Wunsch nach mehr Lohn

Pflegestreiks: Am Ende geht es doch ums Geld

Politik
13.02.2020 06:00

Triller, Sprechchöre und laute Partymusik dröhnen über den ehrwürdigen Stubenring vor dem Sozialministerium in Wien. Rund 1000 Mitarbeiter von 13 Betrieben haben sich eingefunden. „Insgesamt haben 250 Betriebe Streiks gemeldet“, sagt Daniel Gürtler, Sprecher der Gewerkschaft. Einzig in Vorarlberg - dort gibt es einen eigenen Kollektivvertrag - und Kärnten bleibt die Sozialwirtschaft streikfrei.

Das Ziel der Gewerkschaft: Mit den Protesten den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen. Denn schon am kommenden Montag steht die sechste Verhandlungsrunde an – und wieder geht es um die einzige Forderung: die 35-Stunden-Woche im Kollektivvertrag zu verankern. „Wir sind zuversichtlich, dass nach unseren Aktionen Gesprächsbereitschaft der Arbeitgeber herrscht“, sagt Chef-Verhandlerin Eva Scherz.

Streikende Pfleger: „Jede freie Stunde hilft“
Wer einmal einen Angehörigen gepflegt hat, versteht ihre Argumentation: In der Sozialbranche ist psychische Belastung an der Tagesordnung, nach der Arbeit abzuschalten fällt schwer. „Jede freie Stunde hilft“, sagen die Streikenden vor dem Ministerium. Allerdings: Tatsächlich arbeitet nur ein Drittel der Mitarbeiter Vollzeit. Für die anderen zwei Drittel geht es bei einer Arbeitszeitverkürzung um mehr Lohn – 8,7 Prozent im Schnitt.

Genau das ist das Problem der Arbeitgeber: Sie sind finanziell auf ihre Klienten und die öffentliche Hand angewiesen. Steigende Ausgaben können sie ausgleichen, indem sie höhere Beiträge einheben - von Pensionisten, Pflegebedürftigen, Menschen mit Behinderung und Jugendlichen beziehungsweise ihren Familien. Oder aber sie fordern höhere Tagsätze von den Ländern.

Taskforce Pflege tagt ab Mai
Für 2020 sind diese aber bereits fixiert. „Im Mai tagt zum ersten Mal die Taskforce Pflege“, sagt dazu Grünen-Sozialminister Rudolf Anschober. Sie soll mit Betrieben, Bund, Ländern und Gemeinden einen Plan zur Finanzierung der Pflege erarbeiten. Die aktuelle Pattsituation zwischen den Sozialbetrieben und ihren Mitarbeitern löst das nicht. „Da wird man einen Kompromiss finden“, sagt Anschober.

Daten & Fakten

  • Der Streik resultiert aus den abgebrochenen Kollektivvertragsverhandlungen der privaten Sozialberufe. Er regelt die Arbeitsbedingungen für 125.000 Mitarbeiter von privaten Einrichtungen etwa der Volkshilfe oder des Hilfswerks. Am 17. Februar wird wieder verhandelt.
  • Mitarbeiter von öffentlichen Pflegeheimen und Krankenhäusern fallen nicht in den Kollektivvertrag. In Vorarlberg gibt es einen eigenen Abschluss für die privaten Einrichtungen. Auch die  Caritas und Diakonie, Einrichtungen der Kirche, haben einen eigenen KV. Er wird gerade verhandelt.
  • Zwei Drittel der Pflegerinnen und Pfleger arbeiten Teilzeit. Für sie würde eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 35 Stunden ein Lohnplus von durchschnittlich 8,7 Prozent bedeuten. Im Vorjahr gab es ein Plus von 3,2 Prozent sowie einen zusätzlichen freien Tag.

„Krone“-Umfrage

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„Wir haben seit Jahren nur geringe Lohnerhöhungen. Sie stehen in keinem Verhältnis zu den harten Arbeitsbedingungen. Ein Lohnplus über 3 Prozent wäre eine Alternative zur kürzeren Arbeitszeit.“

Beate Gasser, Ausbildung

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„Wir arbeiten mit Kindern und haben viel Verantwortung. Sie brauchen dich, und das kostet Kraft - es ist unmöglich, die zu haben, wenn du 38 Stunden für sie da sein musst.“

Ioana Balan, Freizeitpädagogin

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„Eine Lohnerhöhung ist mir nicht so wichtig wie weniger Arbeitszeit. Es geht um Entlastung, um mehr Zeit für Privates und Freunde und darum, vom intensiven Job abschalten zu können.“

Florian Neumeister, Pädagoge

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„Wir arbeiten im Sozialbereich mit viel Herz und Emotion. Da ist es oft schwierig, zu Hause abzuschalten. Deshalb brennen so viele so schnell aus. Es geht nicht immer um mehr Geld.“

Benjamin, Freizeitpädagoge

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„Ein großes Lohnplus ist unrealistisch. Deshalb ist eine Arbeitszeitverkürzung sinnvoller als mehr Geld. Auch weil unsere Arbeit psychisch extrem herausfordernd ist.“

Andreas Lugmayr, Arbeit mit Behinderten

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„Wir leisten acht bis neun Stunden täglich Erziehungsarbeit, und das oft bei nicht einfachen Kindern. Da hilft jede Stunde weniger, um die psychische Belastung auszugleichen.“

Sabine Garranovic, Tagesbetreuung

Teresa Spari, Kronen Zeitung

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