Live in der Simm City

The Darkness: Triumphzug über die Infantilität

Musik
11.02.2020 00:42

Die britischen Rocker The Darkness zelebrierte in einer fast ausverkauften Simm City ein fulminantes Konzert. Gestört wurde das bunte Treiben aber von Becherwerfen, die beinahe einen Konzertabbruch provozierten.

(Bild: kmm)

Der dritte Becher war dann einer zu viel. „Barbarian“ heißt die Nummer, die The Darkness bereits zu zwei Drittel fertiggespielt haben, als sich plötzlich eine Bierfontäne über Frontmann Justin Hawkins und seinen glitzerroten, wagemutig offenen Jumpsuit ergießt. Trifft ihn am Oberkörper, im Gesicht, in den Haaren. Die Gitarre wird zu Boden geworfen und er fordert den Werfer zur Identitätsfeststellung. Der Werfer ist eine Werferin, offenbar bereits ordentlich illuminiert. Der Rest der Band steht stoisch, aber geschlossen wie eine Wand hinter Hawkins. Dieser fragt, warum sie das gemacht hat. Die Betroffene kontert mit „don’t be a pussy“. Hawkins bittet sie zu gehen. Das nimmt die Gescholtene nicht ganz freiwillig an, wodurch die Saal-Security nachhilft. Der erste Becher segelte bereits auf die Bühne, als der Sänger diese betrat, der zweite folgte Sekunden später. Beide kickte er runter, drohte aber schon da unzweideutig, dass man dies bitte unterlassen sollte.

Harter Weg zurück
Hawkins war jahrelang schwer alkohol- und drogensüchtig. Nicht zuletzt an dieser Sucht zerbrach die einst so aufstrebende Band 2006 für ganze fünf Jahre endgültig. Hawkins war einerseits die europäische Hoffnung auf die Rettung des schon damals dahinsiechenden Rock’n’Rolls, mit 31 Jahren aber auch schon ein Wrack. Nun ist er seit 13 Jahren trocken. Ein harter und steter Kampf, der niemals richtig ausgefochten ist. Ein Parforceritt zwischen Rock-Klischee und gesundem Lifestyle. Dann segelt ihm in der Simm City das Bier drüber und er muss es schmecken. Ob er will oder nicht. Nein, das ist nicht Rock’n’Roll. Das ist Infantilität. Debiles, proletarisches Verhalten, wie es gerade bei Rock- und Metalevents immer wieder vorkommt. Heute geht es für die richtige Person schlecht und für die anderen gut aus. Dass sich an dieser zutiefst österreichischen Tradition künftig etwas ändert, darf angezweifelt werden.

Natürlich gab es vorwiegend Musik und das nicht zu knapp. Ganz ambitioniert haben The Darkness diese Tour auf zwei gewichtige Füße gestellt. Das erste Set ist das aktuelle Album „Easter Is Cancelled“, das gleich zur Gänze gespielt wird. In Teil zwei kommen Fans jedweder Couleur auf ihre Kosten, denn dort zelebriert das Quartett die größten Hits aus mittlerweile auch schon 20 Jahren Bandhistorie. Wie vielseitig und kompositorisch mutig The Darkness mittlerweile geworden sind, beweist vor allem die bunte Variabilität des aktuellen Albums. Der Opener „Rock And Roll Deserves To Die“ (was für ein Statement!) gehört zu den schrägsten Rockhymnen der letzten Jahre, „Heart Explodes“ ist ein Ohrwurm, der sich um die alten Suchtdämonen Hawkins‘ dreht und bei „Deck Chair“ darf Drummer Rufus Taylor an die Tasten, während Hawkins in hohem Timbre seine Balladenfestigkeit unter Beweis stellt.

Mut für Neues
Komplett in weiß gekleidet konterkariert die Band diese Art von Unschuld mit gewohnt lasziven Bewegungen und echten Riffs. Gerade der Titeltrack beweist eindeutig, dass die wichtigste Schule für The Darkness stets Queen waren. Dan Hawkins‘ Rhythmusgitarre könnte direkt aus Brian Mays Verstärker aus den frühen 80er-Jahren kommen. Der „Heavy Metal Lover“ treibt vehement in das dementsprechende Genre, während der Frontmann sich am Set-Ende bei „We Are The Guitar Men“ darüber amüsiert, dass die Fans sogar in ruhigen Momenten begeistert grölen, ohne dabei aber auf eine Beatles-Verbeugung in Form von „While My Guitar Gently Weeps“ zu verzichten. Dass die großen Hits der alten Tage heute nicht mehr so leicht geschrieben werden, das ist nicht zu verkennen, aber der Mut, ein neues Album zur Gänze zu spielen, muss respektiert werden.

Für das Klassikerset ist auch ein Kleidungswechsel vonnöten. Da dürfen auch wieder die altehrwürdigen Thin-Lizzy-Shirts ausgepackt werden, denn bei Krachern wie „One Way Ticket“, „Growing On Me“, dem brachialen „Japanese Prisoner Of Love“ und der Kultballade „Love Is Only A Feeling“ ist das Publikum erwartungsgemäß textsicher und eingegroovt. Nach dem Vorfall bei „Barbarian“ merkt man Hawkins leider längere Zeit an, dass er trotz makelloser Gesangsleistung Spaß und Drive verloren hat. Erst bei der Mitgrölhymne „Givin‘ Up“ findet er wieder in die Spur zurück. Da sitzt ihm auch längst wieder der Schalk im Nacken, wenn er sich von Fans T-Shirts und Sportjacken ausborgt, dort angerotzte Taschentücher verstaut, zum Crowdsurfing ansetzt und zwischendurch auch mal liebevoll Liam Gallagher verarscht. Durch die Vorkommnisse zieht sich der Gig auf über zwei Stunden, doch wenn man die Nettospielzeit heranzieht, war es der beste und intensivste The-Darkness-Auftritt seit vielen Jahren. Dass unter 800 Zusehern zwei bis drei Idioten dabei waren, ist im Endeffekt zu verschmerzen.

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