Nach Skandal:

Wie soll es mit der Landwirtschaft weitergehen?

Tirol
22.02.2020 12:00

„Sagen, wie es wirklich ist“, wollen drei Landwirte aus dem Zillertal, nachdem die Schlachtungsvideos aus dem Libanon durch Österreich gingen. Das Problem liege nicht erst am anderen Ende der Welt, „wenn hier ein Kalb 70 bis 100 Euro und ein Liter Milch 40 Cent wert sind.“

Kurve um Kurve geht es hinauf auf den Berg – „das Navi findet es häufig nicht“, warnte Thomas Gredler im Vorfeld. Schilder entlang der Bergstraße weisen aber den Weg zum „Peternhof“ auf 1100 Metern in Schlitters im Zillertal. Der Ausblick reicht bis zu den nächsten Bergspitzen, Wiesen, Wald und Kühen – hier scheint die Welt noch in Ordnung. Doch als Gredler am Tisch in seinem Bergbauernhof Platz nimmt und sagt: „100 Euro bekomm’ ich für ein Kalb“, weiß man, dass es nicht so ist.

„So kann es nicht weiter gehen“
Es sind die Bilder aus dem Libanon, die Gredler (47) dazu bewegten, „zu sagen, wie es wirklich ist“. Mit ihm am Tisch sitzen Daniel Fiechtl (26) und Steffi Hussl (20). Es sind drei Menschen, aber eine Geschichte: „So kann es mit der Landwirtschaft nicht weitergehen.“

„Können Kälber nur in Europa verfolgen“
„Wir bekommen mehr und mehr Auflagen – vor allem im Sinne des Tierwohls – und dann werden die Kälber durch die halbe Welt gekarrt. Ohne Wasser. Von der grausamen Schlachtung gar nicht zu sprechen“, sagen die drei. „Wenn ich ein Kalb verkaufe, kann ich online verfolgen, wo es hingeht“, erklärt Fiechtl, „innerhalb von Europa.“ Und danach? „Verschwinden sie vom Radar!“

Was im schlimmsten Fall passieren kann, wurde nun einmal mehr klar. „Wir müssen ein Kalb acht Tage nach der Geburt draußen an der frischen Luft haben – und dann das. Unsere ganze Arbeit, zunichte gemacht,“ sagt Fiechtl. Die Videos seien nicht zu ertragen.

„In Österreich nicht genug Abnehmer“
Natürlich, so sagen sie, möchten auch sie am liebsten nur in Österreich verkaufen, schlachten, verarbeiten – „aber da haben wir die Abnehmer nicht. Denn die Großhändler wollen es möglichst billig, um es zu Schleuderpreisen verkaufen zu können.“ Wie solle es ohne Verkauf gehen, fragen die Bauern. „Es kann ja nicht jeder zum Direktvermarkter werden. Dann haben wir noch mehr Chaos“, sagt Gredler, „und wenn sie nun die Tiertransporte stoppen, was passiert dann mit dem Vieh? Staut es sich? Wird es noch billiger?“

„Konsument entscheidet mit“
Am Ende sei es eben der Konsument, der mit entscheidet – „auch wenn ich nicht immer den Käufer verteufeln will, ich versteh’ auch, dass man auf die Preise schauen muss, wenn man eine Familie ernährt“, betont Gredler. Aber auch die Landwirte müssen eben leben – und das sei ohne Nebenjob und Förderungen nicht mehr möglich. Sieben Tage die Woche Arbeit – „und wir bekommen 40 Cent für einen Liter Milch oder 70 bis 100 Euro für ein Kalb“, sagt Fiechtl. „Mineralwasser kostet mehr“, ärgert sich Hussl.

„Es braucht eine Diskussion“
„Es braucht eine breite, Diskussion“, sagt Gredler. „Denn auch alle Verantwortlichen tun so, als würden sie aus allen Wolken fallen bei den Bildern aus dem Libanon, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das niemand weiß. Nach einem kurzen Eklat verschwindet das Thema aus der Öffentlichkeit und es geht weiter wie bisher. Und das ist einfach nicht mehr möglich,“ betont der Landwirt, „das geht wirklich nicht mehr.“

„Kein Hausverstand“
Der Weerer Viehexporteur Erwin Schwaninger kritisiert die Zustände auf vorgeschriebenen Abladestationen an der EU-Außengrenze.

Zwischen 1000 und 1500 Tiroler Zuchtrinder exportiert Schwaninger jährlich, vor allem an Drittstaaten. „Viele Transportvorschriften der EU kann ich nicht nachvollziehen, da fehlt der Hausverstand“, ärgert sich Schwaninger. Er meint damit etwa die Vorschrift, dass ein Tiertransport nicht länger als 28 Stunden dauern darf, dann ist eine Abladung Pflicht. Dafür stehen Abladestationen bereit - etwa in Bulgarien, in der Nähe zum Drittland Türkei.

Nach Spanien und wieder zurück
„Ich glaube, dass die ununterbrochene Weiterfahrt von wenigen Stunden den Tieren nicht so viel ausmachen würde wie der Aufenthalt von 24 Stunden auf einer solchen Station“, betont Schwaninger. Er lässt die Bedingungen durchklingen: „Auf dem Lkw hätten sie es schöner.“ Exporteure , die Masttiere nach Spanien bringen, könnten nicht wissen, was mit denen geschieht. Ein Teil „gehe“ aber sicher weiter an Drittstaaten. Und: Das Fleisch komme oft zurück nach Österreich...

Anna Haselwanter
Anna Haselwanter
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