Streit um Strahler

Heizschwammerl wird zum Spaltpilz

Österreich
23.12.2019 06:00

Die lauen Temperaturen lassen es nicht vermuten, aber: In den Gastgärten sprießen die Heizpilze so zahlreich wie nie. Umweltschützern sind die Strahler aber ein Dorn im Auge.

Sie sind die Lösung, nach der sich die Wirte aller ehemaligen Raucherlokale seit dem 1. November sehnen: Heizstrahler. In jeglicher Form erlauben sie es den Qualmern, vor den Wirtshäusern des Landes beim Kaffee oder Bier auch im Winter ihre Sucht zu befriedigen.

Das Rauchverbot kurbelt das Geschäft mit Wintergastgärten an: Alleine in Wien stieg die Zahl der Ansuchen von 83 im Vorjahr auf 145 für die heurige Saison, insgesamt stellen 230 Wirte Sessel und Tische im Freien auf. 113 von ihnen setzen dabei auf Heizschwammerln. In Niederösterreich unterstützt die FPÖ Wirte mit 100 Euro, wenn sie sich einen oder mehrere Strahler kaufen.

Der Wirte Freud ist Greenpeaces Leid
Allein: Nicht jeder zeigt sich als glühender Verehrer der wärmenden Pilze. Die Umweltorganisation Greenpeace fordert, die elektrischen Strahler zu verbannen. Denn einer davon verbraucht 1,5 bis zwei Kilowattstunden Strom. Das ist in etwa so viel, wie man braucht, um ein Mittagessen für eine vierköpfige Familie zu kochen.

Auf Wien umgelegt lautet die Rechnung: 113 Gastgärten mit durchschnittlich je drei Heizstrahlern machten rund 350 - und damit bei zwölf Stunden Betrieb ungefähr den Stromverbrauch, den 70 Einfamilienhäuser an einem Wintertag haben. „In Zeiten, wo Klimaschutz das oberste Gebot ist, ist das einfach nicht mehr möglich, so viele Heizstrahler aufzustellen“, sagt Greenpeace-Aktivist Herwig Schuster. Seine Lösung: Wirte sollten Decken zur Verfügung stellen - oder die Gäste sich wärmer anziehen.

Es ist nicht das erste Mal, dass die winterlichen Gastgartenfreuden zum Streit zwischen Umweltorganisationen und Gastronomie führen: 2008 forderte Greenpeace in der Schweiz ein Verbot von gasbetriebenen Heizstrahlern. Die Vorgänger der Elektro-Variante stießen im Betrieb in etwa gleich viel CO2 aus wie eineinhalb stehende Autos mit laufendem Motor, so die Begründung damals.

In Wien diskutierte man aus demselben Grund 2014 über eine Gebrauchsabgabe für gasbetriebene Heizstrahler. In Graz wurden Wintergastgärten aus Umweltschutzgründen auf öffentlichem Grund in der Saison 2010 verboten. Die Grünen entwickelten als Alternative den „Grazfleck“, eine Art Poncho aus dickem Loden - der sich allerdings bis heute nicht durchsetzte.

Kommentar von Helga Kromp-Kolb
Heizschwammerln - eine „Umweltobszönität“, so nannte sie ein britischer Energieminister. Paradoxerweise sind die Heizschwammerln erst mit dem Klimawandel und den wärmeren Wintern Thema geworden. Wenn‘s wirklich kalt ist, will niemand draußen sitzen. Die Erzeugung von Wärme ist immer energieintensiv, aber die Luft im Freien zu heizen ist besonders ineffizient. Ob strom- oder gasbetrieben, die Emissionsangaben für ein leistungsstarkes Schwammerl liegen bei einem bis zwei Kilogramm CO2 pro Stunde, entsprechen also einigen Kilometern Autofahrt.

In absoluten Zahlen sind die Emissionen nicht hoch, aber gemessen an deren Notwendigkeit enorm. Wir tun uns so schwer, unsere Emissionen zu reduzieren - ist es da wirklich notwendig, im Winter auf der Terrasse zu sitzen, wenn die Wohnung gleich daneben ist? Glauben die Betreiber der winterlichen Schanigärten wirklich, dass sie sich mit dem möglichen zusätzlichen Gewinn eine sichere Zukunft kaufen können?

Die Waldbrände in Australien demonstrieren deutlich genug, wie hilflos auch eine Industriegesellschaft dem Wüten der Natur gegenübersteht, wenn diese aus dem Gleichgewicht geraten ist. Ein sichtbares Zeichen unseres verschwenderischen Umgangs mit Energie, züchten Heizschwammerl eine Gewohnheit, die wir später für ebenso unverzichtbar halten werden wie die Japaner jetzt ihre beheizten Klobrillen.

Teresa Spari, Kronen Zeitung

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