Darf das sein?

Das Kreuz im öffentlichen Raum wird zum Zankapfel

Österreich
06.02.2020 06:00

Die katholische Kirche ist ein prägendes Element. Nun werden entsprechende Symboliken in öffentlichen Räumen infrage gestellt. Darf das sein?

Es ist nur ein schlichtes Kreuz. Und doch so viel mehr. Symbol und Lebenshilfe. Zumindest für gläubige Katholiken. Umso größer ist die Aufregung im katholisch geprägten Österreich nach einem „Krone“-Artikel, wonach im neuen Krankenhaus Nord in Wien keine Kreuze aufgehängt werden. Aus Rücksicht gegenüber anderen Religionen, wie es heißt.

„Viele sehen im Kreuz einen Trost“
Neben Politikern (ÖVP-Mandatarin Gudrun Kugler und FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp zeigen sich kämpferisch in katholischer Kutte, während Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig fragt, ob man denn keine andere Sorgen habe) sind auch Geistliche gefragt: Österreichs Oberhirte Kardinal Christoph Schönborn findet es jedenfalls schade, dass man in Krankenhäusern auf Kreuze verzichtet. „Schließlich sehen viele Menschen im Kreuz einen Trost und können dem Leid Sinn verleihen.“

„Verbot gegen Kreuze gibt es nicht“
Auch habe der Kardinal noch nie Beschwerden über Kreuze in Krankenhäusern vernommen. Man müsse die Entscheidung aber akzeptieren, da Spitäler im Gegensatz zu Gerichten und Schulen keine öffentlichen Behörden sind, sondern Dienstleistungsbetriebe. „Das einzelne Krankenhaus kann also prinzipiell frei entscheiden. Diese Freiheit müssen wir als Kirche achten. Ein Verbot von Kreuzen gibt es jedenfalls nicht, dagegen würden wir auch entschieden auftreten.“

Es gibt auch weniger pragmatische, vielmehr dogmatische Stimmen aus dem katholischen Lager. Richtig erbost zeigt sich etwa Andreas Laun, ehemaliger Weihbischof von Salzburg und durchaus bekannt für eher konservative Positionen. Er sagt im Gespräch mit der „Krone“: „Das Kreuz muss bleiben. Man darf es aus keinen öffentlichen Räumen entfernen. Es steht für unsere Kultur und unsere Geschichte und unsere Werte. Wer erlaubt sich überhaupt, darüber zu bestimmen? Wer das Kreuz nicht akzeptiert, der muss auch nicht in dieses Krankenhaus gehen. Es wird niemand gezwungen.“

Religiöse Symbole im Gericht fehl am Platz
In der Justiz ist Neutralität allen Strömungen gegenüber ein zentrales Thema. „Weltanschauliche Symbole, sowohl politische als auch religiöse, haben im Gerichtssaal keinen Platz“, sagt der Präsident des Wiener Landesgerichtes, Friedrich Forsthuber. Er ist auch Obmann der Sektion Strafrecht der Richtervereinigung. Das Tragen von religiösen Symbolen ist für Richter und Staatsanwälte nicht explizit verboten, aber die Kleiderordnung regelt, was erlaubt ist. Ein Kopftuch für eine Richterin, ein großes Kreuz für einen Richter kommen darin nicht vor.

Auch dass Zeugen vor dem Kreuz, das von zwei brennenden Kerzen umrahmt ist, schwören müssen, gehört der Vergangenheit an. Diese Vereidigung, die noch auf einem Gesetz aus dem Jahr 1868 beruhte, wurde im Strafverfahren bereits vor 30 Jahren abgeschafft. Laienrichter wie Schöffen und Geschworene werden sehr wohl vereidigt und müssen schwören „so wahr mir Gott helfe“. Doch ob sie Christen sind oder einer anderen Religion angehören, ist dabei völlig egal.

Streng geachtet wird darauf, dass vom Richtertisch aus Neutralität ausgestrahlt wird. Eine Rechtspraktikantin mit Kopftuch durfte kürzlich nicht am Richtertisch Platz nehmen. Praktikanten mit neutraler Kleidung dürfen das.

„Es findet ein Kulturwandel statt“
Bestsellerautor und Philosophieprofessor Konrad Paul Liessmann spricht über die Problematik von religiöser Symbolik.

„Krone“: Woher kommt die Aufregung um das Kreuz?
Konrad Paul Liessmann: Österreich hat diese Tradition. Und selbst als Atheist kann man diese Art von religiöser Symbolik als prägend zur Kenntnis nehmen und auch wertschätzen. Niemand würde auf die Idee kommen, den Stephansdom abzureißen, nur weil er religiös motiviert errichtet wurde. Viele Kulturgüter Europas sind aus religiösen Konflikten entstanden. Und keiner würde sie weghaben wollen.

Braucht es überhaupt religiöse Symbole in der Öffentlichkeit?
Man muss differenzieren zwischen säkularen Räumen und in diesem Fall katholisch geprägten. Generell lässt sich ein Kulturwandel feststellen - also weg von dieser Symbolik. Nur sollte man aufpassen, dass der Wandel nicht von heute auf morgen vollzogen wird. Man kann Jahrhunderte währende Traditionen wie das Kreuz nicht mit einem Federstrich wegwischen.

Erich Vogl und Peter Grotter, Kronen Zeitung

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