Vertuschung hat System

Corona und SARS: Zweimal gleichen Fehler gemacht

Ausland
07.03.2020 06:00

Coronavirus und SARS: Ausbreitung zweier Epidemien, weil sie anfangs vertuscht worden waren. Der Fehler liegt im totalitären System Chinas, während bei uns die „offene Gesellschaft“ zeitgerecht aus Fehlern lernen kann.

Auf diese „Neue Seidenstraße“ aus China hätte die Welt gern verzichtet: Sie nennt sich „Covid-19“. Und das hatte Chinas Staatschef Xi Jinping wohl auch nicht im Sinn, als er 2017 bei seinem großen Auftritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos von dem „Aufbau einer Schicksalsgemeinschaft der Menschheit“ sprach. Alles hätte nicht so arg gekommen müssen, hätte nicht das politische System Chinas die Ausbreitung des Coronavirus mindestens einen Monat lang vertuscht.

Selbstschädigung und Gefährung anderer
Normalerweise macht man einen Fehler nur einmal und lernt daraus. China hat es aber fertiggebracht, den Fehler zweimal zu machen: einmal 2003 bei SARS und jetzt bei Covid-19. Es ist also offenkundig, dass dieses Verhalten, diese Selbstschädigung und Gefährdung anderer, systemimmanent ist für einen totalitären Polizeistaat. Eine Diktatur, die sich ihre Erfolgspropaganda von keinen schlechten Nachrichten „verderben“ lassen will, kann nicht anders handeln. Chinaprofessor Dr. Gerd Kaminski hatte die SARS-Krise in China erlebt und verfolgt seit Jahresbeginn die dortige Corona-Krise.

Er vergleicht: Als 2003 SARS-Symptome bereits bei einigen 100 Patienten in der südchinesischen Provinz Kanton aufgetreten waren, erklärte der Leiter des Gesundheitsamtes der Provinz: „Eine atypische Form von Lungenentzündung ist keine Krankheit, die meldepflichtig ist. Daher hatten wir keine Notwendigkeit gesehen, die Öffentlichkeit zu informieren.“

So schaffte die Seuche den Sprung nach Peking. Am 15. März kommt ein 70-jähriger Mann namens Li in das Dongzhimen-Krankenhaus in Peking. Die Diagnose lautet: Lungenentzündung und alte Tuberkulose. Zu dieser Zeit hatte das Militärkrankenhaus Nr. 301 einen SARS-Patienten mit acht Angehörigen aufgenommen, wodurch bereits eine Reihe von Ärzten und Schwestern infiziert worden war. Doch nichts davon war an andere Spitäler weitergegeben worden.

Geheimhaltung angeordnet
Der Direktor des Dongzhimen-Krankenhauses erklärte später Journalisten, dass er sich auf keinerlei Unterlagen mit Diagnosekriterien stützen konnte. Überall hatten die lokalen Behörden Geheimhaltung angeordnet, oder die Ärzte legten sich aufgrund der in China traditionellen Geheimhaltungsmanie eine Selbstzensur auf.

Am 18. März verstarb der Patient Li im Dongzhimen-Krankenhaus. Als vorläufig Letzten traf es den Leiter der Ambulanz, Dr. Liu. Er erholte sich nach drei Tagen, doch seine Frau verstarb. Sie hatte ihn bloß zweimal besucht, um ihm Reisbrei zu bringen. Damit war der Weltöffentlichkeit nicht mehr zu verschweigen, dass das Virus die Hauptstadt erfasst hatte. Doch die Parole im Gesundheitswesen lautete „nei jin wai song“ - nach innen scharfe Kontrolle, aber Unbekümmertheit nach außen.

In Kanton verdoppelten sich in der Zwischenzeit die Fälle von 305 auf 792 mit 31 Todesfolgen. Dennoch versuchte der Provinz-Parteisekretär, den alarmierenden Anstieg unter den Teppich zu kehren. Er gab seinen Beamten die Weisung, sie müssten erzieherische Maßnahmen ergreifen, damit die Bevölkerung freiwillig die soziale Stabilität aufrechterhalte und keine Gerüchte verbreitet würden. Das Hauptziel der Partei sei der Aufbau Chinas zu einer verhältnismäßig reichen Gesellschaft.

Verschweigen von unangenehmen Tatsachen hat in China System
Schönung von Berichten und das Verschweigen von unangenehmen Tatsachen haben in der Geschichte der VR China schon mehrmals das Land ins Unglück gebracht. Man erinnere sich nur an den großen Sprung vorwärts, als lokale Parteisekretäre die Ernteergebnisse übertrieben, die nächsten Ebenen nochmals nach oben korrigierten, sodass die Zentrale schließlich völlig irreführende Statistiken über die Nahrungsmittelproduktion in Händen hielt. Dies war einer der Gründe für die große Hungersnot Anfang der Sechzigerjahre.

Keine rechtzeitigen Gegenmaßnahmen
Im Fall des derzeit grassierenden Coronavirus war die Reaktion der chinesischen Behörden am Anfang ähnlich. Schon geraume Zeit in Wuhan im Dezember hatte das neue Virus die Aufmerksamkeit des Facharztes für Augenheilkunde, Li Wenliang, auf sich gezogen. Er warnte im chinesischen Netz. Hierauf bekam er Besuch von der Polizei, die ihm nicht nur verbot, weitere Meldungen zu verbreiten, sondern ihn überdies zur Unterschrift einer Unterlassungserklärung zwang. Das verhinderte rechtzeitige Gegenmaßnahmen. Noch am 23. Jänner versuchte man mit Meldungen zu beruhigen, dass ohnehin Maßnahmen getroffen würden.

Diesmal viel früher Kritik an Behörden
Es ist doch bemerkenswert, dass die Kritik am Behördenversagen dieses Mal viel früher und häufiger kommt als 2003 im Fall von SARS. Auch die Reaktionen auf Fehlverhalten von lokalen Parteifunktionären und Beamten fiel im Vergleich zu SARS rascher und gründlicher aus. Nicht nur die Leiter der Gesundheitsbehörden in Wuhan und anderen großen Städten Hubeis wurden entlassen, sondern auch der Provinzparteisekretär wurde abgesetzt. Dies steht ganz im Gegensatz zur Zeit von SARS. Für die Reaktion der Bevölkerung in dieser Hinsicht.

Kurt Seinitz, Kronen Zeitung

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