Reise-Portal wird 20

Tripadvisor: Von der Idee zum Milliarden-Business

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09.02.2020 11:01

Die Geschichte der Website mit dem markanten Eulen-Logo begann im Jahr 2000 in der Kleinstadt Needham, etwa eine halbe Stunde von Boston entfernt. Mit zwei Millionen US-Dollar (aktuell 1,8 Millionen Euro) Investorenkapital gründete der Amerikaner Stephen Kaufer dort seine Online-Plattform Tripadvisor. Die Idee: Eine Seite, auf der sich Nutzer einerseits über Reiseziele, Sehenswürdigkeiten oder Unterkünfte informieren konnten. Andererseits sollten sie ihre Reiseerlebnisse direkt auf der Seite bewerten und so wiederum anderen Besuchern bei der Auswahl helfen. Damit schien Kaufer einen Nerv der Zeit zu treffen. Die Community wuchs rasant. 2005 verzeichnete die Seite drei Millionen Bewertungen, zwei Jahre später zehn Millionen. Aktuell finden sich auf Tripadvisor über 830 Millionen Erfahrungsberichte und Meinungen zu 8,6 Millionen Unterkünften, Sehenswürdigkeiten, Restaurants und so weiter.

Im Geschäftsjahr 2018 setzte Tripadvisor 1,6 Milliarden US-Dollar um und erwirtschaftete einen Gewinn von 113 Millionen Dollar. Während im ursprünglichen Modell Werbung die Haupteinnahmequelle war, generiert heute die Weiterleitung von Kunden auf externe Buchungsseiten einen Großteil der Einnahmen. Laut eigenen Angaben ist Tripadvisor mit monatlich 460 Millionen Besuchern noch immer die größte Reiseplattform der Welt.

„Plattformen wie Tripadvisor sind heute aus dem Alltag eines Hoteliers nicht mehr wegzudenken“, sagt denn auch Patric Schönberg, Kommunikationschef des schweizerischen Hotellerieverbands Hotelleriesuisse.

Weil der Gast online tendenziell verschiedene Hotels vergleiche, seien Plattformen wie Tripadvisor besonders in der Entscheidungsphase, also wenn er noch keine bestimmte Unterkunft im Sinn habe, äußerst wichtig. „Und wir beobachten eine zunehmende Verschiebung des Buchungsverhaltens von herkömmlichen Kanälen wie Telefon oder Reisebüros hin zu Online-Buchungen“.

Bessere Bewertung ermöglicht höhere Preise
Gute Bewertungen wirken sich auch auf den Umsatz aus. Studien hätten nämlich gezeigt, dass Kunden tendenziell bereit seien, in einem Hotel mehr zu bezahlen, je besser die Bewertungen sei. „Das heißt, dass ein gut bewertetes Hotel - solange alle anderen Faktoren gleich bleiben - höhere Preise verlangen kann“, führt Christian Laesser, Tourismusprofessor an der Universität St. Gallen, aus.

Während Hotels häufig schon vor der Reise verglichen und gebucht werden, ist das bei Restaurants anders. Viele können auf spontane Kundschaft oder Stammgäste zählen. Sie seien daher etwas weniger von Bewertungen abhängig als Hotels, sagt Nicole Stuber-Berries, Tourismusdozentin an der Hochschule Luzern. „Aber wenn ein Lokal an einer touristischen Straße eine aktuelle Tripadvisor-Auszeichnung an der Tür präsentiert, hat das sicher einen Einfluss auf den Zulauf.“

Tripadvisor sei noch immer das umfassendste Reisetool, sagt Tourismusprofessor Laesser. Nutzer können beispielsweise Sehenswürdigkeiten, Shoppingstraßen oder auch ganze Städte bewerten. Allerdings müsse sich Tripadvisor in Acht nehmen, denn die Konkurrenz könnte jederzeit nachziehen.

Masse statt Klasse?
Die Plattform steht aber auch in der Kritik. Laut Tourismusexpertin Stuber-Berries sagen Bewertungen wenig über die Qualität eines Restaurants aus. Häufig seien Lokale, die durch andere Bewertungsorgane, wie beispielsweise Gault Millau, gut bewertet wurden, bei Tripadvisor nicht zuoberst auf der Liste. „Tripadvisor beflügelt vor allem populäre Institutionen noch weiter - insbesondere entlang von touristisch wichtigen Gegenden und Straßen.“

Viele Kunden wissen auch um ihre Macht. Laut Hotelleriesuisse-Sprecher Schönberg kommt es ab und zu vor, dass den Hoteliers mit schlechten Bewertungen gedroht werde, um gewisse Serviceleistungen zu erpressen. Hotelleriesuisse empfehle seinen Mitgliedern, in solchen Fällen keine Zugeständnisse zu machen.

Gibt es einmal ernsthafte Kritik, könne man das häufig auch ins Positive drehen: „Wenn man dann professionell und auf Augenhöhe antwortet, kann man damit auch zeigen, dass man auf Gästewünsche eingeht.“

Intransparent
Auch die Verlässlichkeit der Kommentare ist nicht immer gegeben. Während die Bewertung bei anderen Portalen häufig an eine Buchung oder einen Kauf gebunden ist, kann bei Tripadvisor jeder beliebige User etwas bewerten. „Man kann nicht nachweisen, ob die Person, die den Kommentar schreibt, die entsprechende Dienstleistung auch wirklich bezogen hat“, sagt Laesser.

Wozu das führen kann, zeigt eine Geschichte aus London. Ein Journalist des Vice-Magazines schaffte es vor drei Jahren mit einem frei erfundenen Restaurant, Dutzenden falschen Bewertungen sowie Bildern von Gerichten aus Rasierschaum und Schwämmen auf Platz eins des Londoner Tripadvisor-Rankings. Und das bei 18.000 aufgeführten Restaurants in der britischen Hauptstadt.

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