Großes Doppelinterview

„Sind keine Zwillinge – aber sehr gute Partner“

Steiermark
22.12.2019 18:43

Nach dreiwöchigen Verhandlungen steht neue steirische Regierung. Im großen Doppelinterview mit der „Steirerkrone“ verraten die Landeschefs Hermann Schützenhöfer (ÖVP) und Anton Lang (SPÖ), was sie jetzt geplant haben.

War es eine Liebesheirat oder ist es eine Vernunftehe?
Schützenhöfer: Liebe gibt es nur im privaten Leben, und wenn man Glück hat, hält sie und man mag sich auch nach 40 Jahren - ich war im April 40 Jahre verheiratet. Eine Regierung ist eine Sache der Vernunft, aber es ist von Vorteil, wenn man sich gut versteht - und das ist der Fall.
Lang: Also aus meiner Sicht ist es so, dass wir uns nicht nur aus Vernunftgründen geeinigt haben. Nach vielen, vielen Verhandlungsrunden war es doch möglich, ein Papier zu unterschreiben, in dem sich beide Parteien wiederfinden - auch die SPÖ, die ja nicht gerade der Wahlgewinner war.

Herr Landeshauptmann, auch wenn Sie immer wieder betont haben, dass Sie auch mit dem viel jüngeren Michael Schickhofer gut zusammengearbeitet haben, war es nicht so wie mit Franz Voves, mit dem Sie ja sehr eng waren. Ist Anton Lang Ihr neuer „Reformzwilling“?
Schützenhöfer: Wir sind keine Zwillinge, aber wir sind sehr gute Partner. Ich kenne ihn lange, er ist ein ausgewiesener Pragmatiker, ich bin das auch. Das Wichtigste ist das gegenseitige Vertrauen: dass ich das, was wir am Donnerstag in der Regierungssitzung besprechen, am Sonntag - zu Ihrem Leidwesen - nicht in der „Krone“ lese.

Hat es in den letzten drei Wochen irgendwann einmal einen Moment gegeben, wo Sie gesagt haben: Das wird jetzt nichts mehr mit der SPÖ?
Schützenhöfer: Nein. Ich habe das gemacht, was ich vor der Wahl gesagt habe. Ich habe mit allen Spitzenkandidaten geredet, unter vier Augen, und ich habe allen gesagt: Wenn nichts dazwischenkommt, wird es dann ernsthafte Koalitionsverhandlungen mit der zweitstärksten Partei geben. Das ist die SPÖ. Diese haben wir begonnen und auch zu Ende geführt, ohne dass wir irgendwann einmal vor unlösbaren Fragen steckengeblieben sind.

Haben Sie ein blaues Ass im Ärmel gehabt?
Schützenhöfer: Nein, aufgrund der Niederlage, die wir 2005 selbst erlebt haben, ist mir jede Schadenfreude und auch jeder Schachzug, um einen Partner zu irritieren, abhanden gekommen. Ich habe zu FPÖ-Chef Mario Kunasek ein ordentliches Verhältnis, aber mit der FPÖ, wie sie zur Zeit agiert und wie sie mit der Vergangenheit umgeht, hätte ich eine solche Koalition nicht wirklich angestrebt. Die Grünen wollten in die Regierung und haben gemeint, man könnte ja von den NEOS unterstützt werden. Man darf nicht vergessen: Die SPÖ hat mit der ÖVP gemeinsam den Staat aufgebaut. Sie wird sich wieder erfangen. Wenn ich wirkliche Reformen durchführen will, brauche ich eine größere Mehrheit. Und die Sozialpartner.

„Never change a winning Team“, sagt man. Die SPÖ aber hat die Wahl verloren, und außer Michael Schickhofer sind alle geblieben. Herr Lang, wäre es nicht gut gewesen, ein paar neue Gesichter in die Regierung zu holen?
Lang: Der Michael Schickhofer war ja nicht irgendwer, er war unser Frontmann. Ich bin damit beauftragt worden, die Verhandlungen zu führen. Wer Parteichef wird, wird Ende Jänner entschieden. Wenn man so viele Baustellen hat, ist Kontinuität am Anfang wichtig. Ich gehe mit einer routinierten Mannschaft in die Regierung, und wir werden sehen, wie sich das alles entwickelt.

Das Kräfteverhältnis hat sich geändert. Haben Sie Angst, dass die SPÖ als Juniorpartner zerrieben wird?
Lang: Nein. Wenn man sich dieses Koalitionspapier anschaut, dann sieht man in allen Kapiteln eine deutliche sozialdemokratische Handschrift. Wir sind in den Regierungsverhandlungen auch nie von oben herab behandelt worden. Und ich möchte ganz klar sagen: Da ist es nicht um den Anton Lang gegangen. Es ist darum gegangen, dass die Sozialdemokratie weiter mitgestaltet.

Sie haben die Steiermark auf einen Sparkurs eingeschworen. Sie wollen Ihren Kindern und Enkelkindern keine Hypothek hinterlassen, haben Sie gesagt.
Schützenhöfer: Ja, wir stehen vor einer Herkulesaufgabe. Bis zum Herbst des nächsten Jahres wollen wir ein Doppelbudget für 2021, 2022 zimmern. Wir werden uns nicht nur an den Stabilitätspakt halten, wir peilen die Nullverschuldung an. Und, das ist das Wichtigste: Wir wollen dabei sozial gerecht bleiben.

Wird es neue Steuern für die Steirer geben?
Lang: Nachdenken und diskutieren sollten wir über alles. Wir sind beim Budget sehr abhängig von den Ertragsanteilen des Bundes. Wir werden sehen, wie die Wirtschaft sich entwickelt. Und was im Bund in Sachen Steuerreform passiert. Wir werden alles versuchen, die - aus steirischer Sicht - Ungerechtigkeit beim Finanzausgleich wegzubekommen. Nur so können wir Großprojekte wie den Breitbandausbau in der Steiermark finanzieren. Wir haben einen Riesenanteil im Landesbudget, den wir gar nicht beeinflussen können - 5,6 Milliarden sind fix vergeben, das sind immerhin zwei Drittel. Aber wir werden sicher auch die Ausgaben durchleuchten.

Manche sagen, dass Sie den Klimawandel nicht richtig ernst nehmen und nicht wirklich etwas dagegen unternehmen. Die Frage geht an Sie beide: Was halten Sie dem entgegen?
Schützenhöfer: Dass das nicht stimmt. Wir haben in unserem Koalitionsprogramm zwei Dinge vereinbart: einen unbürokratischen Klima-Check für Verordnungen und Gesetze und das Klimakabinett. Die Landesregierung, die sechs Klubobleute und Fachleute hier werden sich in unregelmäßigen Abständen treffen, um darüber zu beraten: Was kommt jetzt? Was kommt später? Was muss geschwind sein? Was hat Zeit? Der erste Termin ist schon vereinbart, es haben auch alle schon zugesagt: Anfang Februar. Mir geht es darum, dass wir da Nägel mit Köpfen machen.
Lang: Ich möchte eines festhalten: Ich gehöre nicht zu jenen Personen, die den Klimawandel leugnen. Das wird mir nur immer in den Mund gelegt, weil ich mich beharrlich geweigert habe, den Klimanotstand auszurufen. Nämlich aus einem Grund: Beim Wort „Notstand“ assoziiere ich etwas anderes. Das, was 2017 im Sölktal passiert ist.

Sie haben beide eine stressige Zeit hinter sich - Wahlkämpfe, Regierungsverhandlungen. Freuen Sie sich jetzt auf ruhige Weihnachten und die Zeit mir Ihren Familien?
Schützenhöfer: Ja, da freut man sich schon. Ich meine, es geht eh durch jetzt, irgendwie bis zu Silvester. Aber dann, so bis zum Dreikönigstag, möchte ich schon auch leisertreten.
Lang: Es war ein Verhandlungsmarathon: Wir haben jeden Tag 14, 15 Stunden verhandelt, auch am Sonntag. Worauf ich mich jetzt wirklich freue, ist das Laufen. Und aufs Lesen - da setze ich mich wohin, wo es ruhig ist, und genieße diese Zeit. Ein bisschen spazieren gehen, in der Obersteiermark, in meiner Heimat, werde sich auch.

Schenken Sie beide sich eigentlich etwas zu Weihnachten? Oder ist es eine Überraschung?
Schützenhöfer: Die Frauen der Regierer kriegen von mir jedes Jahr einen Blumenstrauß.
Lang: Wir zwei verstehen einander so gut, da werden wir sicher einmal auf Weihnachten anstoßen. Vielleicht mit einem guten Bier - oder doch mit einem guten steirischen Wein?
Schützenhöfer: Wir haben jetzt neben Puntigamer auch Gösser Bier (Langs „Heimat-Bier“, Anm.) im Haus.

Danke für das Gespräch.

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