Album „Carnivore“

Body Count: Der harte Kampf gegen den Rassismus

Musik
06.03.2020 06:00

Knapp 30 Jahre nach dem Skandalsong „Cop Killer“ hat die US-Crossover-Band Body Count wieder ungemein an Popularität gewonnen. Auf ihrem siebenten Album „Carnivore“ kämpfen Frontmann Ice-T und Co. wie gewohnt gegen den Rassismus und für ein besseres Miteinander - teils auch mit drastischen Botschaften. Auch im Interview nahm sich der bekannte Sänger/Schauspieler kein Blatt vor den Mund. Am 27. Juni spielen Body Count ein Open-Air-Konzert in der Wiener Arena.

(Bild: kmm)

Vor knapp 30 Jahren, 1991, stand Los Angeles beinahe in Flammen. Nach dem Mord an der 15-jährigen Latasha Harlins und der rassistischen Polizeigewalt gegenüber Rodney King brachen in der US-Westküstenmetropole gewaltige Unruhen aus, die nur mit viel Zeit und Mühe wieder geglättet werden konnten. Wenig später veröffentlichte die damals brandneue Crossover-Band Body Count ihr Debütalbum und sorgte mit dem Song „Cop Killer“ für ausufernde Aufregung. Der Song war aus der Ich-Perspektive geschrieben, in dem es um die Vorbereitungen um den Mord an einen Polizisten aus Rache für Misshandlung und Diskriminierung ging. Dabei ging nicht nur der Deal mit dem Majorlabel Warner in die Brüche, sondern das ursprünglich auch „Cop Killer“ genannte Album wurde nach einigen Monaten wieder eingezogen und als „Body Count“ neu veröffentlicht. Die Aufregung zog sogar derart hohe Kreise, dass der damalige US-Präsident George Bush davon betroffen war und Ice-T auf die FBI-Watchlist kam. Völlig unter ging bei all der Aufregung, dass er mit seiner Band quasi die Blaupause für die Verschmelzung von Heavy Metal und Hip-Hop begründete.

Großes Kämpferherz
„Wir hatten immer einen klaren Standpunkt, auch wenn der Wind einmal schärfer wehte“, erinnert sich der Frontmann im „Krone“-Interview zurück. Ice-T distanzierte sich von Anfang an von der dargestellten Gewalt in dem Song und propagierte vielmehr die fiktionale Herangehensweise an das Thema. „Wir waren auch nie eine große Mainstream-Band oder irgendwo fetter Headliner. Es gab nie den Anspruch, dass uns jeder mögen sollte. Body Count hat seinen Teil in der Musikgeschichte und darauf sind wir stolz. Wir sind vielleicht keine große, aber gewiss eine wichtige Band.“ Dieser Tage erscheint - 28 Jahre nach dem Debüt - mit „Carnivore“ das siebente Studioalbum. Verändert haben sich Bandbesetzung, musikalische Umsetzung und Produktion, gleichgeblieben oder gar verschlechtert haben sich die Lage der Welt, Alltagsrassismus und soziale Ungerechtigkeiten, gegen die Ice-T auch im stolzen Alter von 62 mit unveränderter Inbrunst ankämpft. „Ich bin definitiv immer noch politisch geladen und habe keine Angst davor, gewisse Themen auf den Tisch zu werfen und sie mitzuteilen.“

Die Band selbst sieht er aber nicht als Motivator zu aktiven Taten. „Body Count macht auf Dinge aufmerksam, wir zwingen aber niemanden dazu, tätig zu werden. Wir sagen dir, dass die Polizei wieder einmal beschissen gearbeitet hat, wenn ein Schwarzer erschossen wurde, aber wir sagen dir nicht, dass du aktiv Selbstjustiz ausüben sollst. Unser größter Feind ist der Rassismus und daher auch der Kern fast jeden unserer Songs. Heute sind längst auch die weißen, privilegierten Kids aus Wohlfahrtsstaaten Fans von Body Count, weil sie wissen, worum es geht. Wir stehen aber nicht auf einer Kanzel und predigen, am Ende des Tages machen wir immer noch Entertainment. Nur kann man eben auch Botschaften in eine Unterhaltung packen.“ Auf „Carnivore“ gibt es zahlreiche Momente, die sich gegen Rassismus und Xenophobie stellen. Etwa im flotten „Point The Finter“ mit Power-Trip-Sänger Riley Gale oder in „The Hate Is Real“, das einmal mehr feurige Thrash-Metal-Riffs á la Slayer mit Ice-Ts toughem Rap verbindet.

Mitten in South Central
„Wir sind eine Mischung aus Slayer, Black Sabbath und den Suicidal Tendencies“, kategorisiert sich der Sänger selbst ein, „wir suchen nach dem bösen Sound und mögen die Brutalität in der Musik. Wenn ich an Slayer denke, dann kommen mir umgedrehte Kreuze in den Sinn und Tom Araya, der abgedrehte Dinge über den Teufel singt. Bei Body Count fühlst du dich als Hörer mitten in South Central, Los Angeles, und ein Haufen schwarzer Typen umzingelt dich mit Gangsta-Metal. Es ist sehr wichtig, als Band eine eigene Identität zu haben.“ „Carnivore“ ist musikalisch noch vielseitiger als die wirklich starken Vorgänger „Bloodlust“ und „Manslaughter“, mit denen sich Body Count innerhalb der letzten sechs Jahre nach einer ewig andauernden Dürrephase wieder ins Rampenlicht zurückgespielt haben. Insgesamt drei ehemalige Bandmitglieder sind seit 1994 verstorben, was einer der Hauptgründe für die temporäre Untätigkeit der Band darstellt. „Mit jeder Veränderung im Line-Up hat sich auch der Sound der Band verändert. Wir hatten dazwischen viele Leute, die ihre Instrumente gut beherrschten, aber nicht viel zum Sound selbst beigetragen haben. Seit ,Manslaughter‘ sind wir aber eingespielt und haben uns die Fans zurückgeholt.“

Musikalisch finden Body-Count-Fans auf „Carnivore“ ein buntes Potpourri aus allen Karrierephasen. Viel Thrash, sanfte Anklänge an den Death Metal, Spät-90er-Nu-Metal-Zitate und sogar Ansätze von Funk lassen sich heraushören. Neben herausragenden Tracks wie „Bum-Rush“ oder „Thee Critical Breakdown“ lassen sich manche Füller nicht vermeiden. Das mit Evanescence-Sängerin Amy Lee eingespielte „When I’m Gone“ klingt etwa doch zu weichgespült und die Motörhead-Verbeugung „Ace Of Spades“ ist zwar mehr als ehrenwert, grundsätzlich als offizieller Albumtrack aber auch verzichtbar. Der im Titel angegebene Wink an die stärker werdende Kultur des Veganismus ist von Ice-T beabsichtigt, aber nur ein Teil der Gesamtmetapher, die er mit der Band ausstrahlt.

Fuck Everybody
Jedes Album ist auch ein kleiner Sprung in seine eigene Vergangenheit. „Ich bin heute nicht mehr so egoistisch wie früher, als ich Banken ausraubte und Stereoanlagen aus Autos klaute. Mein Credo war ,fuck everybody, aber ich habe gelernt, dass man mehr kriegt, wenn man auch gibt. Ich war ein Waisenkind ohne Besitz, hatte nichts zu verlieren. Ich kam aber zum Glück aus diesem Strudel raus, ohne jemanden zu verletzen. Ich verdiene heute mein Geld mit ehrlicher Arbeit und bin gerne ein Vorbild für die Kids da draußen. Auf der Bühne bin ich vielleicht ein ,bad motherfucker‘, aber im echten Leben, so wie ich hier vor dir sitze, bin ich ein guter Typ und liebender Familienvater.“ Zu den gefährlichsten Bands der Welt gehören Body Count vielleicht nicht mehr, als Sprachrohr für Gerechtigkeit und fairen Austausch sind sie aber auch anno 2020 unverzichtbar. „Wenn du uns nicht magst, weil du uns für beschissene Musiker hältst, ist das okay. Magst du uns aber nicht, weil wir schwarz sind, dann hast du ein verdammtes Problem.“

Live in Wien!
Am 27. Juni sind Body Count auch endlich wieder in Wien zu sehen. Aufgrund der großen Nachfrage findet das Arena-Konzert sogar auf dem großen Open-Air-Gelände statt. Weitere Infos und Karten gibt es unter www.oeticket.com.

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