Missbrauchsprozess

Seisenbacher: „Bin das Opfer einer Verschwörung“

Wien
25.11.2019 12:44

Kurz vor Weihnachten 2016 hätte sich Ex-Judoka Peter Seisenbacher wegen sexuellen Missbrauchs vor Gericht verantworten müssen - hätte. Der zweifache Olympiasieger nahm jedoch an diesem Tag nicht auf der Anklagebank Platz, sein Sessel blieb leer. Wie mehrfach berichtet, hatte er die Flucht ins Ausland angetreten, wurde Monate später, im August 2017, in der Ukraine ausfindig gemacht. Tauchte danach ein weiteres Mal unter, ehe er schlussendlich an der Grenze zu Polen erwischt wurde. Am heutigen Montag, und damit knapp drei Jahre später, startete nun der Prozess unter großem medialen Interesse. Seisenbacher zeigte sich zu Beginn des Verfahrens nicht geständig: „Ich bin nicht schuldig.“

Der Publikumsandrang beim Prozessbeginn hielt sich - entgegen aller Erwartungen - allerdings in Grenzen: Im Großen Schwurgerichtssaal, in dem die Verhandlung stattfindet, blieben zahlreiche Sitzplätze leer. Ein Zuseher jedoch applaudierte, als der 59-jährige Ex-Judoka in den Gerichtssaal geführt wurde. Dieser winkte dem älteren Herrn zu.

„Habe keine Erklärung“
Nachdem er auf der Anklagebank Platz genommen hatte, wies Seisenbacher gleich zu Beginn die gegen ihn erhobenen Vorwürfe von sich: „Ich bin nicht schuldig“, gab er zu Protokoll. Auf die Frage, warum drei seiner früheren Schützlinge derartige Vorwürfe gegen ihn erhoben hätten, meinte er: „Ich habe keine Erklärung“ - allerdings habe er eine „Vermutung“: So sieht er sich als „Opfer einer Verschwörung“. Seine drei ehemaligen Schützlinge hätten sich gegen ihn verabredet, zeigte er sich überzeugt. Sie würden sich „sehr gut“ kennen, hätten sich in den Jahren immer wieder getroffen.  

Anwalt: „Es ist nix passiert“
Lehofer selbst brach für den 59-Jährigen eine Lanze. „Ich kenne ihn seit mehr als 40 Jahren. Ich war und bin von seiner Schuldlosigkeit überzeugt“, erklärte der Anwalt. „Niemand, der ihn kennt, traut ihm das zu“, betonte er. An Frauen habe es ihm „in keinster Weise gemangelt“, so Lehofer weiter. „Er passt in keinster Weise in das Schema derer rein, die sich an Kindern vergreifen.“ Abgesehen von den drei Personen gebe es „niemanden, der den Herrn Seisenbacher belastet. Es ist nix passiert. Niemand ist angegriffen worden. Nichts ist aufgefallen.“

Erstmals offen auf den mutmaßlichen Missbrauch angesprochen worden sei Seisenbacher auf der Hochzeit seiner Tochter geworden - von einem seiner besten und längsten Freunde. Diesem gegenüber soll der 59-Jährige eingeräumt haben, mit einem Mädchen sei „etwas gewesen“, aber „es“ sei „im gesetzlichen Alter“ und daher „erlaubt“ gewesen. Dies hatte der Mann auch in einer polizeilichen Zeugenbefragung unter Wahrheitspflicht ausgesagt. 

„Ich habe es nicht gesagt“
Seisenbacher wies das am Montag jedoch mit den Worten zurück: „Er irrt sich. Er hat gemeint, dass er das gehört hat. Ich habe es nicht gesagt.“ Jedoch bekräftigte der Ex-Judoka einmal mehr, dass es sich bei dem Man um einen seiner besten Freunde handle: „Er hat mich in der Ukraine besucht.“ 

Flucht war „Kurzschlussreaktion“
In puncto Flucht erklärte Seisenbachers Verteidiger am Montag erstmals die Motive seines Mandanten, weshalb dieser sich vor Prozessbeginn 2016 fluchtartig ins Ausland abgesetzt hatte. Aufgrund der medialen Vorverurteilung und aufgrund der Annahme des 59-Jährigen, bei Gericht „den Malus eines Prominenten“ zu haben, sei es zu einer „Kurzschlussreaktion“ gekommen und Seisenbacher deshalb ins Ausland geflohen. 

Mädchen „haben ihn sicher verehrt“
Zweifel an den Angaben der mutmaßlichen Opfer hatte Staatsanwältin Ursula Schrall-Kropiunig nicht. Seisenbacher - zweifacher Olympiasieger und gleichzeitig Trainer der Nachwuchskämpferinnen - sei „ihr Idol“ gewesen. „Sie haben ihn sicher verehrt“, so die Staatsanwältin. Da die Betroffenen zu Hause „familiäre Schwierigkeiten und Probleme“ hatten, sahen sie in dem Ex-Judoka „einen Vaterersatz, „weil ihre eigenen Väter nicht in dem Ausmaß zur Verfügung gestanden sind, wie sie es sich gewünscht hätten“, so Schrall-Kropiunig. 

Flucht „taktisch nicht klug“
Bezüglich der Flucht erklärte die Staatsanwältin, dass diese außergewöhnlich gewesen sei. „Dass das taktisch nicht klug war, wird der Herr Seisenbacher selber wissen. Dass das kein gutes Bild auf ihn wirft, wird er auch wissen.“ Auswirkungen auf die Schuldfrage habe die Flucht aber nicht, sie sei für das Verfahren damit auch nicht relevant.

Als weitere Besonderheit des Prozesses nannte Schrall-Kropiunig, dass jenes Opfer, das der Angeklagte seit dem neunten Lebensjahr Dutzende Male missbraucht haben soll, sich als Mann fühle und nun auch so lebe - sie betonte jedoch gleichzeitig, dass auch das in keinem Zusammenhang mit den vorgeworfenen Taten stünde. Dies bestätigte auch die Rechtsvertreterin des Betroffenen, Eva Plaz vor Gericht: „Das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun.“

Nach aktiver Karriere Judo-Trainer
Seisenbacher hatte im Jahr 1989 seine aktive Karriere als Judoka beendet, zuvor zweimal bei den Olympischen Spielen Gold erkämpft, einmal 1984 in Los Angeles, vier Jahre später ein weiteres Mal in Seoul. Dies hatte bis zu diesem Zeitpunkt kein anderer vor ihm geschafft. Dem Sport blieb er auch nach seiner aktiven Karriere treu, er wurde Trainer eines Judo-Vereins in Wien.

Minderjährige Mädchen und 16-Jährige als Opfer
Laut Anklage soll Seisenbacher im Jahr 1997 erstmals ein Mädchen - damals neun Jahre alt - sexuell bedrängt haben, zwei Jahre später soll es zum Missbrauch gekommen sein. Weitere fünf Jahre später - im Sommer 2004 - soll sich der frühere Sportler auch noch an einem weiteren Mädchen im Alter von 13 Jahren vergangen haben.

Zuvor soll Seisenbacher auf einem Judo-Sommerlager im August 2001 überdies versucht haben, einer 16-Jährigen näherzukommen. Diese wehrte ihn ihrer Darstellung zufolge ab. Für die Staatsanwaltschaft stellt sich dieser Vorgang als versuchter Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses dar.

In Ukraine ausgeforscht
Die Vorwürfe kamen jedoch erst Jahre später ans Licht, als die Opfer ihr Schweigen brachen. Doch dem Prozess im Jahr 2016 entzog sich der Ex-Judoka, er floh und tauchte im Ausland unter.
Im Jahr 2017 wurde er dann in der Ukraine entdeckt und verhaftet, in der Folge jedoch wieder freigelassen. Und ein weiteres Mal tauchte der heute 59-Jährige unter, als sein angestrengtes Asylverfahren nicht fruchtete.

Bis zu zehn Jahre Haft drohen
Nach 998 Tagen auf der Flucht wurde Seisenbacher schlussendlich an der Grenze zu Polen erwischt.
Beim Zugriff soll der 59-Jährige fast erleichtert gewirkt haben, heißt es. Nun startete der Prozess gegen ihn. Das Verfahren ist auf zwei Tage anberaumt, ein Urteil könnte am 2. Dezember gesprochen werden. Im Falle eines Schuldspruchs drohen Seisenbacher bis zu zehn Jahre Haft.

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