Primar Robert Siorpaes

„Fragen Sie den Arzt, wie oft er operiert“

Tirol
19.01.2020 18:30

27 Jahre war Robert Siorpaes Primar der orthopädischen Abteilung im Bezirkskrankenhaus St. Johann in Tirol. Er hat sie aufgebaut, er hat sie über die Grenzen Tirols bekannt gemacht. Die Bilanz beeindruckt. Mit Ende Jänner verabschiedet er sich in die Pension. Auf die Zukunft der Gesundheitsversorgung blickt der heute 68-Jährige auch mit Sorge.

Herr Siorpaes, 1993 wurde im Krankenhaus St. Johann eine eigene orthopädische Abteilung mit Ihnen als Primar eingerichtet. Wie schaut ihr abschließender Befund nach drei Jahrzehnten aus?
Die Abteilung hat sich sehr gut entwickelt. Heute umfasst sie 49 Betten. Bis zu 12 Ärzte hatte ich zuletzt in meinem Team. Mittlerweile werden jedes Jahr allein rund 1000 künstliche Hüft- und Kniegelenke in unserem Haus eingesetzt. Ein Wert, den deutlich größere Krankenhäuser nicht annähernd erreichen.

St. Johann hat sich zu einem viel beachteten Zentrum für orthopädische Chirurgie entwickelt und war Vorreiter für das, was die Gesundheitspolitik heute unter dem Schlagwort Zentrumsmedizin forciert. Ist das wirklich die Zukunft?
Es ist ganz einfach: Mehr Frequenz fördert Qualität. Wer etwas oft macht, der kann es auch besser. Daher mein Tipp: Fragen Sie immer den Arzt, wie oft er den Eingriff bereits gemacht hat - und gehen sie im Zweifel dorthin, wo schon viele künstliche Hüft-, Knie-, oder Sprunggelenke eingesetzt worden sind. Das muss nicht zwangsläufig das größte Krankenhaus in der Region sein. Aber es braucht eine Mindestgröße der Abteilung. Als Primar habe ich meine Mitarbeiter stets dazu gedrängt, sich zu spezialisieren. Ohne das geht es in so komplexen Fachrichtungen wie der unseren nicht mehr. Anhand des Prothesen-Registers lässt sich die Erfolgsquote messen. Unsere liegt deutlich über den Durchschnittswerten.

Ihre Frequenz war über die Jahre eine sehr hohe. Sie sind aber nicht nur Chirurg, sondern waren auch an der Entwicklung von Kunstgelenken beteiligt. Wie ausgereift ist die Technik heute?
Da hat sich in den vergangenen Jahrzehnten viel getan. Wir wissen zum Beispiel, dass mittlerweile mehr als 90 Prozent der künstlichen Kniegelenke nach 20 Jahren noch gut funktionieren. Prothesen halten heute viel länger als früher. Auch die Operationstechniken haben sich verfeinert. Einem 45-Jährigen, der an chronischen Schmerzen leidet und dessen Hüftgelenk am Ende ist, rate ich zu einer OP. Man muss den Eingriff nicht mehr unnötig hinausschieben. Kann schon sein, dass ein Austausch des Kunstgelenks in späteren Jahren notwendig wird. Aber auch das ist machbar.

Die Medizin kann heute sehr viel. Aber wird das in Zukunft auch bei den Patienten ankommen, wenn der Staat bei den Gesundheitsausgaben zunehmend spart?
Ich verfolge mit Sorge die Entwicklung in immer mehr Staaten, in denen Gesundheit zur Privatsache wird, die man sich leisten kann oder eben nicht. Österreich hat derzeit noch ein hervorragendes Gesundheitssystem. Das zu privatisieren, hätte weitreichende Folgen. Natürlich muss dort und da gespart werden. Dabei kann auch die Medizin helfen. Wir haben in unserer Abteilung schon vor vielen Jahren damit begonnen, durch eine optimale Rundumbetreuung und eine rasche Mobilisation nach der OP die Krankenhaustage zu reduzieren. Das freut die Patienten und spart darüber hinaus Geld.

Diese salopp ausgedrückte Schnellspur-Chirurgie ist nur eine der Innovationen, die Sie vorangetrieben haben. Was ist die Triebfeder ihres Tuns?
Den Patienten Lebensqualität zurückgeben. Das ist ja auch das Schöne an meiner Fachrichtung. Der Erfolg ist oft sehr bald sichtbar. Die Menschen kommen hatschert ins Krankenhaus und gehen schmerzfrei, aufrecht, glücklich wieder nach Hause. Das werde ich bestimmt vermissen.

Wie schaut Ihre Planung für die Zeit nach dem 31. Jänner aus, dem letzten Arbeitstag vor der Pension?
Ich treibe gerne Sport. Aber jeden Tag eine Skitour ist mir zu langweilig. Ich werde auch in Zukunft in meinem Fach weiterarbeiten – nur mit größeren zeitlichen Freiheiten in einer Privatklinik in Saalfelden. Auch das Hilfsprojekt in Kambodscha werde ich weiter mittragen, dort Mediziner ausbilden und meine Erfahrungen weitergeben.

Ihr Rat für junge Kollegen?
Es ist schön, sich über Erfolge zu freuen. Doch wichtig ist auch eine gute Fehlerkultur. Nicht das, was ich schon kann, bringt mich weiter. Fortschritt entsteht durch die Beschäftigung mit dem, was nicht funktioniert.

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