krone.at-Interview

Hosiner: „… war in der Kirche und habe gebetet!“

Fußball International
30.03.2020 06:26

Sie nennen ihn „Fußballgott“ und haben ihm einen eigenen Fanschal gewidmet, er hat 16 Tore in nur 19 Spielen erzielt und dem beinahe schon abgeschriebenen Fix-Absteiger wieder neue Hoffnung eingehaucht - Philipp Hosiner hat in Chemnitz seinen verschüttet geglaubten Torinstinkt wieder gefunden und trifft wie in seinen besten Austria-Zeiten. sportkrone.at traf Ho-Ho-Hosiner kurz vor dem Coronavirus-bedingten Abbruch jeglichen Fußball-Betriebs in Deutschland, als noch nicht absehbar war, dass an Fußball womöglich für sehr lange Zeit nicht mehr zu denken sein würde ...

krone.at: 16 Tore in 19 Partien für einen neuen Klub in einer neuen Liga in einem anderen Land: Wie fühlt es sich an, dass sich die Tornetze nach Schüssen von Dir wieder regelmäßig ausbeulen? Bei Sturm Graz und Union Berlin war es zuvor ja nicht so gelaufen …
Philipp Hosiner: Das fühlt sich natürlich super an! Ich bin von Anfang an super aufgenommen worden, habe von Anfang an meine Tore gemacht und jetzt sind wir mittlerweile auch ein bisschen da unten herausgekommen. Das ist einfach extrem wichtig für mich persönlich und natürlich auch für den ganzen Verein und für die Mannschaft. Von dem her: Ja, ich fühle mich einfach extrem wohl!

krone.at: Vor Deinem Eintreffen im September hat man in Chemnitz nicht viel gejubelt. Aus acht Spielen hatte man nur drei Zähler geholt - Stand jetzt weist die „Hosiner-Tabelle“ Chemnitz als Sechsten aus. Bist Du die Lebensversicherung für den Chemnitzer FC?
Hosiner: Nein, ich denke nicht! Es ist ja so, dass in der Zeit nicht nur ich neu dazugekommen bin, sondern auch der neue Trainer gekommen ist. Und der hat einiges umgekrempelt im Verein, eine neue Spielphilosophie hineingebracht. Generell haben wir hier sehr viele Akteure, die zum ersten Mal in der 3. Liga spielen und die einfach Zeit gebraucht haben, um sich eingewöhnen. Dann hat es einfach gepasst, dass ich eben genau zu dem Zeitpunkt dazugekommen bin.

krone.at: Alleine von Runde 20 bis 23 hast Du mit vier Doppelpacks in Folge angeschrieben, ein noch nicht dagewesener Rekord in der 3. Liga. Wie erklärst Du Dir Deine ganz persönliche Hochphase?
Hosiner: Ich fühle mich einfach extrem wohl hier. Ich habe das Vertrauen vom Trainerteam, von der Mannschaft, vom ganzen Verein. Und ich bin einfach ein Spieler, der so etwas mehr braucht als andere. Wenn man in ein Spiel gehen kann und weiß: „Wenn es heute nicht so gut läuft, dann spiele ich nächste Woche trotzdem wieder“, dann fällt der ganze Druck einfach ab, dass man jetzt unbedingt ein Tor schießen muss. Und das klappt einfach zurzeit sehr, sehr gut.

krone.at: Wir wären nicht in Österreich, wenn trotz 16 Toren in 19 Spielen nicht sofort der Einwand käme: „Aber das ist ja nur die 3. Liga!“ Was meinst Du, wie schaut’s mit der Qualität aus, im Vergleich etwa mit unserer Bundesliga?
Hosiner: Das ist natürlich extrem schwer einzuschätzen, aber ich würde sagen, dass der Unterschied extrem gering ist. Es geht sehr viel um Tagesform, um Mentalität, um Kampfgeist. Dass die fußballerische Qualität, wie es vielleicht früher einmal war, extrem unterschiedlich wäre, erkenne ich jetzt nicht. Also ich traue mich jetzt auch sagen, dass wir vom Niveau her mit unserer Chemnitzer Mannschaft in Österreich im Mittelfeld mitspielen würden. Klar, mit den Topvereinen LASK und Salzburg werden wir uns langfristig nicht messen können, aber bei allen, die da hinten nachkommen, wären das ausgeglichene Spiele.

krone.at: Zuletzt hat Dir ein anderer Österreicher die Show gestohlen, ausgerechnet Verteidiger Niklas Hoheneder hat in den vergangenen Runden ein Tor mehr erzielt als Du. Schmerzt das einen Vollblutstürmer wie Dich nicht ein wenig?
Hosiner: (lacht) Nein, überhaupt nicht! Auch weil ein Tor, das er gemacht hat, ich ihm aufgelegt habe. Und zuletzt habe ich auch für einen anderen Innenverteidiger einen Assist geliefert - ich bin froh, dass bei uns auch die Verteidiger gefährlich sind ...

krone.at: Vom SK Sturm Graz in Österreichs Bundesliga zum Chemnitzer FC, DDR-Meister von 1967, aber auch aktuell Abstiegskandidat in der 3. Liga Deutschlands. Kann man es jemanden verdenken, da einen Rückschritt zu sehen?
Hosiner: Wer das so sieht, kann das gerne so sehen, ich habe damit kein Problem. Es gibt oftmals im Leben Situationen, wo man einen Schritt zurück machen muss, um dann zwei Schritte nach vorne zu kommen. Das habe gerade ich schon öfters so erlebt in meiner Karriere - auch damals, als ich in Sandhausen meinen Vertrag aufgelöst habe, um in der 2. Liga in Österreich bei der Vienna ein Probetraining zu machen. Da haben auch viele gesagt: Das ist ein Rückschritt! Und im Endeffekt war das der Startschuss meiner echten Fußballer-Karriere. Spielpraxis ist für einen Profi-Fußballer einfach durch nichts zu ersetzen.

krone.at: Insofern ist Deine Entscheidung richtig gewesen ...
Hosiner: Ja, denn seit ich hier beim Chemnitzer FC bin, habe ich praktisch alle Spiele mitgemacht, die meisten über 90 Minuten - und ich habe meine Tore erzielt. Von dem her war es der absolut richtige Schritt. Ich bin stolz, dass das alles so aufgegangen ist bis jetzt, denn das ist überhaupt nicht selbstverständlich. Auch in der 3. Liga in Deutschland bekommt man die Tore nicht geschenkt ...

krone.at: Generell: Was hat für Dich den Ausschlag gegeben, hierher ins im von Österreich aus zweifellos nicht gerade im absoluten Fokus stehende Chemnitz weiterzuziehen?
Hosiner: Ich finde die 3. Liga in Deutschland einfach extrem interessant! Wenn man sieht, was für Traditionsvereine hier spielen, und wie es um die Infrastruktur, die Stadien, steht, dann kann man das in den meisten anderen europäischen Ländern mit Erstliga-Niveau vergleichen. Es macht extrem viel Spaß, wenn du auswärts etwa in Rostock, Braunschweig oder bei 1860 München vor über 20.000 Zuschauern spielst - und das in einer 3. Liga! Hier sind sehr viele Traditionsvereine engagiert, die schon Bundesliga gespielt haben und dort auch wieder hin wollen - und diese Brisanz merkt man. Das ist sehr, sehr spannend und macht sehr viel Spaß.

krone.at: Dein langer Abschied von Sturm Graz hat in der Außenwirkung nicht besonders geschmeidig gewirkt. Wie sehr hat Dich das ganze Theater belastet?
Hosiner: Ich habe versucht, das Beste draus zu machen, immer an mir zu arbeiten und weiter Spaß am Fußball zu haben. Ich habe versucht die Mannschaft trotzdem zu unterstützen, weil ich dort natürlich viele neue Freunde gewonnen hatte - und die Mannschaft hat mich auch immer sehr gut unterstützt. Ich bin immer drangeblieben, weil ich gewusst habe, im Fußball kann sich das sehr, sehr schnell drehen. Und tatsächlich hat es dann den Trainerwechsel gegeben - auf einmal habe ich doch wieder eine Chance bekommen, die Chance genutzt, eine gute Vorbereitung gemacht und die ersten Partien von Beginn an gespielt.

krone.at: Und trotzdem sollte es kein Happy End geben …
Hosiner: Nein, dabei hatte ich mit dem Thema Wechsel schon abgeschlossen gehabt, weil ich unter El Maestro eine neue Chance bekommen und es unter ihm auch extrem viel Spaß gemacht hatte. Ich habe sehr, sehr viel mitgenommen von ihm, auch in dieser kurzen Zeit - ich finde, dass er ein sehr, sehr guter Trainer ist.

krone.at: Hätte er Dich auch behalten wollen?
Hosiner: Ja, er hätte mich behalten wollen! Ich könnte bleiben und er würde mich weiterhin ganz normal behandeln, mich weiter mittrainieren lassen und mich, wenn ich gut genug wäre, auch aufstellen. Das war ja unter Roman Mählich damals nicht mehr der Fall, da durfte ich teilweise nicht einmal mehr mittrainieren. Deswegen habe ich sehr, sehr viel Respekt vor Nestor El Maestro, weil er mich in dieser Situation unterstützt und mich eben nicht nur als Fußballer, als Ware, sondern auch als Mensch gesehen und mich sehr, sehr fair behandelt hat.

krone.at: Themenwechsel: Ende Jänner und Anfang Februar haben sich für Dich zwei ganz besondere Tage zum 5. Mal gejährt - das waren die Tage der Diagnose des Nierentumors und der Operation. Wie hast Du diese Tage begangen?
Hosiner: Ich habe nichts wirklich Besonderes gemacht. Ja, klar: Am 11. Februar, meinem „2. Geburtstag“, war ich in der Kirche und habe gebetet - das ist so ein Ritual, das ich aber auch zwischendurch des Öfteren mache. Immerhin ist man einfach dankbar, man will seine Dankbarkeit zeigen, und sich wieder ins Gedächtnis rufen, dass es nicht selbstverständlich ist, gesund zu sein.

krone.at: Generell, was macht so eine schwere Erkrankung mit einem - noch dazu in einem Alter, in dem man sich in der Regel wohl eher noch nicht mit dem Tod auseinandersetzt …
Hosiner: Ja, so etwas verändert natürlich das komplette Leben! Ich war aber auch davor schon immer dankbar dafür, dass ich Fußball spielen habe dürfen und dass ich gesund bin. Aber wenn du dich dann wirklich einmal mit dieser Krankheit beschäftigen musst, sie am eigenen Leib erfahren musst, dann ist das einfach etwas ganz anderes. Mit einem Mal ist DAS da und du wirst regelrecht aus dem Leben gerissen, dann denkst du einfach nur mehr: „Ich will das schaffen, ich will nur mehr gesund werden!“ Das waren damals meine Gedanken. Also ich habe da gar nicht daran gedacht, vielleicht in drei Monaten wieder auf dem Platz stehen zu können, ich wollte einfach „nur“ gesund werden.

krone.at: Im heurigen Mai wirst Du bereits 31 Jahre alt - kein Alter für einen Fußballer, aber dennoch ein Alter, in dem man bereits zurückblicken kann: Würdest Du, Deine Karriere Revue passieren lassend, heute etwas anders machen?
Hosiner: Eigentlich nicht. Ich habe von jeder Station, wo ich gespielt habe, immer etwas mitgenommen, immer etwas dazugelernt - entweder fußballerisch oder fürs Leben allgemein. Ich möchte überhaupt gar keine Station missen, weil ich denke, dass das alles so kommen hat sollen, wie es gekommen ist. Etwa damals die Sache mit dem Medizincheck in Köln, als das mit dem Nierentumor zufälligerweise entdeckt wurde. Wenn ich kein Profi-Fußballer wäre, wäre ich niemals so gründlich untersucht worden. Bei einem normalen Check hätte man den Tumor womöglich gar nicht entdeckt! Deswegen glaube ich da an Schicksal und würde keine Station meiner Karriere austauschen wollen.

krone.at: Zum Abschluss noch einmal etwas ganz anderes - Du kennst Dich als Burgenländer zweifellos mit diversen Ausprägungen von Dialekt-Sprache aus. Wie geht’s Dir hier mit dem sächsischen Zungenschlag? Der gilt ja nicht unbedingt als sehr geschmeidig …
Hosiner: Ja, das ist natürlich gewöhnungsbedürftig! Aber wir haben ja zwei Österreicher bei uns in der Mannschaft, den Niklas Hoheneder und den Philipp Sturm, mit denen ich auch „normal“ Österreichisch reden kann. Mittlerweile sind wir auch so weit, dass uns sehr, sehr viele Deutsche verstehen und das akzeptieren. Aber sonst versuchen wir natürlich schon Hochdeutsch zu sprechen. So gibt‘s da keinerlei sprachliche Barrieren ...

krone.at: Ich hätte eher gedacht, dass Du die Sachsen nicht verstehst …
Hosiner:(schmunzelt) Nein, damit habe ich eigentlich überhaupt kein Problem ...

von Hannes Maierhofer (in Chemnitz - vor Ausbruch der Corona-Krise)

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(Bild: KMM)



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