Schauspielhaus

„Dogville“: Ausgebeutet bis zur Sex-Sklavin

Salzburg
10.11.2019 14:35
„Sie wissen, worauf Sie sich einlassen , das ist eine Provokation, die an die Grenze des Erträglichen geht“, warnt Intendant Robert Pienz das Premierenpublikum vor ’Dogville’, der Bühnenadaption des verstörenden Films von Lars von Trier.

Ein wenig bizarr wirkt schon der Beginn, da mustert der Erzähler (Bülent Özdil in Bestform und Mehrfachrolle) die Theaterbesucher, im Hintergrund sitzt die maskenhaft wirkende weißgesichtige „Elite“ von Dogville, die in den folgenden drei Stunden (mit Pause) die Masken fallen lässt.

Das Verhängnis beginnt in dem disparaten Ort in den Rocky Mountains, als der Beinahe-Intellektuelle Tom Edison (Simon Jaritz-Rudle) Schüsse hört und urplötzlich Grace, die schöne Fremde im blauglitzernden Paillettenkleid in die vermeintliche Idylle bricht. Tom, Hausgebrauchs-Philosoph, Vor- und Nachdenker mit schriftstellerischer Ambition, schlägt den skeptischen Mitbewohnern einen Integrationspakt vor: Grace möge allen helfend zur Seite stehen, dann werde man über ihren Verbleib abstimmen.

Der Haken: die begehrte Grace wird von der Polizei oder von Gangstern gesucht. Sie fügt sich in eine Rolle, die zunehmend unerträglich wird. Alle kreischen ständig nach ihr, sie sieht sich schamlos bedrängt.

Der multiple Spießrutenlauf führt letztlich zum Eklat: Die gutmütige Grace wird nach einer Vergewaltigung zur geschundenen und gequälten Kreatur, zur angeketteten Sexsklavin. Da will und kann jeder Dogviller sein sexuelles Mütchen kühlen, die moralisch äußerst fragwürdigen Frauen des Ortes verachten sie. Zudem wird sie zum Opfer einer kindlichen Intrige Jasons, dessen Mutter Vera (Susanne Wende) verliert sich in Geifer und Schimpftiraden. Auch Grace-Sympathisant Tom zeigt ambivalentes Verhalten, letztlich will er zumindest das, was andere schon hatten: Sex mit Grace. Die Abschaum-Reaktionen seiner ehrlosen Mitbürger erklärt er entschuldigend mit einem relativierend-bezeichneten Satz: „Sie sind nur Teil eines größeren Übels.“ Jedenfalls muss Grace weg, aber auch das ist nur eine Finte.

Dann taucht ihr Vater, offenbar ein Gangsterboss, auf – doch sie fürchtet, es bei ihm auch nicht besser zu haben als in dieser Kloake menschlicher Abgründe. Grace behält Würde, übt nicht wirklich Rache. Verlässt sie Dogville – oder ist sie die vom Ort des Grauens Verlassene?

Roland Ruess
Roland Ruess
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