Ohne Hausapotheke

„Bis zu 80 Prozent meiner Patienten blieben fern“

Steiermark
07.12.2019 09:00

In den steirischen Regionen gingen in den vergangenen Jahren Dutzende Hausapotheken verloren. Vor allem Senioren und Familien mit Kindern trifft diese Entwicklung. Eine Ärztekammer und eine neue Plattform machen nun mit einer Resolution mobil. Welche Folgen das Aus einer Hausapotheke haben kann, zeigt das Beispiel von Farhad Dianat in Scheifling.

Nur aufgrund der Tatsache, dass eine Pharmazeutin in Scheifling die Errichtung einer Apotheke plant, musste (wegen des damit einhergehenden Rechtsstreits) der einzige örtliche Arzt, Farhad Dianat, seine Hausapotheke zweimal temporär schließen. Die Folgen waren für den Mediziner dramatisch: „Es sind 60 bis 80 Prozent meiner Patienten fern geblieben. Das ist für eine kleine Praxis am Land existenzbedrohend“, berichtet der 61-Jährige.

Gemeinde sprang ein
Die primären Leidtragenden wären aber die nicht-mobilen Patienten gewesen: „Wäre die Gemeinde nicht eingesprungen, um für die vorrangig älteren Leute mit den Rezepten zur nächsten Apotheke zu fahren, wären diese aufgeschmissen gewesen. Oft hat sogar der Bürgermeister persönlich die Fahrten übernommen“, erinnert sich Dianat.

Für Scheifling konnte letztendlich ein Kompromiss gefunden werden: Solange im Ort keine öffentliche Apotheke existiert, darf Farhad Dianat weiterhin Medikamente ausgeben. Für den Mediziner aber eine unbefriedigende Lösung: „Was ist, wenn ich plötzlich krank oder arbeitsunfähig bin? Ohne der Sicherheit, eine Hausapotheke führen zu dürfen, findet sich für diese Stelle sicherlich kein Nachfolger“, meint der Allgemeinmediziner. Deshalb hofft auch er im Interesse der Bevölkerung auf eine Gesetzesänderung: „Ein Nebeneinander muss doch möglich sein!“

Wie ein Brettspiel
Im Grunde funktioniert es derzeit wie ein Brettspiel: Dort, wo eine öffentliche Apotheke einzieht, drohen rundum alle ärztlichen Hausapotheken verloren zu gehen. Grund dafür ist eine gesetzlich verankerte Beschränkung, wonach eine Ordination mindestens sechs Kilometer von der nächsten öffentlichen Apotheke entfernt sein muss.

„43 Hausapotheken mussten in den vergangenen 15 Jahren in der Steiermark deshalb schon schließen, die Folgen sind aber oft noch weitreichender“, ist der steirische Ärztekammer-Vizepräsident Norbert Meindl alarmiert. Denn: „Vielfach bedeutet ein Ende der Hausapotheke auch ein Ende der ärztlichen Versorgung.“

Kampf um Gesetzesänderung
Um Patienten lange Wegstrecken zu ersparen und um jungen Medizinern die Übernahme einer Landarztpraxis schmackhafter zu machen, kämpft die neue Plattform „Einarztgemeinde“ nun für eine Abänderung der Gesetzeslage: „Ärztliche Hausapotheken müssen in allen Gemeinden mit einem Arzt ohne Einschränkung ermöglicht werden“, betont Initiativensprecher Michael Dihlmann. „Immerhin leben bereits gut 300.000 Menschen in Österreich ohne Medikamenten-Versorgung vor Ort, Tendenz steigend!“

Ältere Patienten sind die größten Verlierer
Wie wichtig ein Richtungswechsel wäre, erfährt Hugo Primessnig, Allgemeinmediziner aus Allerheiligen im Mürztal, Tag für Tag am eigenen Leib: „Meine Praxis liegt knapp vier Kilometer von der nächsten öffentlichen Apotheke entfernt. Dies ist zu wenig, um selber Medikamente ausgeben zu dürfen, aber für viele Patienten zu weit, um den Weg eigenständig bewerkstelligen zu können“, erzählt der 64-Jährige. Die Folgen: „Unzählige unnötig verfahrene Kilometer sowie Hunderte Patienten, die in meinen 31 Dienstjahren gar nicht erst zu mir gekommen sind.“

Wettbewerbsbehörde ortet „großen Nachteil“
Nun könnte Bewegung in die Sache kommen: Nicht nur die Ärztekammer drängt in einer Petition auf die „Deregulierung des Apothekenmarktes“, auch die Bundeswettbewerbsbehörde forderte kürzlich die „ersatzlose Streichung der Mindestentfernung“.

Gerhard Kobinger, Präsident der Apothekerkammer Steiermark, sieht die Sachlage naturgemäß ganz anders. Er betont: „Eine ärztliche Hausapotheke ist eine Notabgabestelle für Medikamente und kann die öffentliche Apotheke in keiner Weise ersetzen.“

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