„Van Eyck was here.“

Gent und das Lamm mit dem göttlichen Gesicht

Reisen & Urlaub
05.03.2020 12:00

„OMG! Van Eyck was here.“ Der Slogan, mit dem Gent 2020 wirbt, giert nach Sensationen, zeigt aber auch, wie spektakulär die belgische Stadt ihren bekanntesten Maler ehrt!

Seit 2018 feiert Belgien seine flämischen Meister. Nach Rubens und Breughel ist heuer Jan van Eyck an der Reihe. Und der in dieser Reihe vielleicht am wenigsten Bekannte entpuppt sich als der größte Erneuerer. Er war nicht nur ein faszinierender Maler, der Anfang des 15. Jahrhunderts die Kunst revolutionierte, er war auch ein Universalgelehrter, sozusagen ein Leonardo da Vinci des Nordens – allerdings fast 100 Jahre früher.

Eines seiner berühmtesten Werke ist der 1432 geweihte Genter Altar
Nach etlichen Wirrungen - unter anderem entführten ihn die Nazis, und er landete im Stollen des Altausseer Bergwerkes, wo er fast in die Luft gesprengt wurde - befindet sich das Glanzstück nun wieder in der St.-Bravo- Kathedrale im Zentrum der Stadt. Bis Oktober soll er dort sogar einen eigenen Raum in der Apsis mit einem modernen Besucherzentrum erhalten. Seiner Faszination kann man sich aber schon jetzt nicht entziehen. Obwohl noch nicht vollständig im Original und noch nicht fertig restauriert, wirkt nicht nur das Hauptbild mit der Darstellung des Lamm Gottes magisch auf den Betrachter.

Sein menschliches Gesicht konnte erst durch die Restaurierung freigelegt werden, die einzelnen Gemälde des in der Form noch gotischen Flügelaltars wie auch das zentrale Bild wurden ja über die Jahrhunderte bis zu 70 Prozent übermalt. Jetzt sieht einen dieses mystische Lamm direkt an, und nicht nur der Rektor der St.-Bravo-Kathedrale, Ludo Collin, erkennt darin das Angesicht Gottes.

Dass die Engel und Heiligen auf dem Altar ebenso wie das Stifter-Paar so ungemein lebendig wirken, ist der neuen Malweise van Eycks zu verdanken. Lange galt er als der Erfinder der Ölmalerei, mittlerweile weiß man, dass er nur die Technik extrem verfeinert hat. Dazu kommen seine Kenntnisse der Optik, die sich in begnadeter Lichtgestaltung und zarten Reflexionen in seinen Gemälden äußern. Und van Eyck läutet in seinen Werken die Renaissance ein, indem er den Menschen als selbstbewusstes Individuum zeigt, das den Betrachter aus dem Bild heraus anschaut. Die italienischen Meister dieser Zeit wie Fra Angelico oder Masaccio waren davon noch ziemlich weit entfernt. Das alles sieht man zwar nicht in der Kathedrale, aber dafür im MSK, dem Museum der schönen Künste in Gent, das unter dem Titel „Eine optische Revolution“ noch bis 30. April die wohl größte Van-Eyck-Ausstellung aller Zeiten zeigt. Dort findet man auch die Außenteile des Altars im Original und 13 der insgesamt 23 bekannten Meisterwerke des Malers wie eines seinert Verkündigungsbilder oder die „Stigmatisierung des heiligen Franziskus“.

Nur mit ihrem einzigartigen Altar und der sensationellen Van-Eyck-Ausstellung geben sich die Genter aber nicht zufrieden. Die ganze Stadt feiert den Maler. Es werden spezielle Stadtführungen auch per Boot angeboten, in der St.-Nicholas-Kirche wartet eine spektakuläre Licht-Show rund um die Werke van Eycks, im sehenswerten Design-Museum widmet man sich auf mehreren Ebenen dem Maler, und Starköche haben spezielle Menüs kreiert mit Zutaten, die der um 1390 geborene Künstler wohl auch schon kannte.

Van-Eyck-Pralinen von Nicolas Vanaise und ein eigenes van-Eyck-Bier lockenDer Genter Chocolatier Nicolas Vanaise, der „nebenberuflich“ Archäologe und Kunsthistoriker ist, hat zudem in seiner Schokoladenboutique „Yuzu“ Pralinen erschaffen, die nicht nur van Eyck gemundet hätten, sondern selbst wie kleine Kunstwerke aussehen. Und es wäre wohl auch nicht Belgien, gäbe es nicht ein eigenes Van-Eyck-Bier – zu verkosten in den vielen gemütlichen Lokalen der Stadt.

Im Belfort, dem markanten Stadtturm, wartet ein Shop voller Kunsthandwerk mit Bezügen zum Alten Meister, und auch zeitgenössische belgische Künstler haben sich beeinflussen lassen. Von Installationen in der Kathedrale bis hin zu unzähligen Graffiti, quer durch die Stadt verteilt, reicht das Angebot.

Doch Gent ist eine Stadt, die man auch abseits des mittelalterlichen Starmalers entdecken kann. Als Einstieg empfiehlt sich ein Stadtrundgang mit Charlie (eigentlich heißt er Nick), einem ehemaligen Barbesitzer, der mit viel Humor die Besonderheiten der Genter anspricht.

Ihr mangelndes Talent für Selbstverteidigung kommt ebenso zur Sprache wie ihr Unbehagen mit Hierarchien. Nicht von ungefähr steht die Festung Gravensteen im Zentrum der Stadt. Die Adeligen mussten sich hier eher gegen Angriffe der eigenen Untertanen schützen. Versteckte Parks entdeckt man auf dieser Tour ebenso wie teils gruselige Details der Stadtgeschichte. Und Spaß macht’s auch!

Michaela Reichart, Kronen Zeitung

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