Mission „Sophia“

Borrell sieht „keinen Beleg“ für Migrantenzuwachs

Ausland
11.02.2020 10:36

Dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zufolge übt die EU-Marine-Mission „Sophia“ keinen Pull-Effekt auf Migranten aus. „Ich verstehe die grundsätzlichen Bedenken aus Österreich und anderen Ländern“, so Borrell in einem Interview mit der deutschen Tageszeitung „Die Welt“ am Dienstag im Zuge der Diskussion über die Wiederaufnahme der Operation. „Aber es gibt dafür keine Belege.“

Das Mandat des EU-Marineeinsatzes von 2016 bis 2019 umfasste das Vorgehen gegen Schlepper, die Unterbindung von Waffenschmuggel und illegalen Ölexporten aus Libyen sowie die Ausbildung des Personals der libyschen Küstenwache. Laut internationalem Seerecht sind die Soldaten auch verpflichtet, Menschen aus Seenot zu retten. Nachdem Italien die Aufnahme schiffbrüchiger Migranten ablehnte, solange deren Verteilung auf die EU-Länder nicht geregelt sei, wurde die Mission abgebrochen.

Österreich gegen Wiederaufnahme von „Sophia“
Österreich lehnt nun eine Wiederaufnahme von „Sophia“ zur Überwachung des Waffenembargos für Libyen mit der Begründung ab, diese locke illegale Migranten an, da sich ihre Aussicht auf Rettung verbessere. Die Bedenken seien nicht gedeckt durch Tatsachen, so der EU-Chefdiplomat dazu. „Es stimmt nicht, dass die Marine-Mission Sophia zusätzliche Migranten anzieht und dazu führt, dass die Migration nach Europa weiter steigt“, erklärt er in dem Interview.

„Im Jahr 2015 hatten wir 140.000 Ankünfte aus Libyen, und 2016 stiegen die Zahlen, wie überall in Europa, auf 164.000 an“, sagte Borrell. Im Jahr 2017 seien es nur noch 105.000 Ankünfte und 2018 lediglich 27.400 gewesen, so der EU-Außenbeauftragte. Auch seien nicht mehr Menschen auf dem Mittelmeer infolge der Marinemission gestorben. „Die Sterberate ging von 3150 im Jahr 2015 auf 1300 im Jahr 2018 zurück“, wird Borrell zitiert.

Beratungen am Montag
Am kommenden Montag werden die EU-Außenminister in Brüssel über Wege zur geplanten Kontrolle des UN-Waffenembargos durch EU-Soldaten beraten. Borrell drängt auf eine neue Operation und tritt dafür ein, diese künftig in einem neuen Einsatzgebiet durchzuführen. Ob die neue Mission dann noch „Sophia“ heißen werde, sei zweitrangig.

„Wichtig ist aber, dass das Mandat für die neue EU-Mission so ausgestaltet ist, dass die Überwachung des Waffenembargos aus der Luft, an Land und auf dem Mittelmeer möglich ist. Vor allem über die Landgrenzen kommen viele Waffen ins Land“, so der Spanier. „Das müssen wir möglichst unterbinden.“

Kontrollen weiter östlich und mit Hilfe der NATO?
Aus seiner Sicht wäre es denkbar, dass die Kontrolle auf hoher See „nicht wie bis März 2019 im zentralen Mittelmeer, wo die Routen der Migranten verlaufen, erfolgt, sondern weiter östlich im Mittelmeer, Richtung Bengasi oder sogar in Richtung Suez-Kanal.“ „Die Waffen kommen ja aus der östlichen Richtung“, erklärt Borrell gegenüber der „Welt“.

Dabei sei „jede Hilfe“ willkommen, auch jene der NATO. „Ich wäre sehr glücklich, wenn die NATO bereit wäre, Aufgaben bei der Durchsetzung des Waffenembargos zu übernehmen und uns zu assistieren“, so Borrell. Für ihn ist die Krise in Libyen „ein Tumor, der in die gesamte Region ausstrahlt“. Auch in die Sahel-Zone (Burkina-Faso, Niger, Mali, Tschad, Mauretanien) sei dieser „metastasiert“.

Sahel-Zone als Pulverfass?
Wenn die Lage in Libyen nicht unter Kontrolle komme, werde die gesamte Sahel-Zone weiter destabilisiert. „Das wäre eine große Bedrohung für die Europäer, weil sich radikalislamistische Terrororganisationen dort ausbreiten“, warnt der EU-Chefdiplomat. Noch mehr politische Instabilität würde zudem zu mehr Migration nach Europa führen.

In diesem Zusammenhang fordert er mehr Einsatz von der EU in diesem Gebiet. „Es reicht nicht, die Sicherheitskräfte in Mali und anderen Staaten nur in Trainingscamps auszubilden, die europäischen Ausbilder müssen sie auch bis zum Kampf begleiten und dort anleiten“, so Borrell. Dies würde auch österreichische Soldaten betreffen. Das Bundesheer ist in dem Gebiet in Mali an dem UNO-Stabilisierungseinsatz MINUSMA sowie einer EU-Ausbildungsmission (EUTM) beteiligt.

Demnächst werde die EU zu einer Sahel-Konferenz einladen, um eine Koalition zu bilden, der auch Staaten der Region angehören, kündigte der EU-Chefdiplomat an. Eine solche Koalition werde aber auch erfordern, dass die Europäische Union ihre militärische Präsenz verstärke, militärisches Gerät an die betroffenen Länder liefere und das Mandat des EU-Einsatzes in der Sahelregion verändere.

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