Mehr zu bieten

Michigan und Illinois: Immer nah am Wasser

Reisen & Urlaub
21.12.2019 06:30

Michigan und Illinois - zwei von insgesamt vier Bundesstaaten, die an den Lake Michigan grenzen und weit mehr zu bieten haben als die Großstädte Chicago und Detroit.

Wasser, so weit das Auge reicht. Man könnte meinen, wir befinden uns an der Küste eines Ozeans. Doch der Schein trügt. Rasch haben wir sämtliche Einreiseformalitäten erledigt und anschließend im Mietwagen Chicago hinter uns gelassen. Jetzt stehen wir am Ufer des Lake Michigan, des einzigen der fünf großen Seen Nordamerikas, der zur Gänze in den USA liegt. 58.000 km2 Wasser. Über einen Kanal ist der See mit Lake Macatwa verbunden, an dem sich Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten niederländischen Auswanderer ansiedelten. Heute bevölkern rund zwei Millionen Besucher jährlich die Strände des Holland State Parks, der etwa sechs km von der gleichnamigen Stadt entfernt liegt.

Wie es sich für Holland gehört, gibt es hier auch eine Windmühle. Um genau zu sein, die letzte voll funktionsfähige Mühle, die man in den Niederlanden ab- und anderswo neu aufgebaut hat. „De Zwaan“ kam 1964 in die Staaten. Seitdem steht „Der Schwan“ in Windmill Island Gardens, gehegt und gepflegt von Alisa Crowford, der einzigen in den Niederlanden ausgebildeten und zertifizierten Müllermeisterin der USA. Bis zu 1200 Kilo Getreide täglich verarbeitet Alisa in „ihrer“ Mühle für Betriebe aus der Umgebung. Um das möglichst authentische Ambiente des Parks kümmert sich Matt Helmus, der von seinen regelmäßigen Besuchen in Europa immer wieder Anregungen und Tipps mitbringt und gekonnt umsetzt.

Mit dem Mietwagen geht es weiter nach Detroit. Schon längst hat die größte Stadt Michigans, ehemals Zentrum der amerikanischen Autoindustrie, das Image der heruntergekommenen Industriemetropole abgelegt und sich zur hippen Großstadt gemausert. Der Detroit River bildet die Grenze zu den kanadischen Nachbarn. Dank Henry Ford, der Anfang des 20. Jahrhunderts das Automobil zu einem für die Mittelschicht erschwinglichen Massenprodukt machte, erlebte die Stadt einen Aufschwung, an dem sie beinah zerbrochen wäre. Doch „Detroit is back“, wie wir unschwer feststellen können. Berühmte Wolkenkratzer im Art-déco-Design, wie das Guardian-Gebäude, die wunderschönen historischen Markthallen des Eastern Market oder die nach und nach aus einem Dornröschenschlaf erwachenden Lager- und Fabrikshallen am Detroit River legen davon Zeugnis ab. Auch ein Abstecher ins Henry Ford Museum, das wahre Schätze der Automobilgeschichte beherbergt, muss natürlich sein, bevor wir unsere Reise fortsetzen.

Skurril – das ist der erste Eindruck unseres nächsten Stopps. Haben wir uns etwa nach Bayern verirrt? „Little Bavaria“, wie Frankenmuth von seinen Fans liebevoll genannt wird, wurde ähnlich wie Holland Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet. Franken aus dem heutigen Bayern haben ihre Traditionen und Lebensart mit über den großen Teich gebracht. Allerdings sind diese rund 200 Jahre später zu einer blau-weißen etwas grotesken Geschäftsidee verkommen. Das Stadtbild: alpenländisch-rustikal, Beflaggung in den bayrischen Farben und Menschen in Tracht – oder was sie dafür halten. Zeitgleich mit dem Münchner Oktoberfest feiern auch in Frankenmuth bis zu 100.000 Besucher jährlich mit Bier, Brezen und Bratwürsten beim damit größten Fest dieser Art in den USA.

Wer es noch ein weniger kitschiger möchte, ist bei Bronner’s Christmas Wonderland richtig. Der – laut Eigendefinition – weltgrößte Weihnachtsmarkt hat 365 Tage im Jahr geöffnet. Auf dem riesigen Parkplatz finden sich Weihnachtsmänner, Engel, Rentiere, verschiedene Krippen und ein originalgetreuer Nachbau der „Stille-Nacht-Kapelle“.

Traverse City, die zweitgrößte Stadt im Norden des US-Bundesstaates Michigan, ist umgeben von viel ursprünglicher und unberührter Natur. Sleeping Bear Dunes, ein etwa 288 Quadratkilometer großes Schutzgebiet, liegt 50 Kilometer südlich davon. Die Landschaft wurde durch die Eiszeit geprägt. Auf rund 60 Kilometern überragen gewaltige Sanddünen das Ufer des Lake Michigan. Durch Winderosion ist die Landschaft im ständigen Wandel. Der Name des Gebiets geht auf eine indianische Sage zurück: Einst soll eine Bärin auf der Flucht vor einem Waldbrand mit ihren beiden Jungen in den See gelaufen sein. Während die Bärin es geschafft hat, das andere Ufer zu erreichen, blieben ihre beiden Jungen immer weiter hinter der Mutter zurück. Die Bärin kletterte auf eine Düne, um nach ihnen Ausschau zu halten, doch die Jungen ertranken. Nach und nach bedeckte Sand die wartende Bärin, die bis heute nach ihrem Nachwuchs Ausschau halten soll. Dort, wo die Jungtiere ertranken, entstanden zwei Inseln – North und South Manitou Island.

Zweieinhalb Stunden dauert die Überfahrt mit dem Lake Express von Muskegon nach Milwaukee. Mehrmals täglich legt der 12.000 PS starke Katamaran die 70 Meilen auf dem See zurück. Milwaukee lassen wir links liegen und fahren weiter nach Galena. Das charmante historische Städtchen im Bundesstaat Illinois liegt an einem Seitenarm des Mississippi. Reich verzierte Backsteinhäuser, aufwendig restauriert, säumen die Main Street. Prächtige Villen mit parkähnlichen Gärten an den Hängen des Galena River zeugen davon, dass die Stadt im 19. Jahrhundert den wichtigsten Hafen nördlich von St. Louis besaß. Darüber hinaus lebte der Bürgerkriegsgeneral und spätere Präsident der USA, Ulysses S. Grant einige Jahre in Galena. Sein Haus gehört mit zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten.

Seit dem Jahr 2013 werden in Galena harte Getränke gebrannt. Da haben die Brüder Matt und Mike Blaum beschlossen, ihr Geld, das sie zuvor in der IT-Branche verdient haben, in eine kleine, aber feine Destillerie zu investieren. Heute produziert der Familienbetrieb Whiskey, Bourbon, Wodka und Gin, die man im Zuge einer geführten Tour verkosten kann.

Ein lohnender Abstecher auf unserem Rückweg nach Chicago ist ohne Zweifel das 1927 eröffnete Coronado Theater in Rockford. Der überladene Art-déco-Stil-Bau bietet Platz für über zweitausend Besucher. Die Wände des Theaters wurden mit einer Mischung von Gips und Pferdehaaren im italienischen und spanischen Stil gestaltet.

Chicagos Schlachthöfe sind nur noch Ruinen und Mafiabosse wie Al Capone und John Dillinger längst tot. Die Metropole am Lake Michigan ist zur Vorzeigestadt geworden - weltoffen und kosmopolitisch. Hippe Restaurants, Einkaufstempel und Kunst an jeder Ecke. Museen (im Field Museum könnte man gut und gerne einen Tag verbringen), der Vergnügungspark Navy Peer oder eine Flussfahrt auf dem Chicago River, die „Windy City“ ist heute viel mehr als der historische Ausgangspunkt der Route 66, die in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts zum Mythos wurde.

Moderne Architektur und in den Himmel ragende Wolkenkratzer wie der Willis Tower bilden die Skyline der Stadt, die sich über dreißig Meilen am Ufer des Sees erstreckt. Mit 110 Stockwerken und einer Höhe von 430 Metern gehört das Gebäude, das bis 2009 Sears Tower hieß, noch immer zu den eindrucksvollsten Bauwerken. In siebzig Sekunden bringt uns der Lift in das 103. Stockwerk. Von hier oben hat man einen grandiosen Ausblick über Chicago und den See. Wer sich traut, tritt hinaus auf einen der gläsernen Balkone und schießt ein Erinnerungsfoto.

Eva Bukovec, Kronen Zeitung

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