Experten-Treffen

Die Wahrheit hinter den Tourismus-Rekorden

Tirol
20.02.2020 20:00

„Kann sich die Hotellerie noch mit klassischen Mitteln finanzieren?“ lautete die Kernfrage beim ersten Branchenfrühstück der Fachgruppe Hotellerie in der Villa Blanka in Innsbruck. Hintergrund ist eine Welle von Betriebsübergaben, die laut Fachgruppenobmann Mario Gerber auf Tirol zurollt. 

Junge Unternehmer, die neu in das Geschäft einsteigen, sind einerseits mit einer Bürokratielawine konfrontiert, andererseits ist es für sie zunehmend schwerer, von der Bank frisches Geld zu bekommen. “Investitionen in die Qualität sind aber wichtig„, betont Gerber, “Betten haben wir schon genug!"

5000 Hotelbetriebe in Tirol
Mit Thomas Reisenzahn (Prodinger Gruppe) analysierte ein absoluter Experte die derzeitige Lage im österreichischen Tourismus. Tirol verfügt mit 5000 Hotelbetrieben über ein Drittel des gesamtösterreichischen Angebots. Seine wichtigsten Aussagen:

 In 10 Jahren ist die Auslastung nur um 10% gestiegen. Gleichzeitig hat ein Bettenwachstum speziell in der Vier- und Fünfstern-Kategorie stattgefunden.

Höchstbeschäftigung 
Noch nie waren so viele Mitarbeiter im Tourismus beschäftigt wie jetzt. Die Höchstbeschäftigung führt aber dazu, dass die Mitarbeiterkosten für die Betriebe stark nach oben gehen.

 Die Umsätze stagnieren bzw. ist von 2000 bis 2017 nur ein leichter Anstieg festzustellen. Gleichzeitig stagnieren die Preise.

Tirol im Vergleich günstig
 Laut Tourismusanalyse sind die Preise in anderen europäischen Ländern deutlich nach oben gegangen, Tirol werde im internationalen Vergleich als sehr günstig wahrgenommen.

 Das operative Ergebnis (Erlöse minus Aufwendungen) sei um 18% gesunken: Durch höhere Mitarbeiterkosten, höhere Provisionen (z. B. booking.com 15%) und höhere Energiekosten, rechnete Reisenzahn vor.

Mehr Eigenkapital 
Die Eigenkapitalquote ist von 9 auf 13% gestiegen, die Entschuldungsdauer von 14,8 auf 11 Jahre gesunken. Stark gestiegen seien die Bankenaufschläge bei Unternehmenskrediten, diese reichen nun von 0,3 bis 4 Prozent, berichtete der eingeladene Bankenfachmann Markus Tollinger (Raika).

Zinsniveau schönt Bilanzen
“Man muss sich die Übernachtungszahlen genau anschauen„, meinte Reisenzahn, “die Bilanzen sind durch das allgemein niedrige Zinsniveau geschönt„. Das wirke sich auch in der Insolvenzstatistik aus: “Die Zahlen sind stark zurückgegangen.„ Die Banken koppeln Kreditvergaben an strenge Auflagen. “Sie horten nun so viel Bargeld, dass die Tresore knapp werden", schilderte Reisenzahn.

Neue Methoden zu finanzieren
Den Unternehmern stünden aber viele Möglichkeiten offen, etwaige Finanzierungslücke zu schließen:

Crowd-Funding ist heute die gängige Methode, private Kleinanleger für ein Projekt ins Boot zu holen. „Der Hotelier hat hier den entscheidenden Vorteil, die Crowd, also den Gast, schon direkt im Haus zu haben. Es besteht bereits eine emotionale Bindung“, erläuterte Tourismus-Experte Thomas Reisenzahn. Der Anleger erhält Vergünstigungen, Hotelgutscheine oder später wieder sein Geld zurück. Falkensteiner zum Beispiel hat mit dieser Methode bereits Erfolg.

Weitere Möglichkeiten sind Leasing oder Mietkaufkonzepte, wie sie manche Handwerksbetriebe für Einrichtungen bereits anbieten, Bauherrenmodelle, Immobilien-Investmentfonds, Tourismusanleihen, Hotel-Residenzen („Condo-Hotel“) mit einem Anteil freiverkaufter Appartements oder „Buy-to-let“-Modelle mit Kauf und Rückpacht. Weniger erfolgversprechend wegen einer Gesetzesnovelle sei hingegen Time-Sharing.

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