die Quarantäne also vor Corona – aber schadet sie unserer Psyche?

„Studien darf man nicht verallgemeinern“
Es gibt dazu einige wenige Studien, die besagen, dass manche Menschen in Quarantäne Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung entwickeln. Eine Studie zeigt, dass Gesundheitspersonal in Taiwan, das während der SARs-Epidemie 2003 unter Quarantäne stand, unter Erschöpfung bis Schlaflosigkeit litt. „Das darf man aber nicht verallgemeinern“, erklärt Psychologin Barbara Juen. „Gesundheitspersonal, das in der Krise nichts tun kann, steht unter einer besonderen Belastung. Der Großteil der Menschen wird so etwas nicht entwickeln.“

„Alle Folgen werden immer bedacht“
„Wenn man Pandemie denkt“, erklärt die Expertin, „dann werden immer drei Dinge bedacht. Das Eindämmen des Virus, der Schutz der vulnerablen Gruppen und die Folgenlinderung.“ Heißt, Experten beraten die Politik – gemeinsam wird bedacht, welche Schritte, welche Folgen haben – und ob diese schlimmer als das Virus sein könnten. „All das ist extrem gut überlegt, da kann man sich darauf verlassen“, betont die Psychologin.

Soziales Leben verlagert sich
So zeigen Daten aus Wuhan, dass Menschen mit der Quarantäne gut umgehen können, so lange sie verstehen, warum diese Maßnahme sein muss – und den positiven Effekt daraus erkennen. „Das soziale Leben ist auch nicht vorbei. Es verlagert sich in das Netz und an das Telefon, wo Menschen unglaublich kreativ werden“, schildert Juen.

Verstärkte Beratungen via Telefon
„Aber natürlich gibt es Gruppen, die mehr mit der Isolation zu kämpfen haben.“ Familien, in denen es vorher schon Probleme gab, Menschen, die an psychischen Erkrankungen oder Demenz leiden, oder die ohnehin sozial isoliert waren. Hier versuche man mit verstärkter Beratung über zahlreiche „Helplines“ gegenzusteuern.

„Eindämmung des Virus an allererster Stelle“
„Es geht darum, alles daran zu setzen, das Virus einzudämmen, damit das Gesundheitssystem nicht kollabiert“, bekräftigt Juen. Das betont auch Hölzl, wenngleich sie sich mehr Augenmaß wünscht: „Wenn man die Promenade sperrt, verlagern sich die Spaziergänge wo anders hin. Man sollte den Menschen nicht gänzlich ihre Eigenverantwortung absprechen. Denn das Gros hält sich an die Maßnahmen – und tankt alleine etwas Sonne.“

Tipps für die Zeit in Quarantäne gibt es hier.

Hilfe für alle in der Krisenzeit
Etwa 55 Anrufe täglich verzeichnet die Corona-Sorgen-Hotline (0800-400120) momentan. Dennoch gibt es ausreichend Kapazitäten, bekräftigten die Verantwortlichen. Am anderen Ende der Leitung sitzen Fachkräfte, die die Situation einschätzen und bei Bedarf weiter vermitteln.

Therapie übers Telefon
Rund 900 Psychologen, Psychotherapeuten, Lebens- und Sozialbereiter stehen zur Verfügung. Die Therapie läuft hauptsächlich über Telefon und Internet und wird von den Krankenversicherungsträgern rückerstattet. „Zur Stärkung der psychosozialen Versorgung finden zudem Gespräche mit der Reha Sonnenpark Lans statt. Dort stehen 100 Betten für psychisch beeinträchtigte Patienten zur Verfügung“, informiert Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg.

Angebote annehmen
Auch an einer mobilen Kontaktaufnahme mit psychisch kranken Menschen arbeite man aktuell. Soziallandesrätin Gabriele Fischer appelliert, die Hilfe auch wirklich in Anspruch zu nehmen: „Die Hotline ist eine Anlaufstelle, wo es jemanden zum Reden gibt, aber auch professionelle Unterstützung in dieser herausfordernden Zeit.“

Anna Haselwanter
Anna Haselwanter
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