Next Liberty Graz

Eine heutige Bühne für die Tragik von Gestern

Steiermark
25.01.2020 16:00

Wie kann man sich als junger Mensch heute noch in die Tragik des Holocaust hineinversetzen? Dieser Frage gehen Thilo Reffert und Manfred Theisen in „Der Koffer der Adele Kurzweil“ über die Flucht einer Grazer Jüdin nach. Am Next Liberty wurde das Stück (Regie: Esther Muschol) uraufgeführt - ein bewegendes Ereignis!

Aus dem Publikum erhebt sich eine Stimme: „Ich bin Mara und ich möchte etwas herausfinden.“ Am Handy hat Mara Fotos von alten Dokumenten, die vom Abtransport von tausenden Juden erzählen: „Diese Briefe gibt es wirklich“, sagt sie, „einer muss sie geschrieben haben.“ Und schon beginnt sich hinter ihr auf der Bühne die Vergangenheit zu materialisieren - zuerst erscheint der Nazi-Scherge, der die Zeilen geschrieben hat; dann die Eltern jenes jüdischen Mädchens aus Graz, in dessen Rolle Mara schlüpfen wird: Adele Kurzweil.

Das wahre Schicksal der Adele Kurzweil
Adele war 13 Jahre alt, als sie 1938 mit ihrer Familie aus Graz flüchten musste. Doch auch im südfranzösischen Auvillar waren sie nicht sicher vor den Klauen der Nazis. Der Koffer für die Weiterflucht war bereits gepackt - doch er blieb zurück, als Adele und ihre Familie 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet wurden.

Seit der Koffer dort 1990 auf einem Dachboden wiederentdeckt wurde, ermöglicht er einen Einblick in das tragische Schicksal von Jugendlichen wie Adele. Und dient nun als zentrale Metapher für eine theatrale Annäherung an den Stoff, in dem die Fakten über das Leben Adeles mit den Mitteln der Fiktion zu einer Geschichte verbunden werden.

Historisches Mädchen mit heutigem Flair
Wie muss sich eine Jugend auf der Flucht angefühlt haben? Dieser Frage geht das Stück nach, lässt das Gestern mit dem Heute verschmelzen. Wenn Adele sich etwa trotz Krieg und Verfolgung einem Moment jugendlicher Leichtsinnigkeit mit einem jungen Franzosen hingibt, tanzt sie (ganz gegenwärtig) zu „Bad Guy“ von Billie Eilish. Und letztlich landet auch Maras Handy im Koffer von Adele.

Esther Muschol unterstreicht mit ihrer unpathetischen und doch so intensiven Inszenierung die Zeitlosigkeit des Stoffes. Fabian Lüdicke hat eine Bühne gebaut, die das Gefühl, nur Bruchstücke einer Vergangenheit erahnen zu können, wunderbar unterstreicht.

Großartige Hauptdarstellerin
Der emotionale Anker der Inszenierung jedoch ist die großartige Amelie Bauer. Sie verleiht Mara und Adele eine stille Präsenz, die gerade wegen ihrer Unaufgeregtheit so herzzerschmetternd ist. Ihr zur Seite stehen mit Yvonne Klamant und Martin Niederbrunner ein berührend besorgtes Elternpaar. Michael Großschädl, Helmut Pucher, Lisa Rothhardt und Simone Leski ergänzen das tolle Ensemble.

Viel besser kann man die Traumata der Geschichte einem jungen Publikum (ab 14) nicht vergegenwärtigen. Alle Infos zum Stück gibt es hier, der echte Koffer der Adele Kurzweil ist im Grazer Museum für Geschichte ausgestellt.

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