Album und Tour

Faber: Der Dandy mit gesellschaftlichem Gewissen

Musik
15.11.2019 07:00

Auf seinem Debütalbum „Sei ein Faber im Wind“ hat der Schweizer Julian Pollina mit rigorosen Texten und spannenden Soundstrukturen eine neue Farbe in die gesellschaftskritische Popwelt gezeichnet. „I Fucking Love My Life“ ist der akkurate Nachfolger, der aber fast an einem textlichen Skandal erstickt wäre. Faber zeigt auf seinem Zweitwerk einmal mehr warum es wichtig ist, sich auch mit den unangenehmen Themen des Lebens auseinanderzusetzen.

(Bild: kmm)

„Besorgter Bürger, ja, ich besorgs dir auch gleich. Geh auf die Knie, wenn ich dir meinen Schwanz zeig. Nimm ihn in den Volksmund. Blond, blöd, blau und rein. Besorgter Bürger, ja, ich besorgs dir auch gleich.“ Mit dieser Textpassage aus seiner Single „Das Boot ist voll“ hat der Schweizer Durchstarter Faber unlängst für Aufregung und Empörung gesorgt. Wie könne man sich denn so weit und vor allem so vulgär aus dem Fenster lehnen? Muss das denn sein? Kann das nicht niveauvoller über die Bühne gehen? Selbst Tocotronic-Musiker Jan Müller war beim Maifield Derby nach Fabers Auftritt etwas ratlos und unsicher: „Die Musik finde ich gar nicht schlecht, warum aber diese widerlichen, sexistischen Texte? Warum empört sich im Publikum niemand?“ Die Aufregung fand in den letzten Wochen vor allem in den Schweizer Medien statt. Julian Pollina alias Faber hat dann zu einem ungewöhnlichen Schritt gegriffen - und die Textpassage sechs Tage später einfach entschärft.

Späte Einsicht
„Das war auf jeden Fall meine Entscheidung und zu der stehe ich“, sagt er im Interview mit der „Krone“ kurz vor seinem restlos ausverkauften Gig im Wiener Werk, „es heißt viel zu oft, dass Künstler, die ihre Meinung ändern, nicht hinter ihren Sachen stehen, aber ich musste diesen Schritt gehen. Sexualisierte Sprache fand dort statt, wo sie nicht hätte sein dürfen. Es war schwierig, aber auch wichtig, diesen Schritt zu gehen. Ich selbst habe aus der Sache jedenfalls irrsinnig viel gelernt.“ Für viele gilt Faber als der „Gangsta-Rapper“ unter den Singer/Songwritern, was vor allem am inflationären Einsatz seiner verrohten Sprache liegt. Doch dabei darf nicht vergessen werden, dass sich der 26-Jährige nur drastischer Worte zu drastischen Themen bedient. Was in Österreich an Politkritik meist mit viel Humor und Doppelbödigkeit verpackt wird, adressiert der Eidgenosse direkter und unverblümter. Dass er sich dabei oft etwas zu sehr an verbaler Gewalt bedient und sich manchmal verhebt - geschenkt. Millennials achten eben seltener auf Political Correctness, als man vermuten würde.

„Ich glaube aber nicht, dass ich damit wirklich missverstanden wurde. Es kann mir auch niemand sagen, dass wenn ein Rapper ,fick deine Mutter‘ singt, wirklich meint, ich solle jetzt mit meiner Mutter Geschlechtsverkehr haben. Der Textteil in ,Das Boot ist voll‘ hatte in der Form dort nichts zu suchen, das ist korrekt. Es waren auch viele Leute in meinem Umkreis dagegen und haben mich bestärkt, alles so zu lassen. Ich habe mich aber durchgesetzt, das war mir wichtig.“ Schon auf den gängigen Hochschulen lernt man, dass schlechte PR besser ist als gar keine PR, doch auf die große Aufregung hätte Faber gerne verzichten können. Sich klar zu positionieren und brennende Themen aufzugreifen, das war ihm aber schon auf seinem gefeierten Debüt „Sei ein Faber im Wind“ wichtig. In Songs wie „In Paris brennen Autos“ und vor allem „Wer nicht schwimmen kann der taucht“ zeigte er mit spielerischer Wortgewalt, in welch prekärer Situation wir uns gesellschaftlich befinden.

Geteiltes Leid
Interessant dabei war auch die musikalisch/vokale Gemengelange, die man so noch nicht hörte. Hinter der tiefen, oft an Tom Waits mahnenden Stimmkraft konterkarieren oft fröhliche Balkanklänge die harten Inhalte. Das hat er auf seinem bewusst ironisch betiteltem Zweitwerk „I Fucking Love My Life“ noch einmal verstärkt. „Das geht bei mir einfach Hand in Hand. Für Mitteleuropäer ist diese Mischung aus Feiern und krasser Schwere eher unüblich, aber am Balkan ist es normal, dass auch traurige Anlässe wie Begräbnisse mit Feiermusik verstärkt werden.“ Reifer und ausgeklügelter sind die Kompositionen im Vergleich zum Debüt, auch wenn sich Faber schlussendlich nicht zur großen Veränderung durchringen konnte. „Ich wollte wirklich noch viel mehr ausprobieren, aber im Endeffekt haben wir enorm viel davon wieder rausgestrichen, weil es einfach nicht so gut war“, lacht er, „es gibt aber eine große Klammer, die sehr traurig ist. Das Dazwischen kann auch mal witzig sein, aber warum sollte ich glückliche Momente beschreiben? Die teile ich lieber zu zweit, als mit allen in der Öffentlichkeit.“

Wer die volle Dosis Faber verstehen will, der sollte auf das physische Produkt zurückgreifen. Denn erst mit allen Texten und der Bebilderung im Booklet des Albums erschließt sich dem Rezipienten das Gesamtbild der inhaltlichen Vielschichtigkeit. „Eigentlich wollte ich keinen englischen Albumtitel, aber irgendwie galt er gut als das Motto der letzten Jahre: Hauptsache den Schein wahren. Hände in die Luft und Party, anstatt etwas zuzulassen, was emotional schwer ist. Ich kann mich selbst jetzt nicht ganz so stark damit identifizieren, aber es wäre auch gelogen, würde ich mich vollends rausnehmen.“ Die Ambivalenz zwischen juvenilem Hedonismus und Verantwortungsgefühl beschreibt er nicht zuletzt im famos gelungenen Stück „Generation YouPorn“ sehr akkurat. In weiten Teilen ist „I Fucking Love My Life“ auch persönlicher als das Debüt. „In erster Linie bin ich immer noch Musiker mit einer differenzierten Meinung. Es kann nicht in jedem dreiminütigen Popsong einen Lösungsansatz für die Probleme auf dieser Welt geben.“

Karten werden knapp
Im Prinzip erweist sich Faber als perfekter Rollenspieler, der sich selbst gerne mal als reichen Dandy oder koksenden König inszeniert und dabei bei weniger aufmerksamen Zeitgenossen schnell für Verunsicherung sorgt. Ob der auch in anderen Songs stark an die Front mäandernde Sexismus tatsächlich so sein muss, bleibt natürlich zu hinterfragen, doch als Finger-auf-die-Gesellschaftswunden-Drücker spielt Faber auch auf seinem zweiten Album im deutschsprachigen Raum in seiner eigenen Liga. Das muss man nicht mögen, kann aber gut und gerne akzeptieren und tolerieren. Live geht es für den bekennenden Festivalhasser nun in neue Sphären. Der Gig in der Wiener Arena am 9. März ist bereits restlos ausverkauft, am 12. August legt er aber ebendort eine Open-Air-Show nach, für die es unter www.oeticket.com noch Karten gibt. Dort wird auch das Setting anders sein. „Keine Big-Band, aber auch nicht nur zu zweit, wie unlängst im Werk. Der große Wunsch wäre ja irgendwann eine Playback-Tour zu machen. Vielleicht setzen wir uns da mal wirklich ran.“

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