KI meist überschätzt

Hirnforscher: „Algorithmen sind alles Fachidioten“

Web
01.12.2019 11:29

Künstliche Intelligenz wird zumeist überschätzt, ist Hirnforscher John-Dylan Haynes von der Berliner Charité überzeugt. „Wir schreiben Algorithmen mehr Kapazitäten zu, als sie haben“, so der Experte beim Europäischen Mediengipfel in Lech am Arlberg. Die Technologie sei daher noch immer auf den Menschen angewiesen.

Laut Haynes neige der Mensch dazu, technischen Gegenständen menschliche Fähigkeiten zuzuschreiben. Hinter Big Data stehe jedoch keine Intelligenz, „das sind nur Statistiken, die auch ein Mensch mit extrem viel Zeit errechnen könnte“, so der Experte in seinem Vortrag.

„Weil Computer sehr gut darin sind, große Datenmengen zu verarbeiten, kann man die in gut ausdefinierten oder simulierten Umfeldern einsetzen“, erklärte der Forscher. Doch ein Computer funktioniere völlig anders als das menschliche Gehirn.

Gehirn ist „sowohl analog als auch digital“
„Viele Hirnmythen sind Blödsinn“, sagte der Forscher. Der Mensch lerne, indem neue Leitungen zwischen Nervenzellen verlegt würden.
Dies unterscheide das Gehirn jedoch fundamental von gängigen KI-Netzwerken, in denen Informationen nur weitergereicht würden. „Das Hirn ist sowohl analog als auch digital“, sagte er.

Das menschliche Denkorgan sei multipolar, da jede Nervenzelle jede andere beeinflussen könne. „Es gibt keinen Diktator im Hirn“, so Haynes. Darum könne man Daten nur schwer messen, denn an viele Nervenzellen komme man nicht heran.

„Algorithmen sind alles Fachidioten“
Neuromarketing ist daher für den Wissenschaftler derzeit „kein seriöses Thema“. „Ich möchte auch den IQ-Test entmystifizieren, denn lebensnahe Intelligenz ist nochmal was anderes, weil unsere Handlungsfähigkeit im realen Leben nicht getestet wird“, erklärte Haynes. „Komplexes Weltwissen“ sei oft notwendig, um Entscheidungen zu treffen. „Das ist extrem schwer zu automatisieren“, unterstrich der Forscher. „Kreativität und Problemlösung sind eine menschliche Stärke, Algorithmen sind alles Fachidioten“, fuhr er fort.

Dass ein Computer in den USA den zweiten Platz bei einem Kurzgeschichtenwettbewerb gewonnen habe, entkräftet für Haynes diesen Ansatz nicht: „Sprache eignet sich sehr gut, weil Textkorpusse riesig sind. Wir geben mit Assoziationen den Kunstwerken viel Bedeutung dazu. Die besten Ergebnisse findet man aber in der Kombination aus Algorithmus und Mensch.“

„Wir müssen uns mit Computern verbünden“
Für den Hirnforscher sind Mensch und Maschine in der digitalen Welt daher auch keine Konkurrenten. „Nicht das Gegeneinander, sondern die Partnerschaft ist erstrebenswert“, erläuterte Haynes und appellierte: „Wir müssen uns mit Computern verbünden.“ Eine adäquate Ausbildung sei dafür „unersetzlich“.

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