Isolation und Drill

So funktioniert Gehirnwäsche im totalitären Regime

Ausland
28.12.2019 12:52

Totale Isolation und Kasernenhofdrill, ständige Bekenntnisse eigener Fehler, Auswendiglernen von Regimepropaganda und Indoktrination mit neuem Gedankengut - das sind die Stufen, mit denen der Widerstand eines Menschen gebrochen werden kann.

Das Phänomen der asiatischen Gehirnwäsche war erstmals nach dem Koreakrieg 1953 allgemein bekannt geworden. Damals waren US-Soldaten aus nordkoreanischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, die ihrer Regierung schwere Vorwürfe der Aggression gegenüber Nordkorea machten. Die US-Soldaten waren Opfer dieser manipulativen Psychotechniken geworden. Ihre Realitätswahrnehmung wurde systematisch zersetzt und nach mentaler Umprogrammierung durch eine neue Einstellung ersetzt.

„Geist ebenso säubern wie Körper“
Gehirnwäsche ist das Merkmal totalitärer Staaten ebenso wie von Sekten. Ein chinesischer Funktionär erklärte einmal dem Autor dieser Zeilen: „Selbstverständlich muss man den Geist ebenso säubern wie den Körper.“

Wie so etwas funktioniert, wissen wir seit den geleakten Geheimdokumenten über den Umgang Pekings mit ethno-religiöser Extremismusgefahr unter Uiguren. Das Umerziehungsprogramm vermutlich für Hunderttausende des Elf-Millionen-Volkes wird von Chinas Führung „Entradikalisierungsprogramm“ und die hermetisch abgeschlossenen Lager „Weiterbildungszentren“ genannt. Interniert wird laut den Dokumenten jeder, bei dem allein schon Terrorismusverdacht „nicht ausgeschlossen werden kann“.

  • Erster Schritt ist die totale Isolierung von der Außenwelt und kasernenhofmäßiger Drill; Sprechverbot und Reden nur, wenn gefragt. Absolute Trennung von der Familie.
  • Nächster Schritt ist das Bekennen, Niederschreiben eigenen Fehlverhaltens, immer wieder, immer wieder. Einsicht wird belohnt, Starrsinn wird bestraft. Irgendwann bricht der Widerstand.
  • Es folgt das Einfügen in die Rituale des Staates: Zeremonien der Flaggenhissung, Hymnen auf Staat und Partei, Bedeutung der Staats- und Parteifeiertage.
  • Erlernen der chinesischen Sprache und Schrift (was für Minderheiten nicht schlecht ist). Dieses Programm geht über in das intensive Studium der Lehren des Staatsführers. Seine Lehrsätze werden in Sprechchören repetiert.
  • Die Gehirnwäsche wird begleitet von einer Ausbildung zu sicheren Jobs.

So entsteht der „neue Mensch“
So schlüpft der Delinquent langsam in eine neue Realität, erkennt die Segnungen, die an ihm vorgenommen wurden. Ziel Pekings ist nicht die Unterdrückung der Minderheiten, sondern die Schaffung des „neuen Menschen“, der flächendeckend nach chinesischem Modernisierungsstandard funktioniert. Ethnische Prägungen werden auf die kulturelle Spielwiese abgedrängt.

Und, was die Führung in Peking nicht müde wird, zu betonen: Es gibt seit drei Jahren keinen islamistischen Terroranschlag mehr in China.

Kurt Seinitz, Kronen Zeitung

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