Bei Kindern Kult

TikTok: Wie gefährlich ist die Spaß-App aus China?

Digital
08.11.2019 14:22

Auf den Smartphones von Kindern und Jugendlichen ist sie aktuell der große Trend: Die chinesische App TikTok, mit der man lustige Kurzvideos mit Effekten wie Hundeohren erstellen und sie mit anderen Nutzern teilen kann. Doch die Spaß-App hat nach Ansicht von Datenschützern und US-Regulatoren noch eine andere, nicht so unterhaltsame Seite. Sie befürchten, dass sie als verlängerter Arm der Regierung in Peking genutzt wird, um oppositionelle Meinungen zu unterdrücken und die Nutzer in Übersee auszuspionieren. Eine Spurensuche.

Kinder und Jugendliche kennen TikTok seit Jahren: 2014 noch unter dem Namen Musical.ly von einem Start-up aus Shanghai entwickelt, entwickelte sich die Anwendung schnell zum Fixstarter im Kinderzimmer, um Freunden lustige Karaoke-Clips und andere unkonventionelle Kurzvideos zu schicken. Zwischenzeitlich wechselte die App den Besitzer und gehört seit 2017 zum chinesischen Medienkonzern Bytedance mit Sitz in Peking, aus Musical.ly wurde bei der Übernahme TikTok. Die App hat jüngsten Schätzungen zufolge eine halbe Milliarde User weltweit - Tendenz steigend!

Jugendliche lassen sich mit Kurzvideos berieseln
Bei „Teens und Twens“ zieht das TikTok-Rezept. Sie posten kurze 15-Sekunden-Clips, die standardmäßig für ihre Freunde ebenso zu sehen sind wie für völlig fremde. Wie bei Twitter bringen Hashtags Ordnung ins Clip-Chaos, auch Nachrichten können sich die TikTok-User schicken. Algorithmen protokollieren, was die jungen User sich gerne ansehen - und zeigen ihnen immer mehr davon. Das macht TikTok bei manchen Nutzern zum veritablen Zeitfresser: Sie lassen sich von einem 15-Sekunden-Clip nach dem anderen berieseln und verlieren dabei mitunter das Zeitgefühl.

USA befürchten zu viel Einfluss aus Peking
So weit, so harmlos. Doch TikTok hat auch eine andere Seite, die in den USA nun eine offizielle Überprüfung durch die Regierung nach sich zieht. Wie etwa auch beim chinesischen Telekom-Riesen Huawei - eine große Analyse zu der Thematik finden Sie hier - befürchten US-Behörden, dass das Unternehmen der kommunistischen Regierung in Peking zu nahe stehen und als deren verlängerter Arm im Ausland agieren könnte. An den Haaren herbeigezogen sind diese Befürchtungen nicht: Es gibt in China - freilich in den USA genauso - Gesetze, die Unternehmen dazu verpflichten, bei staatlichen Anfragen zu kooperieren. Außerdem zensiert TikTok Inhalte - und zwar laut Insiderberichten auch im Ausland nach chinesischen Normen.

Zensur in den USA nach chinesischen Maßstäben
So erfuhr die „Washington Post“ von Mitarbeitern der TikTok-Niederlassung in den USA, die dort für die Moderation der Inhalte zuständig waren, dass sie von ihren chinesischen Kollegen diktiert bekommen hätten, welche Inhalte sie löschen müssten - auch, wenn diese in den USA gar nicht als bedenklich eingestuft würden. Genannt wurden beispielsweise Videos sich intensiv küssender Menschen, Clips mit aufreizenden Tanzschritten oder politische Meinungsäußerungen. In China unerwünscht, im Westen eigentlich kein Problem. In Washington hat man außerdem die Befürchtung, TikTok könnte Pekings Geheimdienst Zugang zu seinen Nutzerdaten gewähren.

Betreiber wollen App von neutraler Stelle prüfen lassen
TikTok-Betreiber Bytedance - heuer schon gebeutelt durch eine temporäre Sperre seiner App in Indien und eine über Musical.ly verhängte 5,7-Millionen-Dollar-Strafe, weil man wissentlich Inhalte von Minderjährigen gehostet hatte - weist Spionage- und Zensurvorwürfe zurück. Er beteuert, dass die Nutzerdaten in anderen Ländern separat gespeichert und nicht mit der Regierung geteilt würden. Tatsächlich hat der Konzern mit der App Douyin eine TikTok-Schwester am Start, die für den chinesischen Markt entwickelt wurde - mit spezieller Berücksichtigung der Wünsche der Regierung.

Um zu beweisen, dass TikTok eine unbedenkliche Spaß-App und keine Überwachungsanwendung ist, will man nun externe Experten zum sogenannten Audit einladen, die App also von neutraler Stelle überprüfen lassen. Betreiber Bytedance erklärt gegenüber krone.at außerdem, klar darauf hinzuweisen, dass TikTok nicht von Personen unter 13 genutzt werden darf. Bei der Löschung von Inhalten orientiere man sich an „lokalen Gesetzen sowie unseren Gemeinschaftsrichtlinien als klare Referenzgrößen“.

Nervosität vor der US-Präsidentschaftswahl
Doch die Skepsis in den USA bleibt - nicht zuletzt angesichts der Präsidentschaftswahl 2020, in deren Vorfeld nach den Geschehnissen 2016 die Angst umgeht, ausländische Regierungen könnten mithilfe sozialer Medien Stimmung machen. TikTok droht nach Einschätzung von Experten nun eine Überprüfung durch das Committee on Foreign Investment in the United States (Cifius), das sich darauf berufen könnte, dass der Vorgängerdienst Musical.ly eine Niederlassung in Kalifornien hatte. Kommt man dabei zum Schluss, dass die App aus China eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellt, könnte man bei Bytedance den Verkauf an ein Unternehmen außerhalb Chinas anregen.

Verkauf von Dating-App Grindr wird rückabgewickelt
Einen Präzedenzfall gibt es: Einen ähnlichen Weg ging man in den USA bei Grindr, einer von einem chinesischen Unternehmen übernommenen Dating-App für Homosexuelle. Hier gelangte man zur Erkenntnis, dass die beim Betreiber hinterlegten Profile von US-Soldaten in der Hand ausländischer Regierungen eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen könnten und erwirkte, dass die Übernahme rückabgewickelt und Grindr 2020 wieder an ein Unternehmen außerhalb Chinas verkauft werden muss.

Durchaus denkbar, dass man Bytedance ähnliche Schritte verordnet - oder bei entsprechenden Untersuchungsergebnissen die App mit 26,5 Millionen monatlich aktiven US-Nutzern in den USA sperrt …

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