Botschaft auf Twitter

In Landessprache: Trump macht Irans Opposition Mut

Ausland
12.01.2020 12:39

Nach dem Eingeständnis der Revolutionsgarden in Teheran, dass der Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine auf einen Fehler der Luftabwehr zurückzuführen sei, brodelt es im Iran. Hunderte Demonstranten gingen gegen das Regime auf die Straße - und erhalten nun digitale Schützenhilfe von US-Präsident Donald Trump. Er lässt die Demonstranten auf Twitter in der Landessprache Farsi wissen: „Wir verfolgen eure Proteste genau und sind inspiriert von eurem Mut.“ Doch Trumps Mut-Tweet dürfte die politische Lage im Iran kaum ändern, glauben Experten.

Trump im Wortlaut auf Twitter: „An das tapfere, seit Langem leidende Volk des Iran: Ich stand seit Beginn meiner Präsidentschaft an eurer Seite und meine Regierung wird weiterhin hinter euch stehen. Wir verfolgen eure Proteste genau und sind inspiriert von eurem Mut.“ Damit sein Tweet auch im Iran verstanden wird, setzte Trump ihn auf Englisch und Farsi ab.

Auf Twitter erntete Trump auch prompt Reaktionen auf seine Worte - allerdings gespaltene. Oppositionelle dankten Trump für seine Worte, regierungstreue Iraner legten ihm nahe, er möge sich nicht in innere Angelegenheiten einmischen und nicht so tun, als hätte er den iranischen General Soleimani der Demokratie wegen töten lassen.

Britischer Botschafter vorübergehend festgenommen
Das Regime in Teheran beobachtet die Proteste ebenfalls genau, es kam zu Festnahmen. Unter den Festgenommenen war auch der britische Botschafter im Iran. Rob Macaire hatte laut iranischen Medien am Samstagabend an einer Protestkundgebung vor der Universität Amir Kabir wegen des Abschusses des ukrainischen Passagierflugzeugs teilgenommen und nach Ansicht des Regimes zu „radikalen Aktionen“ provoziert. Nach einigen Stunden Haft wurde er wieder freigelassen.

Der britische Außenminister Dominic Raab: „Die grundlose und unbegründete Festnahme unsere Botschafters in Teheran ist eine ungeheuerliche Verletzung internationalen Rechts.“ Raab: „Die iranische Regierung steht an einem Scheideweg.“ Sie könne ihren Marsch in Richtung Außenseiterstatus weitergehen mit aller politischer und wirtschaftlicher Isolation. Oder sie könne deeskalierende Schritte einleiten und sich auf einem diplomatischen Weg nach vorn bewegen. Auch Trump warnt die Machthaber in Teheran vor unüberlegten Aktionen.

Die politische Mehrheit in dem Staat mit seinen gut 80 Millionen Einwohnern repräsentieren die wenigen Hundert über die versuchte Vertuschung des Flugzeugabschusses empörten Demonstranten derzeit ohnedies nicht. Daran ändern auch Rücktrittsaufforderungen des Oppositionsführers Mehdi Karroubi an den Obersten geistlichen Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, wenig. Im Gegenteil: Die aktuelle politische Lage im Iran hilft den Hardlinern.

„Ziel aufgegangen - aber in die falsche Richtung“
Schon im Februar finden Parlamentswahlen statt, renommierte Reformer sind gar nicht erst angetreten. Beobachter gehen daher von einem klaren Sieg der Reformgegner aus. Eine erwartete Koalition von Hardlinern und Erzkonservativen im Parlament könnte dann auch den Ausgang der Präsidentenwahl im kommenden Jahr stark beeinflussen. Deren Spitzenkandidat, wer immer es wird, gilt schon jetzt als Favorit für den Präsidentenposten. Ein Politologe in Teheran resümiert deshalb: „Das Ziel von Trump und seinen Leuten, einen Regimewechsel im Iran zu erzwingen, ist aufgegangen - nur eben in die falsche Richtung.“

Bei Rouhanis Amtsantritt sah alles noch anders aus
Das alles sah nach dem Amtsantritt des Präsidenten Rouhani im Jahr 2013 ganz anders aus. Er versprach eine Versöhnung mit dem Westen und setzte zwei Jahre später dieses Versprechen mit dem Wiener Atomabkommen auch um. Politisch und wirtschaftlich war der Gottesstaat auf dem Weg, sich international wieder zu integrieren. Auch innenpolitisch sollte sich vieles ändern, besonders nach dem guten Abschneiden der Reformer bei der Parlamentswahl 2016. Sogar politische Gefangene sollten frei kommen und mehr Meinungs- und Pressefreiheit zugelassen werden.

Zeichen auf Veränderung - „aber dann kam Trump“
„Aber dann kam dieser Trump“, sagt der ehemalige iranische Botschafter in Berlin, Ali Madshedi, heute im Rückblick. Erst veranlasste der Republikaner den einseitigen Ausstieg Amerikas aus dem Atomdeal, dann drakonische Sanktionen. Das ölreiche Land geriet plötzlich in eine schwere politische und wirtschaftliche Krise, die Währung war in kürzester Zeit nur noch die Hälfte wert. Der moderate Kurs des Präsidenten wurde schnell von Kritikern verspottet - und auch von eigenen Anhängern.

„Der Deal ist quasi auf der Intensivstation“, sagt Vizeaußenminister Abbas Araghchi. In der Tat existiert das Abkommen nur noch auf dem Papier. Die verbliebenen Partner - China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Russland - unterstützen zwar den Deal, sind aber ohne die USA nicht in der Lage, ihn umzusetzen. „Mit politischer Unterstützung alleine können wir uns ja nichts kaufen“, begründet Rouhani nun den de-facto-Ausstieg.

Iraner fühlen sich von Rouhanis Regierung betrogen
Für Enttäuschung sorgte nun das für viele überraschende Eingeständnis, dass der Iran für den Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine verantwortlich ist. Die Iraner fühlen sich von Rouhanis Regierung betrogen, weil die tagelang über einen technischen Defekt sprach und einen Abschuss vehement abstritt. „Glaubwürdigkeit hat mit dieser Regierung keine Bedeutung mehr“, schrieb ein wütender Iraner auf Twitter.

Auch im Parlament und den Zeitungen des Landes ist man wütend auf die Regierung. Die Parlamentsausschüsse für Sicherheit und Außenpolitik sollten sich mit diesem „schwerwiegenden Zwischenfall“ befassen und nach Wegen suchen, wie ähnliche Katastrophen in der Zukunft vermieden werden könnten, sagte Parlamentspräsident Ali Larijani am Sonntag.

Sogar die Teheraner Tageszeitungen, deren Berichterstattung im Allgemeinen regierungstreu ist, kritisierten den Abschuss der Boeing in ihren Sonntagsausgaben als „unverzeihlichen“ Fehler. Die Zeitung „Iran“ veröffentlichte die Namen sämtlicher Opfer des Unglücks, unter denen zahlreiche in ihrer Heimat und im Ausland lebende Iraner waren. „Entschuldigt Euch! Tretet zurück!“, forderte das reformorientierte Blatt „Etemad“. In einem Kommentar der ebenfalls moderaten Tageszeitung „Jomhuri-ye Eslami“ hieß es: „Diejenigen, die die Veröffentlichung der Ursache für den Flugzeugabsturz verzögert und das Vertrauen der Bevölkerung in das Establishment beschädigt haben, sollten entlassen werden oder zurücktreten. “Die Zeitung „Jawan“, die den Revolutionsgarden nahesteht, entschuldigte sich „zutiefst“ für den „schmerzlichen Fehler“.

Der Politologe sieht angesichts der über Jahre angestauten Enttäuschung nun die konservativen Kräfte am Zug. „Der Frust der Iraner wird sich schon nächsten Monat zeigen“, prophezeit er. Zwar dürften an der Parlamentswahl am 21. Februar laut Umfragen nur rund 20 Prozent der Bürger teilnehmen, die aber kommen wahrscheinlich hauptsächlich aus dem Lager der Hardliner. Viele, die auf grundlegende Veränderung hoffen, dürften zuhause bleiben. „Wenn sich nur Gesichter ändern und nicht die Politik - wieso soll ich da noch wählen gehen?“, fragt etwa der Student Farsin aus Teheran.

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