Vollendete Tatsachen

Trump-Plan: Bittere Pille für die Palästinenser

Ausland
01.02.2020 06:00

Der Nahost-Plan von US-Präsident Donald Trump zementiert vollendete Tatsachen - auch als die Folge von vielen Fehlern in der palästinensischen Politik.

„Die Araber lassen keine Gelegenheit aus, eine Gelegenheit auszulassen“, hatte vor vielen Jahrzehnten der seinerzeitige israelische Außenminister Abba Eban das Verhalten der Palästinenser beschrieben. Trump und Israels Premier Benjamin Netanyahu haben die Mutter aller Gelegenheiten jedenfalls nicht ausgelassen.

Kein Friedensprojekt hatte bisher eine Chance - und für friedensbereite Politiker ist der Nahe Osten lebensgefährlich. Israels Rabin wurde ebenso ermordet wie vor ihm Jordaniens König und Ägyptens Präsident Sadat. Rabins Lebenswerk, der palästinensische Autonomievertrag von Oslo, wurden gemeinschaftlich von Arafat und Scharon zerstört.

Die Palästinenser sind auf der jahrzehntelangen Verliererstraße schließlich vollends in der Sackgasse gelandet - die Folge einer sklerotisch gewordenen Politiker-Elite, die mit der neuen Zeit und den veränderten Umständen nicht Schritt halten konnte. Fehler reihte sich an Fehler, und es fehlte vor allem eine offensive innovative Politik. Trump und Netanyahu haben nun die Gelegenheit beim Schopf gepackt und vollendete Tatsachen geschaffen: Israel bekommt darin alles, was nicht ohnehin längst Realität ist - und die Palästinenser bekommen Versprechungen im Falle ihres Wohlverhaltens.

Palästinenser sollten Trotzphase aufgeben
Aber auch jetzt sollten die Palästinenser in keine neue Trotzphase verfallen, sondern, wenn der Zorn verraucht ist, die bittere Pille schlucken und die Lippenbekenntnisse von Washington einem Test unterziehen, also die Amerikaner beim Wort nehmen. Vermutlich ginge das aber erst nach Netanyahu und nach Trump, denn die beiden haben sich kompromittiert. Denn im Grunde genommen wurde den Palästinensern ein Ultimatum gesetzt: Nehmt, was wir euch lassen, sonst bekommt ihr gar nichts! Der Zug sei abgefahren, heißt es.

Die Chronik kurzsichtiger arabisch-palästinensischer Politik ist eine einzige Tragödie:

  • Im Zweiten Weltkrieg verbündete sich ihr Großmufti von Jerusalem, al-Husseini, mit Hitler, während der Präsident des Zionistischen Weltkongresses, Chaim Weizmann, schon längst auf der Seite der Sieger stand.
  • 1967 lehnten die Palästinenser den UNO-Teilungsplan ab und die arabischen Armeen griffen den den Juden zugesprochenen Teil an.
  • 1967 zettelte Ägyptens Nasser einen neuen Krieg an und die Palästinenser verloren alles.
  • Im gleichen Jahr antworteten die Araber auf eine Verhandlungseinladung Israels mit den „drei Neins“ von Khartum.
  • 1979 schloss Ägypten (später Jordanien) einen „kalten Frieden“ mit Israel. Die Palästinenser lehnten ab. Sie wollten alles - und bekamen nichts: kein Rückkehrrecht der Flüchtlinge (und ihrer Nachkommen), keine Hauptstadt Jerusalem. (Die Nennung von Ostjerusalem als Hauptstadt der Palästinenser im Trump-Plan ist ein Schwindel. Vorgesehen ist ein kleiner Vorort außerhalb Jerusalems.)

Israelis in der Mehrheit zu Friedensrisiko bereit
Laut Umfragen ist die große Mehrheit der Israelis bereit, für eine Friedenslösung auch ein Risiko einzugehen - mehr als die rechtsgerichteten Regierungspolitiker, die in jedem Wahlkampf einen Sicherheitsalbtraum heraufbeschwören und damit im Zweifelsfalle siegen können.

Trumps Nahostplan ist im Grunde die Umsetzung lang gehegter Ziele von Netanyahu:

Ausschaltung des Palästina-Faktors, aber nicht durch Eingliederung des gesamten Gebietes zwischen Mittelmeer und Jordan („Ein-Staat-Lösung“). Denn dann müsste Israel, will es Demokratie bleiben, allen Palästinensern staatsbürgerliche Rechte wie das Wahlrecht gewähren. Die Palästinenser haben aber bald die Mehrheit.

Karikatur eines Palästinenserstaates
Jetzt ist für sie als Pseudo-Staat ein Fleckerlteppich mit den Bevölkerungszentren vorgesehen, während israelische Siedlungen und das Jordantal Israel angegliedert werden.

  • Die wirtschaftliche Entwicklung der Palästinensergebiete soll allerdings gefördert werden, in der Hoffnung, dass sie sich doch ihrem Schicksal fügen.
  • Eine Giftpille für jede Nahostlösung ist der Gazastreifen (zwei Millionen Menschen auf einer Fläche kleiner als Wien). Dort war Israel tatsächlich komplett abgezogen, um die Belastung loszuwerden, und was bekam es zurück: Raketen.

Kein Terror kann Israel in die Knie zwingen
Weil eine Gesamt-Nahostlösung ausgeblieben ist, konnte sich im Gazastreifen die Hamas an die Macht putschen. Sie würde nicht freiwillig Platz machen. Israel hingegen ist ein blühendes Land voll Dynamik. Die notwendigen Rüstungsanstrengungen schufen eine Hightech-Nation. Der grobe Umgang untereinander ist fast schon Kult.

In Israels Alltag ist von den Gefahren, die jede Minute drohen könnten, kaum etwas zu bemerken - außer die Bunker gegen Raketen und die vielen Uniformen. Die Israelis wollen sich auch nicht von einem normalen Leben abhalten lassen. Kein Terror, kein Intifada-Aufstand 1, keine Gaza-Raketen konnten und können Israel vom eingeschlagenen Weg abbringen. Terror hat von Anfang an der Sache der Palästinenser geschadet. Im letzten Jahrzehnt haben sich die Koordinaten der Nahostpolitik gewaltig verschoben - hin zum Konflikt der sunnitischen (Golf-)Araber mit dem schiitischen Iran. Die Palästinensersache geriet ins Abseits, was ihre Führung nicht wahrnahm.

Zu den Zeiten von Kreiskys legendären Nahostreisen war der Palästinakonflikt die Mutter aller Krisen gewesen, aus der arabische Tyrannen die Ausrede für ihr Wüten schöpften. Heute unterstützen Saudis & Co. Israel im Kampf gegen den iranischen Einfluss etwa auf die Hamas im Gazastreifen. Vielleicht bedurfte es erst dieses Trump-Schocks, dass die Palästinenser und ihre politische Führung aus ihren Träumen aufwachen - zu spät.

Kurt Seinitz, Kronen Zeitung

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