Fäden baumeln von der Decke. Dahinter tobt eine Gruppe zu Techno. Einer tanzt aus der Reihe: Der wahrheitsliebende Alceste (Antony Connor) hat genug. Er erträgt die Gesellschaft nicht, die „mit Küsschen-Küsschen schamlos schleimt und lügt!“ Alceste ist zu allen ehrlich. Zu sich selbst nicht ganz. Er ist Célimène verfallen, die verkörpert, was er zu hassen vorgibt.
Goldene Ornamente im Versace-Stil, Meerjungfrauenkleider, Lackkorsetts: Die Gesellschaft trägt ihre Dekadenz am Leib und in der Seele. Auf der Bühne: ein wackeliges Podest. Wer sich den Regeln nicht unterwirft, fällt herunter. Heißt: lügen, dass sich die Balken biegen.
Neben der Bühne kommen vor der Pause auch die Schauspieler ins Wackeln. Ausnahme: eine prickelnde Flirtszene und Kristina Kahlert als Célimène. Ihre Freude an der Rolle sprudelt über. In der zweiten Hälfte fangen sich die Darsteller. Eine tolle Idee jagt die nächste. Die Bühne wird zur Bar, Célimène singt als Popstar. Raffalts Text schießt aber manchmal übers Ziel hinaus. Ein anzüglicher Gag zündet beim ersten Mal. Die Wiederholung wirkt peinlich. Toll dagegen die Selbstironie: Ein Dichter reicht Alceste ein Sonett und reimt: „Wenn auch vernichtend die Kritik, werfen Sie hierauf einen Blieeck!“
Einen Blick sollten Theater-Fans auf „Den Menschenfeind“ unbedingt werfen. Zur ganzen Wahrheit gehört aber: Da ist bis zum Ende der Spielzeit noch Luft nach oben.
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