Interview

„Einige Berufe verschwinden, andere entstehen neu“

Vorarlberg
02.02.2020 17:00

Ist die Digitalisierung eine nicht aufzuhaltende Welle, die Angst machen muss? Oder ist sie ein Segen, der unser Leben bequemer machen wird? Andreas Salcher von „v-digital“ gibt darauf Antworten.

Noch ist nicht abzuschätzen, wie sich die Digitalisierung auf unser Leben tatsächlich auswirken wird. Klar ist aber, dass sie vorangetrieben wird. Unter anderen von Andreas Salcher, dem Leiter der noch jungen Koordinationsstelle „v-digital“ am Dornbirner Campus.

Wenn es um Digitalisierung geht, weiß nicht jeder, was genau darunter zu verstehen ist. Worum geht’s also?

Digitalisierung steht einerseits für optimierte Produktionsprozesse. Aber auch für digitale Innovation. Es entstehen derzeit sogar neue Berufsbilder, etwa der E-Commerce-Kaufmann. Diesen Lehrberuf gibt es erst seit sechs Monaten. Aber es verschwinden natürlich auch Themen und Berufe.

Stichwort mitdenkende Kühlschränke oder selbstfahrende Autos. Wird unser Leben technologisiert, weil es einfach möglich ist oder gibt es noch andere Gründe?

Genau darum geht es. Digitalisierung muss Sinn machen - und das tut sie nur, wenn sie Nutzen stiftet. Wenn also etwas günstiger, einfacher, sicherer oder schneller wird. Oder wenn jemand unabhängiger oder erfolgreicher wird. Mindestens zwei dieser Faktoren müssen gegeben sein. Hier liegt auch die Grenze der Digitalisierung: Wenn niemand bereit ist, etwas dafür zu bezahlen. Und es gibt noch eine andere Grenze: Überall dort, wo es um Beziehung geht. In Pflegeberufen oder im Tourismus etwa.

Aber es wird doch schon über Pflegeroboter diskutiert.

Ja, das macht wiederum Sinn, wenn die Pflegeperson dann mehr Zeit für den Patienten hat.

Es gibt doch bereits Roboter, die mit alten und kranken Menschen Beziehungen simulieren.

Man versucht das, ich bin da aber kritisch. Das kann auf Dauer kaum funktionieren, wobei man natürlich auch kulturelle Unterschiede miteinbeziehen muss. In Europa kann ich mir das schwer vorstellen. Man muss auch aufpassen, wo man die Grenzen setzt, darüber bestimmen ja wir Menschen.

Können Menschen wirklich noch die Grenze setzen?

Selten gibt es Dynamiken, die unumkehrbar sind - das gilt nicht zuletzt für die Digitalisierung.

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Manche Themen und Berufe werden durch die Digitalisierung verschwinden. Andere, neue Berufe entstehen aber durch diese.

Andreas Salcher

Viele Menschen haben aber Angst vor einer Art Welle, die sie überrollen könnte.

Das kann ich nachvollziehen. Genauso haben aber viele Menschen bereits erfahren, wie die Digitalisierung im eigenen Leben Einzug gehalten hat - durch Smartphones etwa. Unser Alltag ist schon stark digitalisiert. Die Arbeitswelt dagegen noch nicht. Hier ist es noch üblich, am Morgen mit dem Auto ins Büro zu fahren. Dabei wäre das oft gar nicht nötig. Man könnte die Arbeit genauso gut daheim oder im nächsten Co-Working-Space erledigen.

Hätte die Auflösung klassischer Arbeitsplätze nicht großen Einfluss auf das gesellschaftliche Gefüge?

Jeder Veränderung bringt auch neue Chancen. Man bräuchte etwa nur noch fünf Minuten in den nächsten Co-Working-Space zu fahren anstatt 30 Minuten ins Büro. Und dort trifft man dann auf Menschen aus völlig anderen Bereichen - ein inspirierender Austausch.

Sie haben vorhin das Wort „unabhängig“ verwendet. Wie kann Digitalisierung unabhängig machen?

Die Blockchain zum Beispiel kann unabhängig machen, wobei man zwischen Blockchain und Bitcoin unterscheiden muss. Die Ursprungsidee hinter Bitcoin war ja, Unabhängigkeit vom Geldsystem und den Nationalbanken zu erreichen. Das liefert die Blockchain, denn diese ermöglicht Geschäfte zwischen Parteien ohne Mittelsmann, also ohne Bank.

Wo liegt dabei der Vorteil?

Es würde schneller und günstiger funktionieren - und man ist nicht abhängig von Banken, die dabei noch Geld verdienen. Diejenigen, für die Blockchain eine Art Religion ist, vertrauen der staatlichen Geldpolitik eigentlich nicht mehr.

Die Grundmotivation ist also Misstrauen?

Sich von staatlichen Organisationen unabhängig zu machen, ist eine der Hauptmotivationen. Das könnte Staaten auch Probleme bereiten, denn niemand kann derzeit einschätzen, was es für eine Volkswirtschaft bedeutet, wenn neben dem normalen Geld noch eine Kryptowährung verwendet wird.

Zitat Icon

Das Berechnen von Bitcoins ist extrem energieaufwendig. Hier sollten andere Algorithmen gefunden werden.

Andreas Salcher

Dagegen ist die Bargeldfreiheit fast schon ein Klacks. Wobei es auch darüber hitzige Diskussionen gibt.

Ja, manche wollten das Bargeld sogar in der Verfassung verankern. Die falsche Diskussion.

Welche wäre die richtige?

Wer Bargeld will, soll es behalten. Es geht vielmehr darum, eine Alternative zu schaffen. Es ist doch völlig ineffizient, dass man das Geld von der Bank holt, es zum Bäcker trägt, und dieser trägt es dann wieder in die Bank. Für mich wäre eine Welt, in der ich kein Bargeld brauche, ideal. In Schweden gibt es sie schon. Dort wird mit dem Handy gezahlt.

Die Tendenz, mit dem Smartphone sämtliche Lebensbereiche zu steuern, kann auch problematisch werden. Ist das vernünftig?

Das Smartphone ist schon heute ein zentrales Element. Klar ist aber, dass jeder seine Daten sichern muss.

In Vorarlberg gibt es nun seit einem Jahr die Koordinationsstelle „v-digital“: Was soll erreicht werden?

Es gibt viele Superlative für Vorarlberg: Wir sind etwa extrem exportstark. Diese Erfolge müssen in die Zukunft übertragen werden - und dazu braucht es Digitalisierung. Das haben bereits fast alle verstanden.

WKV-Präsident Hans-Peter Metzler wünscht sich ein Digitalisierungsressort in der Landesregierung. Eine gute Idee?

Die Wirtschaftskammer und die Landesregierung sind hier grundsätzlich gut abgestimmt. Noch mehr Geschwindigkeit zu erreichen ist in aller Interesse.

Was kann die Digitalisierung eigentlich für den Klimaschutz tun?

Es gibt Überlegungen, wie man Rechenzentren energiesparender betreiben kann. Gewisse Dinge, etwa das Berechnen von Bitcoins, sind extrem energieaufwendig. Man sollte Algorithmen finden, deren Rechenaufwand nicht so hoch ist. Alles andere wäre kontraproduktiv.

Die Welt wird digitaler. Hat der analoge Mensch noch eine Chance in 20 Jahren?

Völlig analog zu leben, ist kaum vorstellbar. Man könnte den Grad der eigenen Digitalisierung aber auf einem Minimum halten. Das wäre weniger bequem - und teurer. Und in manchen Bereichen wird es ohnehin keine Alternativen geben.

Wenn Sie mit einer Zeitmaschine ins Jahr 1982 reisen müssten - wie würde es Ihnen gehen?

Das wäre schwierig. Ich müsste in die Bibliothek gehen, wenn ich etwas wissen will, müsste wieder Briefe schreiben statt E-Mails - ein Riesen-Rückschritt!

Gibt es irgendetwas, das Sie dieser Zeit trotzdem abgewinnen können oder wählen Sie lieber die Zukunft?

Schon lieber die Zukunft.

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