krone.tv-Reportage

China kauft sich in Europa ein – Brüssel schaut zu

Wirtschaft
09.11.2019 16:45

Es ist das größte Infrastrukturprojekt Kroatiens. In Komarna, einem kleinen Dorf an der Küste Kroatiens, wird fleißig an der Peljesac-Brücke gebaut. Sie soll die gleichnamige Halbinsel mit dem kroatischen Festland verbinden. Denn das Land ist hier zweigeteilt, ein Stück der Küste gehört Bosnien und Herzegowina. Wer im Sommer in der Hochsaison ins nächstgelegene Krankenhaus oder auch einfach ins Kino will, steht teilweise vier Stunden lang an der Grenze. Seit Jahrzehnten hatte die kroatische Politik ihren Bürgern diese Brücke versprochen, seit Jahrzehnten ist nichts passiert. Jetzt packt China an. Das Projekt ist 420 Millionen Euro schwer, 85 Prozent davon finanziert die Europäische Union.

„Wenn ich im Sommer ins Krankenhaus muss, stehe ich, wenn ich Pech habe, vier Stunden an der Grenze“, erzählt Dalibor. Er ist Mitte dreißig und wohnt in Klek, einem von vielen winzigen Dörfern an der kroatischen Küste. Die nächste Großstadt ist Dubrovnik, aber dazwischen liegt Bosnien und Herzegovina. „Uns ist völlig egal, wer die Brücke baut“, sagt Dalibor. „Hauptsache, es kommt eine.“

Um den südlichsten Teil der kroatischen Küste zu erreichen, führt nämlich kein Weg um Bosnien herum. In der Gegend um Neum hat das Nachbarland Kroatiens eine eigene kleine Adriaküste. Die merkwürdige Grenzziehung ist historisch gewachsen. Kroatien ist also zweigeteilt. Eine Brücke, die das Problem lösen würde, verspricht die kroatische Politik seit Langem, passiert ist bisher nichts. Bis die Chinesen kamen.

Es ist das größte Infrastrukturprojekt Kroatiens. In Komarna, dem Nachbarsdorf, wird fleißig an der Peljesac-Brücke gebaut, die die gleichnamige Halbinsel mit dem kroatischen Festland verbinden soll. Bezahlt wird das 420 Millionen Euro schwere Projekt zu 85 Prozent von der Europäischen Union, den Bau übernehmen allerdings die Chinesen. Es ist das erste Mal, dass eine chinesische Baufirma einen von der EU finanzierten Projektauftrag erhalten hat. 357 Millionen Euro an EU-Geldern waren es immerhin, um die es beim Auftrag ging. Auch die österreichische STRABAG und eine italienisch-türkische Gruppe hatten sich beworben. Doch mit dem Preis der Chinesen konnte sonst niemand mithalten.

Um die Baustelle zu besichtigen, braucht es eine Genehmigung. Auch gesprächsbereit ist niemand: weder die chinesische Botschaft, noch die China Road and Bridge Corporation, noch die Chinese Southeast European Business Association, stehen für ein Interview zur Verfügung. Die Arbeiten schreiten jedenfalls rasch voran. Fertig werden will man 2022, nach nur vier Jahren Bauzeit.

Nicht nur am Süden Kroatiens zeigt China Interesse. Auch rund um den Hafen in Rijeka, der von einer Modernisierung deutlich profitieren würde, gibt es seit Jahrzehnten Gespräche. Ob es die Menschen vor Ort wohl stören würde, wenn eine fremde, aufstrebende Weltmacht so deutlich an Einfluss in ihrer Heimat gewinnen würde? Eine Taxifahrerin scherzt: „Wenn die Chinesen anpacken, weiß man wenigstens, dass etwas weitergeht. Das kann man von unseren Politikern nicht behaupten.“

Und tatsächlich geht etwas weiter, denn China hat große Pläne. Die neue Seidenstraße wurde 2013 konzipiert und sollte ursprünglich nur zentralasiatische Länder erschließen. Doch inzwischen sieht die Sache anders aus. Seit Mai 2018 ist ein starker Anstieg sowohl bei der Anzahl an Teilprojekten als auch bei deren Wert zu verzeichnen. Der Finanzmarktdatenanbieter Refinitiv schätzt, dass derzeit 2.631 Projekte zu einem kombinierten Wert von 3,7 Billionen Dollar unter die „Belt and Road Initiative“ fallen. In die Balkanländer hat China gut 20 Milliarden Dollar investiert, unter anderem in Kupferminen und Produktionswerke in Serbien, Eisenbahnstrecken in Budapest, sowie in den Hafen von Piräus in Griechenland.

Die ursprünglichen Überlegungen dahinter waren rein wirtschaftlicher Natur, erklärt Susanne Weigelin-Schwiedrzik, Professorin der Sinologie an der Universität Wien. Die chinesische Wirtschaft ist seit einigen Jahren in einer neuen Phase der Entwicklung und das Land verfügt über einen Überschuss an Arbeitskräften und Maschinen, die vom Infrastrukturausbau in China übriggeblieben sind. Diese Ressourcen will man nicht ungenutzt lassen.

Gleichzeitig gibt es aber auch eine politische Motivation, so Weigelin-Schwiedrzik. Denn China nehme sich selbst als ein Land wahr, das bereits eine Weltmacht geworden ist. Präsident Xi Jinping hat dies am 19. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas 2017 ganz offen ausgedrückt: „China ist kurz davor, wieder im Zentrum der Weltpolitik zu stehen.“ Die Neue Seidenstraße stellt für das Land die letzten Schritte dorthin dar.

„Es gibt natürlich gute Gründe für die EU, diese ganze Sache sehr skeptisch zu betrachten“, fährt Weigelin-Schwiedrzik fort. Die chinesischen Politiker hätten genau analysiert, „an welcher Stelle die EU und ihre Nachbarstaaten die größte Schwäche aufweisen“. Dass an den Rändern der Union die Investitionen in die Infrastruktur fehlen, und dass Brüssel sich hierum nicht kümmert, hat China treffend erkannt. Genau da besitzt das Land auch seine Überkapazitäten, und es weiß die Umstände geschickt zu nützen.

Die Vorsicht aus Brüssel ist verständlich. Einerseits aus ganz pragmatischen Gründen, denn ein zu starkes Annähern an China würde die Beziehung zu den USA gefährden. Andererseits aber auch aus demokratiepolitischer Perspektive: China ist ein Land, in dem Menschenrechtsverletzungen alles andere als eine Seltenheit sind, und das am besten Weg zum Überwachungsstaat ist.

Somit täte die Europäische Union eigentlich gut daran, eine einheitliche außenpolitische Strategie China gegenüber zu fahren. Aber das gelingt nicht. Länder wie Italien oder Griechenland haben Absichtserklärungen unterschrieben, wonach sie mit China bei der Neuen Seidenstraße kooperieren möchten. Zwar ist nichts davon verpflichtend, wohl aber symbolträchtig. Die China-Mittel-Ost-Europa-Gipfel, auch bekannt als 17+1 Gipfel, finden jährlich zwischen China und Teilnehmerstaaten aus Mittel- und Osteuropa statt, darunter EU-Mitglieder wie Bulgarien, Rumänien, Ungarn oder eben auch Kroatien, das keinen Hehl aus seinem Enthusiasmus macht.

„Es ist ganz normal, dass Südosteuropa sehr interessiert an einer Kooperation mit China ist, und ich sehe daran nichts Falsches. Es ist ganz normal, Optionen und Alternativen zu haben. Aber das heißt nicht, das heißt wirklich nicht, dass Südosteuropa deswegen weniger europäisch, weniger für NATO oder weniger für Freihandel ist“, betont Jasna Plevnic, stellvertretende Vorsitzende des „Geoeconomic Forum“, ein Think Tank, das die Kooperation zwischen Kroatien und China vorantreiben möchte.

Auch rechtlich gäbe es für die Europäische Union Schlupflöcher zu stopfen. Derzeit müssen chinesische Firmen sich etwa nicht an europäische Lohn- und Arbeitsbedingungen anpassen, selbst, wenn sie sich um Aufträge in Europa bewerben. Somit steht China mit seinen Preisen außer Konkurrenz, Firmen wie die österreichische STRABAG etwa haben keine Chance mehr.

„Bei der Pelješac-Brücke lag der Preis des Gewinnerkonsortiums um 20 % unter jenem des zweitgereihten Angebotes von STRABAG. Sofern alle Vorschriften bezüglich kroatischer Mindestlöhne, Arbeits- und Ruhezeiten, der Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutzgesetze, sowie der Umweltschutzgesetze eingehalten werden, kann der Vertragspreis die realen Herstellkosten nicht decken“, erklärt Thomas Birtel, der Vorstandsvorsitzende der STRABAG. Doch diese Vorschriften gelten eben nur für Firmen aus EU-Ländern, weswegen die STRABAG mit ihrer Beschwerde an die kroatische Wettbewerbsbehörde auch abgeblitzt ist.

Die Europäische Union dürfte das Problem immerhin erkannt haben. „Um die wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen ausländischer staatlicher Beteiligungen und Finanzierungen auf den Binnenmarkt vollständig zu beseitigen, wird die Kommission vor Ende 2019 ermitteln, wie bestehende Lücken im EU-Recht geschlossen werden können“, heißt es in einem Strategiepapier zu China der Europäischen Kommission. Geändert hat sich bislang nichts.

Dieser Beitrag ist im Rahmen von „eurotours 2019“ entstanden. Es handelt sich hierbei um ein aus Bundesmitteln finanziertes Projekt des Bundeskanzleramtes.

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