Barbara Stelzl-Marx

Die Wissenschafterin des Jahres kommt aus Graz

Steiermark
11.01.2020 18:45

Barbara Stelzl-Marx wurde in dieser Woche als Österreichs Wissenschafterin des Jahres 2019 ausgezeichnet. Die „Steirerkrone“ traf die Grazer Zeithistorikerin zu einem Gespräch.

„Krone“: Frau Stelzl-Marx, herzliche Gratulation zur Auszeichnung Wissenschafterin des Jahres 2019. Was bedeutet dieser Preis für Sie?
Barbara Stelzl-Marx: Er ist eine hohe Auszeichnung für Wissenschaft und Vermittlung, den ich mit großer Freude und Dankbarkeit entgegennehme. Das gilt auch für das Boltzmann-Institut und die Universität Graz - dieses Umfeld hat die Arbeit überhaupt ermöglicht. Unsere Forschungsprojekte in den Bereichen der beiden Weltkriege, des Kalten Kriegs, Kinder des Kriegs und Migration stoßen auf großes und breites Interesse - nicht nur in der wissenschaftlichen Community, sondern auch in der Öffentlichkeit.

Ist die Steiermark ein starker Wissenschafts-Standort?
Ja. Wir haben das Ludwig-Boltzmann-Institut hier, mit Filialen in Wien und Niederösterreich. Ich habe die Professur an der Uni Graz und meinen privaten Lebensmittelpunkt in Graz. Ich bin hier geboren und war während des Studiums viel im Ausland - England, Amerika und dann Russland. Jetzt bin ich froh, hier in der Steiermark „gesettled“ zu sein.

Woher kommt Ihr Interesse für die Geschichte? Hatten Sie das schon im Kindesalter?
Ich habe zuerst Sprachen studiert, Anglistik und Russisch. Es hat sich auch dadurch entwickelt, dass ich im Jahr 1991 in der Sowjetunion war, als der Putsch gegen Michail Gorbatschow stattfand. Es war der Zerfall der Sowjetunion, und ich habe gemerkt: Das ist jetzt wirklich Weltgeschichte. Es hat sich dann ergeben, dass ich Geschichte studiert und als Zeithistorikerin gearbeitet habe.

Was lehrt uns die Geschichte heute?
Zukunft braucht Herkunft. Ich glaube, es ist wichtig, die Vergangenheit zu verstehen. Zeitgeschichte ist spannend, weil es zurückliegt, aber nicht so weit, dass es niemanden mehr betrifft. Zum Beispiel die Besatzungskinder: Sie wurden in der Besatzungszeit geboren, die Folgen sind aber bis heute absolut spürbar. Das wird auch an die nächste und übernächste Generation weitergegeben. Ein Krieg hört nicht auf, wenn die Waffen schweigen. Die Folgen gehen über mehrere Generationen weiter. Sie sind eingebrannt in die Biografien und in die Landschaften. Auch das Lager Liebenau ist dafür ein Beispiel, das im Zusammenhang mit dem Murkraftwerk wieder ein gesellschaftspolitisches Thema wurde. Oder der Schloßbergstollen, über den wir gerade eine Studie für das Schloßbergmuseum machen. Er wurde von Zwangsarbeitern als Luftschutzeinrichtung gegraben. Jetzt ist er vor allem eine Freizeitattraktion, aber dass der Berg ausgehöhlt ist wie ein Emmentaler Käse - das wissen eigentlich wenige.

Wie geht es mit dem Lager Liebenau nun weiter?
Wir werden Anfang April wahrscheinlich eine Erinnerungstafel errichten mit einem digitalen Rundgang.

Wissen die Steirer zu wenig über ihre Geschichte?
Das kann ich schwer einschätzen. Aber wenn ich an der Uni über 1989 rede, merke ich: Die Studierenden sind danach geboren. Kalter Krieg und Eiserner Vorhang sind für sie so weit weg wie der Erste Weltkrieg. Es ist ganz wichtig, dieses Wissen zu vermitteln, im Sinne von „Wider das Vergessen“.

Was sind nun Ihre nächsten Ziele?
Wir beginnen in Graz jetzt ein Projekt für Zusatz-Infotafeln für Straßennamen. Die bekommt jede Straße, die nach einer Person benannt ist, das sind über 800. Außerdem kommt etwas über Lebensborn-Kinder aus der NS-Zeit in Österreich.

Können Sie sich als Historikerin eigentlich noch in Ruhe einen Historienfilm ansehen?
(Lacht.) Ich komme sowieso wenig zum Fernsehen. Und Kriegsfilme mag ich eigentlich nicht. Es hängt aber wirklich ganz vom jeweiligen Film ab.

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