Gesetz kommt so nicht

Kritik an Hacklerregelungs-Aus: „Unfair, unsozial“

Politik
08.01.2020 14:07

Im ersten gemeinsamen TV-Interview zeigten sich Bundeskanzler Sebastian Kurz und der grüne Vizekanzler Werner Kogler am Dienstagabend einträchtig - und zeigten Tatendrang. Unter anderem soll die erst im Herbst mit Stimmen von FPÖ und SPÖ durchgesetzte Neuauflage der Hacklerregelung „repariert“ werden. Das stößt dem alten Koalitionspartner der Türkisen sauer auf: „Das ist schon am ersten Tag eine unfaire und unsoziale Aktion von ÖVP und Grünen“, empörte sich der blaue Parteichef Norbert Hofer. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch ortet einen „schweren Anschlag und eine schwere Verunsicherung aller ArbeitnehmerInnen im Land“.

Im Jahr 2014 wurde sie abgeschafft, fünf Jahre später erlebte sie mit rot-blauen Stimmen ein Comeback: Wer 45 Jahre gearbeitet hat, soll dank der Hacklerregelung wieder abschlagsfrei in Frühpension gehen können. Doch der neuen Regierung ist die junge, für den Staat kostspielige Bestimmung ein Dorn im Auge. Bereits eine Woche nach der Wiedereinführung sprach Kurz im Interview mit dem ORF davon, dass die „Langzeitversicherungsregelung“, wie sie formell heißt, in dieser Form nicht so bleiben werde. Das Finanzministerium rechnete vor, dass es bis zum Jahr 2023 700 Millionen Euro gekostet hätte.

Hofer: Mindestsicherung ein „Magnet für Sozialwanderer“
„Wer 45 Jahre gearbeitet hat, hat für die Gesellschaft viel geleistet und sollte weiter abschlagsfrei in Pension gehen dürfen“, verteidigte der FPÖ-Chef am Mittwoch den kurz vor der Nationalratswahl durchgesetzten Beschluss. In seiner Aussendung geht es durchaus angriffig weiter: Die Mindestsicherung würde dank Kurz und Kogler „ein Magnet für Sozialwanderer aus aller Herren Länder“ bleiben, dafür werde „bei den Österreichern gekürzt“, entrüstete sich Hofer.

SPÖ: Nachteile für „Hackler“, dafür Steuergeschenke für „Superreiche“
„Es ist nur fair und gerecht, dass Menschen, die 45 Jahre lang gearbeitet haben, ohne Strafabschläge von bis zu 12,6 Prozent in Pension gehen können“, ist auch der rote Sozialsprecher Muchitsch überzeugt. Menschen, die jetzt in Pension gehen, könnten sich auf die neue Regierung nicht verlassen, die zugleich „Steuergeschenke für Konzerne, Superreiche und Großbauern, die zwei Milliarden Euro jährlich kosten“, gewähre, so Muchitsch. „Versucht doch mal mit 65 Jahren in einem Schichtbetrieb oder auf einer Baustelle zu arbeiten“, forderte er Kurz und Kogler auf. Vor allem von den Grünen zeigte sich der Sozialdemokrat enttäuscht.

Auch aus der Gewerkschaft kam Kritik: „Koglers Ansatz, die sogenannte Hacklerregelung wieder abschaffen zu wollen, weil sie ausschließlich Männern zugutekommt, ist der vollkommen falsche Weg. Das wäre ein Schritt zurück statt vorwärts“, betonte ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann. „Statt das Pensionssystem für alle zu verbessern und abzusichern, werden Verschlechterungen für die ,Hackler‘ vorgenommen“, beklagte auch FSG-Chef Rainer Wimmer .

NEOS: „Zukunftsvergessener Populismus rächt sich bitter“
Die einzige Partei, die eine „Reparatur“ der Regelung befürwortet, sind die NEOS, die allerdings bereits den Beschluss im Herbst kritisch sehen: „Die ÖVP hat dieses populistische Wahlgeschenk selbst vor der Wahl mitbeschlossen, obwohl allen klar war, dass das die eh schon problematische Finanzierung der Pensionen noch schwieriger macht“, so der pinke Sozialsprecher Gerald Loacker. Nun müsse man den selbst beschlossenen Fehler reparieren: „Der zukunftsvergessene Populismus rächt sich bitter.“

Kogler schwebt Regelung vor, die besonders Frauen hilft
Auch Kogler betonte im Pressefoyer nach dem ersten gemeinsamen Ministerrat am Mittwoch, dass er nicht wolle, dass man damit nur die Männer besserstelle: „Eine Regelung nur für Männer, da sträubt sich was in mir.“ Man werde sich in diesem Jahr anschauen, was der allfällige Korrekturbedarf sei. Ihm schwebe eine Regelung vor, die ganz niedrigen Pensionen und damit in vielen Fällen besonders Frauen helfe. Allerdings werde dieses Thema nicht eines der ersten der Regierung sein.

Die Ausweitung der Hacklerregelung war kurz vor der Wahl auf rot-blaue Initiative beschlossen worden, in letzter Konsequenz auch mit den Stimmen der ÖVP. Die Regelung ermöglicht es, mit 45 echten Beitragsjahren abschlagsfrei ab 62 in Pension gehen zu können, wobei Frauen bis zu fünf Jahren Kindererziehungszeiten angerechnet werden. Freilich gilt für sie vorerst ohnehin noch das Antrittsalter 60, womit sie aktuell nicht profitieren.

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