Schallenberg-Visite

Iran: Bei Atomvertrag „Möglichkeiten“ ausgelotet

Ausland
24.02.2020 06:00

„Ich habe nicht Corona“, scherzte Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif, als er seinen Kollegen Alexander Schallenberg empfing. Der österreichische Außenminister besuchte ein Land im Corona-Ausnahmezustand: Der Nationale Sicherheitsrat tagt, Schulen, Universitäten geschlossen, alle öffentlichen Veranstaltungen abgesagt. Die Gespräche mit Zarif und anschließend mit Präsident Hassan Rouhani nannte Schallenberg „offen und ehrlich“. Es sei die „gesamte Palette“ angesprochen worden, „inklusive Menschenrechte“.

In Absprache mit US-Außenminister Mike Pompeo und dem Außenbeauftragten der EU, Josep Borrell, die Schallenberg zuvor getroffen hatte, seien „Möglichkeiten“ ausgelotet worden, den Anti-Atomwaffen-Vertrag zu erhalten. Teheran will sich aber (noch?) nicht festlegen.

Die traditionell guten Beziehungen zwischen Österreich und dem Iran, so Schallenberg, machten es auch möglich, heikle Fragen offen anzusprechen:

  • mehrere österreichische Doppelstaatsbürger in Haft
  • „die absolut inakzeptablen Ausritte gegen Israel“
  • „die Rolle des Iran in der Region“ (Syrien, Jemen)

Hilfe gegen Migration aus Afghanistan
Gute Dienste in zwei Bereichen bot Schallenberg im ureigensten Interesse Europas an: Hilfe zur Bekämpfung der Corona-Seuche sowie zur Bewältigung des Migrationsproblems aus Afghanistan. „Derzeit leben drei Millionen afghanische Migranten im Iran“, so Schallenberg. „81 Prozent der Migranten, die in Europa ankommen, sind Afghanen. Wie kann man sie im Iran zur Rückkehr bewegen oder von der Weiterreise nach Europa abbringen?“

Präsident verhehlt Enttäuschung nicht
Präsident Rouhani verhehlte in seinem Gespräch mit dem Außenminister nicht seine Enttäuschung, dass der Anti-Atomwaffen-Vertrag nicht jene wirtschaftliche Dividende abgeworfen hat, die sich das iranische Volk erhofft hatte. Dies habe sich auch bei der Parlamentswahl ausgewirkt.

Schallenberg bedauerte den Ausstieg der USA aus dem Wiener Abkommen, stellte aber auch klar, dass dieser Schritt „auch mit regionalen Problemen zu tun hat“. Regionale Vertrauensbildung sei nötig. Erschwert wurde die Iran-Mission des Außenministers durch das Ergebnis der Parlamentswahl vom Freitag. Sie brachte einen durchschlagenden Erfolg der Konservativen und Hardliner, allesamt Gegner von Präsident Rouhani und seiner Regierung.

Großes „Dankeschön“ nach Washington
Das Ergebnis hat mehrere Ursachen: Viele Kandidaten waren von vornherein vom „Wächterrat“ als unislamisch ausgeschlossen worden. Aus Protest dagegen wurde die Wahl von der Mehrheit der Bevölkerung boykottiert. Es gab die niedrigste Wahlbeteiligung seit der Khomeini-Revolution von 1979. Das verschaffte aber den Konservativen und Hardlinern die Parlamentsmehrheit. Die können jetzt ein großes „Dankeschön“ nach Washington schicken.

Das politische Stadt-Land-Gefälle ist größer denn je. Ein von der Wahl ausgeschlossener Kandidat erklärt: „Auf dem Land wählen die Menschen nicht politisch, sondern nach Zugehörigkeit zu ihrer Gemeinschaft. In der Stadt wird politisch gehandelt, und da blieben die Wahllokale leer.“

Die Würgesanktionen der USA brachten Präsident Rouhani in die Zwickmühle zwischen Hardlinern und enttäuschten Anhängern: Er konnte die Erwartungen in ihn nicht erfüllen. Dass die Auswirkungen der Sanktionen auf den ersten Blick nicht zu sehen und zu spüren sind - die Straßen in Teheran verstopft wie eh und je -, darf nicht täuschen. Armut, Arbeitslosigkeit und Versorgungslücken greifen um sich. Zum kommenden iranischen Novruz-Neujahrsfest Mitte März gab es an der österreichischen Botschaft immer einen Ansturm für Touristenvisa. Heuer ist Ebbe.

Teheran: Kläranlage aus Österreich
Präsident Rouhani wird Anfang März die von der österreichischen Firma WABAG errichtete Riesen-Kläranlage in Teheran eröffnen, aber das Geld kann nicht überwiesen werden. Auf den Zahlungsverkehr mit dem Ausland halten die USA den Fuß drauf.

Außenminister Schallenberg am Ende des Besuches: „Ich erwarte mir jetzt nicht, dass die Welt in 48 Stunden anders aussieht, aber wir haben Vertrauensarbeit geleistet und unsere guten Dienste angeboten. Wir werden unsere Einschätzungen weiterleiten.“

Kurt Seinitz, Kronen Zeitung

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