„Daten gelöscht“

Experte: Handys der Germanwings-Opfer manipuliert

Ausland
22.12.2019 13:27

Fast fünf Jahre nach der Tragödie um einen Germanwings-Flug mit 150 Toten sind für zahlreiche Angehörige noch viele Fragen offen. So ist bis heute nicht erklärt, welche Versäumnisse es bei der Billigairline und der Muttergesellschaft Lufthansa gegeben hatte, dass der psychisch kranke Co-Pilot Andreas Lubitz die Maschine absichtlich gegen einen Berg steuern konnte. Neue Anschuldigungen kommen nun von einem Experten, der das Handy eines Opfers untersucht hat. Wie er festgestellt haben will, seien Daten nachträglich gelöscht worden - ein Verdacht, über den auch weitere Familienmitglieder von Passagieren der Unglücksmaschine immer wieder berichten.

Auch für die Eltern von Jens Voß ist vieles noch immer unklar. Was sie nach der Tragödie vom März 2015 mit am meisten beschäftigt, ist das Handy ihres verstorbenen Sohnes, wie sie „Bild am Sonntag“-Journalisten schilderten. Vor dreieinhalb Jahren hatten sie endlich ehemalige elektronische Besitztümer ihres mit 37 Jahren so tragisch aus dem Leben gerissenen Buben erhalten und „Hoffnung, damit auch ein paar Informationen über die letzten Tage unseres Sohnes zu bekommen“, sagte Vater Wolfgang. Doch dies wurde bitter enttäuscht. 

Immer mehr Angehörige beklagten mutmaßlich manipulierte Geräte
Abgesehen von ein paar Excel-Tabellen, die Jens für die Arbeit angelegt hatte, sei nichts auf den Geräten gewesen - keine gespeicherten Nachrichten, keine Videos, keine Fotos. Als sich dem Bericht zufolge immer mehr Angehörige von Opfern in Chatgruppen beklagt hätten, dass auch bei ihnen elektronische Geräte, die ihnen zugeschickt worden seien, nicht mehr auslesbar seien, glaubten sie nicht mehr daran, dass das Handy beim Absturz dermaßen beschädigt wurde, dass es nicht mehr funktionierte.

„Es wurde definitiv nach dem Absturz manipuliert“
Dazu kam, dass einen Tag nach dem Absturz eine automatische Nachricht am Handy von Mutter Brigitte eingegangen sei, wonach der von ihr am Tag der Tragödie angerufene Teilnehmer wieder erreichbar sei. Als sie es abermals versuchte, sei keine Verbindung zustande gekommen. Nun wollen die Eltern mehr denn je die Wahrheit wissen - und ließen das Handy über die Zeitung einem Experten zukommen. Dieser bestätigte ihren Verdacht: „Es wurde definitiv nach dem Absturz manipuliert“, so Mario Krolow, laut „BamS“ EDV-Experte, der auch schon im Auftrag von Bundesbehörden gearbeitet habe.

„Das kann nicht durch den Aufprall geschehen sein“
Dem von Krolow untersuchten Handy fehle der NAND-Speicher, quasi die Festplatte eines Mobiltelefons. „Das kann nicht durch den Aufprall geschehen sein, da die Platine sonst keine Schäden aufweist“, so der Gründer der Firma Everphone Repair, „er wurde entnommen.“ Für eine Manipulation spreche auch, dass das Handy am Tag nach dem Absturz wieder erreichbar gewesen sei: „Das untermauert das Ergebnis der Untersuchung.“

Anwalt Roland Krause, der die Nebenklage vertritt, sprach gegenüber der „Bild am Sonntag“ von einer „Straftat“ und „Unterdrückung von Beweismitteln“. Dass die Ermittler die gesamten gefundenen Daten ausgelesen hätten, sei klar und „Standard in einem Strafverfahren“, da es ja z. B. Videos geben könnte, die über die Ursache der Tragödie Aufschluss geben könnten - doch es sei ihm „schleierhaft“, warum Daten der Geräte nach dem Absturz offenbar gelöscht wurden, das mache „kriminalistisch keinen Sinn“.

Dienstleister: Handys nur gereinigt und neu verpackt
Die Lufthansa verweist dem Bericht zufolge auf den britischen Dienstleister Kenyon. Diese Agentur habe im Auftrag der Airline die Geräte, die am Absturzort gefunden wurden, von den französischen Behörden bekommen und dann an die Angehörigen weitergegeben. Doch Kenyon gab laut Krause an, die Gegenstände lediglich mit einem trockenen Tuch gereinigt, neu verpackt und dann an die Familien verschickt zu haben. 60 Handys seien aufgefunden, 50 davon bis jetzt an Angehörige zurückgesendet worden.

Lubitz, den mehrere Ärzte als labil und nicht flugtauglich diagnostiziert hatten, hatte die Germanwings-Maschine mit 150 Menschen an Bord am 24. März 2015 absichtlich gegen einen Berg des französischen Massivs Trois Eveches gesteuert. Es gab keine Überlebenden. Hinterbliebene kämpfen seitdem um Schmerzensgeld - doch die Lufthansa ist nicht bereit, die Verantwortung für den Absturz zu übernehmen.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele