Filzmaier analysiert

Die Regierung und ihre Selbstdarstellung

Politik
12.01.2020 11:40

Sie haben sicher eine Meinung zur neuen Bundesregierung von ÖVP und Grünen. Doch Hand aufs Herz: Haben Sie das Regierungsprogramm gelesen? Alle rund 300 Seiten? Wenn nicht, so zeigt das die Wichtigkeit der politischen Kommunikation. Wie wurden das Programm und die Ministerriege medial vorgestellt?

Fangen wir so an: Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass sich die Partner in der Bundesregierung vor dem Jahreswechsel Tag für Tag auf zwei Ministernamen geeinigt haben? Das wäre ein komischer Verhandlungsprozess. Doch hat man fast täglich Gerüchte gestreut, wer Minister wird. Anschließend wurden als Salamitaktik die Ernennungen von der jeweiligen Partei bestätigt, sodass ÖVP und Grüne ihre fast ebenso tägliche Schlagzeile bekamen. Was der Sinn der Sache war? Die Oppositionsparteien kamen in den Medien nicht einmal unter ferner liefen vor.

Präsentationen folgten einem vorbereiteten Drehbuch
Selbstverständlich folgte auch die Präsentation der Regierung und ihres Programms einem vorbereiteten Drehbuch. Alles andere ist unprofessionell. Was die Spindoktoren von Sebastian Kurz und Werner Kogler aber nie unter Kontrolle bringen werden, ist die Gegensätzlichkeit der Personen auf Bildern. Da kann man sie noch so staatstragend in der Hofburg oder historischen Palais vor rot-weiß-roten Fahnen platzieren. Die beiden Herren werden immer Traum und Albtraum eines Kommunikationsberaters sein.

Bei Kurz erscheint alles geschliffen, Kogler wirkt natürlicher
Bei Kurz erscheint jede Bewegung und jedes Wort als perfekt geschliffen. Manche empfinden das als aalglatt und nicht authentisch. Er ist der Typ auf der Party, dem man vom Benehmen her nichts vorwerfen kann und welcher gerade deshalb unpersönlich wirkt. Kogler wiederum wirkt nervös, verhaspelt sich und will drei Dinge gleichzeitig sagen. In der Antrittspressekonferenz hat er als Grüner gefühlte 15 Minuten lang ausgerechnet auf das Umweltthema vergessen. Grünwähler sehen das aber gegenüber Kurz als natürlicher.

100 Tage Schonfrist!
Es gab einmal eine Art Abkommen, das Oppositionspolitiker und Journalisten akzeptierten. Kommt jemand neu in ein Ministeramt, so werden ihm oder ihr rund 100 Tage gewährt, bevor mit Kritik und kritischen Interviews begonnen wird. Das war insofern fair, als man ja – ganz egal, in welchem Beruf – kaum jemand bereits am zweiten oder dritten Arbeitstag als gut oder schlecht be- oder verurteilen sollte. Im Zeitalter des Internets und von Facebook, Twitter & Co. ist das Geschichte.

Teil der Regierungskommunikation auf Glatteis geraten
In den weiten Welten des Internets ist auch ein Teil der Regierungskommunikation auf Glatteis geraten. Besonders mit Hassparolen konfrontiert war Justizministerin Alma Zadic. Neben einfach nur widerlichen Beschimpfungen wird ihr vorgeworfen, dass sie in erster Instanz – also nicht rechtskräftig, das Berufungsverfahren läuft – verurteilt wurde. Sie soll in einem Medienverfahren zur Zahlung von 700 Euro für erlittene Kränkung verpflichtet werden.

Zadic hatte auf Facebook einem jungen Mann unterstellt, den rechten Arm zum Hitlergruß erhoben zu haben. Der Betroffene wiederum stellt klar, auf dem entsprechenden Foto nur gewunken zu haben. Das Verhalten von Zadic kann man schlecht finden. Doch hat das Medienrecht nichts mit dem Strafrecht zu tun. Behauptungen einer Straftat wie sogar vonseiten Bundeskanzler Kurz’ im Radio sind also Unsinn. Auch die Entschuldigung dafür von Kurz auf Twitter war holprig. Geschlossenheit der Bundesregierung sieht anders aus.

Als es um Strache ging, hat die FPÖ ähnliche Sache nicht gestört
Ach ja, und zur Erinnerung: Heinz-Christian Strache war als Vizekanzler einer – laut Juristen wahrscheinlichen – Verurteilung wegen Kreditschädigung, Ehrenbeleidigung und übler Nachrede in einer seiner Facebook-Nachrichten dadurch zuvorgekommen, dass er in einem Vergleich 10.000 Euro zahlte. Zusätzlich entschuldigte er sich in einem Inserat. Hat er das privat bezahlt oder mit dem Geld der Steuerzahler aus der Parteikassa? Wie auch immer: Die Sache hat die FPÖ nicht im Geringsten gestört. So gesehen ist es seltsam, wenn sie sich nun furchtbar über Zadic aufregt.

Da war das Schweigen beim Thema direkte Demokratie
Spannend ist freilich auch, wozu die Regierungspartner lieber nichts gesagt haben. Zum Beispiel war da das Schweigen beim Thema direkte Demokratie. ÖVP und FPÖ hatten 2017 einen sehr faulen Kompromiss präsentiert, dass in sehr später Zukunft bei einer sehr hohen Unterschriftenzahl für ein Volksbegehren verpflichtend eine Volksabstimmung durchzuführen sei. Das war kaum besser als nichts und auf jeden Fall viel zu wenig.

Damals kritisierten die außerparlamentarischen Grünen zu Recht, dass Regierungsparteien offensichtlich ihr Interesse an mehr unmittelbarer Mitbestimmung der Bevölkerung verlieren, sobald sie an der Macht sind. Wer die Dinge als Partei selber entscheiden kann, will die Bürger nicht zu sehr mitreden lassen. Aber hallo, und nun – im Jahr 2020, also bloß ein paar Jahre später – wollen Werner Kogler & Co. als Vizekanzler und Minister selbst nichts mehr davon wissen?

Prof. Peter Filzmaier

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