Lob für Faymann

SPD-Chef Sigmar Gabriel: “Brauchen neue Spielregeln”

Ausland
13.06.2010 20:03
Der deutsche Ex-Minister, SPD-Chef und Oppositionsführer Sigmar Gabriel will den parteilosen Kandidaten der Sozialdemokraten und der Grünen, Joachim Gauck, als Bundespräsidenten. Wie er zu Bundeskanzlerin Angela Merkel und zu den Banken steht, verrät er im ausführlichen "Krone"-Interview mit Nadia Weiss.

"Krone": Herr Gabriel, Sie haben sich in Ihrer Rede beim SPÖ-Parteitag für den österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann starkgemacht. Was schätzen Sie an seinem Programm?
Sigmar Gabriel: Werner Faymann ist einer der wenigen, der sich bemüht, dass Bürgerinnen und Bürger im eigenen Land bei Europa mitbestimmen können. Gleichzeitig will Faymann aber auch dafür sorgen, dass in Europa bei den Finanzmärkten Spielregeln herrschen, damit die Leute nicht unter die Räder kommen. Er spielt hier im Kreis der europäischen Staats- und Regierungschefs eine aktive und wichtige Rolle, damit die Krisenverursacher – Stichwort Finanztransaktionssteuer – an den Kosten beteiligt werden.

"Krone": Haben Sie beim Eingang zum Bundesparteitag das Plakat mit der Forderung von jungen Sozialdemokraten "Fiona muss zahlen"  bemerkt?
Gabriel: Nein.

"Krone": Wissen Sie, wer Fiona Swarovski ist?
Gabriel: Leider nein.

"Krone": Sie ist eine Dame der österreichischen Gesellschaft und gilt als vermögend. Mit der Kampagne soll angeregt werden, dass Reiche eine höhere Steuerlast zu tragen haben als bisher. Erweist die Sozialdemokratie der Gesellschaft einen guten Dienst, wenn solche Debatten an einer Person festgemacht werden?
Gabriel: Bei der Debatte um höhere Besteuerung von Vermögen oder Einkommen schüren wir doch keinen Sozialneid. Aber wir müssen eine offene Debatte darüber führen, wie wir die Kosten der Krise fair verteilen. Da müssen viele mithelfen, die Kosten für gute Ausbildung oder Infrastruktur in einem Land zu tragen. Deshalb bin ich dafür, dass Reiche jetzt in den Zeiten der Krise eine höhere Steuerlast tragen, weil ich an ihren Patriotismus und ihre Solidarität den Mitmenschen gegenüber appelliere.

"Krone": Finden Sie, dass die Finanzmärkte dem Staat gegenüber eine Schuld zu begleichen haben?
Gabriel: Dieser Ansicht bin ich sehr wohl. Die Brüder in den Investmentbanken und Hedgefonds haben den Hals nicht voll genug bekommen, gemeingefährliche Produkte verkauft und davon gelebt, dass der Staat sie nicht vernünftig reguliert hat. Daher müssen die Märkte jetzt reguliert werden und die Banken dazu beitragen, dass die Staatsschulden abbezahlt werden.

"Krone": Wie kann man sichergehen, dass die neuen Spielregeln auch eingehalten werden? Durch neue Kontrollorgane?
Gabriel: Meiner Meinung nach könnte es auch sein, dass die bestehenden Kontrollorgane nur besser funktionieren müssten und gestärkt werden. Allerdings war es ein Geburtsfehler der Währungsunion, dass es nicht gleichzeitig eine gemeinsame oder zumindest koordinierte Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa gab. Das müssen wir korrigieren. Es kann nicht sein, dass sich die Länder gegenseitig durch niedrige Löhne und Steuern unter Druck setzen. Aus einer nicht angemessenen Gehaltsentwicklung ergibt sich Folgendes: Manche werden durch niedrige Löhne immer ärmer, andere durch Betriebs- und Aktiengewinne immer reicher. So holen sich die einen auf Pump Kredite, und die anderen stecken ihren Geldüberschuss in hochriskante Geschäfte. Daraus ist letztendlich die Krise entstanden.

"Krone": Wir reden also doch über eine gesellschaftliche Entwicklung, die zur Krise geführt hat, und nicht nur über die Schuld gieriger Banker?
Gabriel: Die Finanztransaktionssteuer wird nicht die Welt verändern, aber ein wichtiger Schritt zu ihrem Umbau sein. Wir müssen auch einfach der Bevölkerung zeigen, dass es nicht sein kann, dass sich einige wie im Wilden Westen aufführen: Gewinne werden privatisiert, die Verluste hingegen sozialisiert.

"Krone": Wie sehen Sie die Verantwortung des Staates bei Opel?
Gabriel: Bei Opel hatten wir doch gesehen, dass es ein sehr vernünftiges Sanierungskonzept gibt, das bestreitet auch keiner mehr. Allerdings gab es innerhalb der Bundesregierung einen beispiellosen Vorgang: Der Bundeswirtschaftsminister erklärte, er wolle Opel nicht helfen. Zwei Stunden danach sagte die Kanzlerin, das sei nicht das letzte Wort, und verwies auf einen "Opel-Gipfel" mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Opel-Werken. Schließlich musste sie eingestehen, dass sie sich gegen ihren Wirtschaftsminister nicht durchsetzen kann. Man kann zu Staatshilfen für Opel unterschiedliche Meinungen haben. Aber eine Regierung, die so auseinanderläuft und sich gegenseitig erpresst, macht den Menschen Angst statt Mut.

"Krone": Wie ist Ihr Verhältnis zu Angela Merkel?
Gabriel: Meine Kritik richtet sich nicht gegen ihre Person, aber Angela Merkel war so lange eine gute Bundeskanzlerin, wie sie von Sozialdemokraten beschützt wurde.

"Krone": Warum möchten Sie Joachim Gauck als Bundespräsidenten sehen?
Gabriel: Das Amt des Bundespräsidenten genießt zu Recht hohe Reputation. Daher wollten wir jemanden suchen, der über alle Parteigrenzen hinweg agiert. Wir haben Frau Merkel angeboten, eine von ihr vorgeschlagene Persönlichkeit, die nicht aus der aktiven Tagespolitik kommt, mitzutragen. Im Zweifelsfall hätte das auch ein CDU-Mitglied sein können. Aber leider ist sie auf dieses Angebot nicht eingegangen.

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