Auch Macron verändert

Ein Jahr Gelbwesten: Was von der Wut übrig blieb

Ausland
16.11.2019 08:00

Die Idee ist schon genial: Das Erkennungszeichen der Gelbwesten sind die gelben Warnwesten, die jeder im Auto dabei hat. Und so überrollte eine gelbe Wutwelle Frankreich. Doch zwölf Monate später hat die Bewegung an Schwung verloren - ist sie gar tot?

Der Sprit sollte teurer werden. An der geplanten Erhöhung auf Steuern für Diesel und Benzin entzündete sich vor einem Jahr der Protest. Und es war gleichzeitig so viel mehr - auch der Beginn von etwas Außergewöhnlichem. Die Wut auf Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und seine als abgehoben empfundene Politik, die Wut auf „die da oben“ im fernen Paris - all das regte die Menschen so sehr auf, dass sie sich gelbe Warnwesten überzogen, Kreisverkehre und Straßen blockierten und jeden Samstag ihren Ärger in die Hauptstadt trugen.

Die Zahl der Demonstranten ist zusammengeschrumpft
Am 17. November 2018 gingen offiziellen Zahlen nach mehr als 280.000 Menschen in ganz Frankreich auf die Straße. Es war die Geburtsstunde der Gelbwesten, die erste große Mobilisierung einer Bewegung, die Land und Politik ein Stück weit verändern sollte. Ein Jahr später demonstrieren einige Menschen immer noch jeden Samstag, oftmals mittlerweile ohne gelbe Weste. Doch die Kreisverkehre sind weitgehend geräumt und die Zahl der Demonstranten zusammengeschrumpft.

Die ersten Samstagsproteste hielten noch das ganze Land in Atem, ließen die Welt auf Frankreich blicken und stürzten Macron in eine schwere Krise. Jetzt sind die wöchentlichen Demos nur noch eine Randnotiz in den Zeitungen. Doch was bleibt? Und was ist aus den Menschen mit den Warnwesten geworden?

Präsident Macron die Schneid abgekauft
Selbst für die protestfreudigen Franzosen waren die Gelbwesten eine besondere Form des Aufstands. Die Organisationsform war völlig anders, da waren keine Gewerkschaften, die zum Protest aufgerufen haben. „Das war eine Facebook-Generation gepaart mit einer gallischen Jetzt-Reichts-Geste.“

Anfangs versuchten sich Rechtspopulistin Marine Le Pen oder Linksaußen Jean-Luc Melenchon vor die Bewegung zu stellen – ohne Erfolg. Die Gelbwesten waren nie wirklich links oder rechts. Es waren meist Menschen fernab der großen Metropolen vom Land, die auf die Straße gingen. Aus Orten, in denen kein Bus fährt, ohne Auto gar nichts geht. Viele dieser Menschen gingen völlig friedlich auf die Straße.

Krawalle und Tote bleiben in Erinnerung
Doch was in Erinnerung bleiben wird: die Prachtmeile Champs-Élysées im Ausnahmezustand, brennende Autos, zerschlagende Schaufenster, sinnlose Zerstörung im und am Pariser Triumphbogen - kurz: Krawalle und Gewalt. Unter die Demonstranten mischten sich immer wieder auch Randalierer. Die traurige Bilanz der Gelbwesten-Proteste: rund ein Dutzend Tote und Tausende Verletzte; darunter auch Polizisten.

Im ganzen Land lagen Beschwerdebücher aus
Macron zückte sein Scheckbuch mehr als einmal, hielt Ansprachen und versprach teure soziale Geschenke, um die Menschen im Land zu beruhigen. Denn einer der liebsten Rufe der Gelbwesten war: „Macron Démission!“, die Aufforderung zum Rücktritt. Schließlich ermunterte Macron die Franzosen mit einer großen Bürgerdebatte zum Reden, im ganzen Land lagen Beschwerdebücher aus, es wurde diskutiert.

Und das war durchaus erfolgreich. Macron hatte in seinen Reden Fehler eingestanden und Ideen aus den Diskussionsrunden mit den Bürgern aufgegriffen. Keine abschätzigen Sprüche mehr über „Faulpelze“, die nicht arbeiten wollen, wie noch zu Beginn seiner Amtszeit. Der 41-Jährige war damals als großer Reformer angetreten, die Proteste haben ihn innenpolitisch ausgebremst.

Kronen Zeitung

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