krone.at-Kolumne

Wo war bei schlechten Manieren das Elternhaus?

Österreich
06.11.2019 11:55

Wien im Jahr 2019: Die Wiener Linien erklären in ihrer neuen Kampagne, wie Mann in den Öffis richtig zu sitzen hat. Das ist kein Scherz. Ist unsere Gesellschaft tatsächlich schon so weit, dass sie für das einfache Einmaleins an Manieren eigene Hinweisschilder braucht?

Eines muss man den Wiener Linien schon lassen: Mangelndes Problembewusstsein kann man ihnen nicht vorwerfen. Nach dem mutigen Kampf gegen sommerliche Schweißachseln und ihrem rigorosen Feldzug gegen stinkende Döner- und Nudelboxen stellen sie sich nun dem härtesten aller Endgegner: dem breitbeinig sitzenden Mann. Damit wird unsere Welt mit Sicherheit eine bessere. Ganz bestimmt.

Kampf der Geschlechter
In ihrer neuen Verhaltens-Anleitung fürs Öffi-Fahren zeigen lustige Comic-Bilder, wie richtiges Sitzen geht: Breitbeinig ist pfui, wer die Knie schön zusammenhält, macht es richtig. „Manspreading“ lautet der Fachbegriff für diese Art des unmanierlichen Sitzens, die Täter sind - wie der Name schon sagt - ausschließlich Männer. Die Opfer sind Frauen, die dadurch mit weniger Platz auskommen müssen. Für eingefleischte Feministen ist das ein unzumutbarer Zustand. Es geht hier also nicht nur um Sitzfläche und Komfort, es ist auch ein Kampf der Geschlechter.

Rüpelhaftes Verhalten kann auch weiblich sein
Dabei sind schlechte Manieren bei Männern wie Frauen gleich verteilt. So gibt es auch für das weibliche Äquivalent einen eigenen Fachausdruck: Unter „She-bagging“ versteht man die vor allem beim weiblichen Geschlecht verbreitete Angewohnheit, der Handtasche einen eigenen Öffi-Sitzplatz zu widmen. Ob die Wiener Linien auch dafür schon bald einen eigenen Verhaltens-Kodex auflegen werden?

Auch bleibt die Frage offen, ab welchem Beinöffnungswinkel „Manspreading“ vorliegt. Es ist zu hoffen, dass die Wiener Linien auch dieser wichtigen Frage nachgehen und entsprechende Sticker in allen Waggons anbringen. Erst dann kann wirklich aufgeatmet werden.

Für Manieren ist das Elternhaus zuständig
Bei aller Schmunzelei über die Diskussion, ganz ernsthaft: Es kann einen schon nachdenklich stimmen, wenn man in unserer heutigen Gesellschaft für alle Situationen des täglichen Umgangs mit anderen Verordnungen und Anleitungen braucht. Wenn die Wiener Linien nun durch Hinweisschilder das gute alte Elternhaus kompensieren müssen, ist das schon ein wenig traurig. Offenbar ist der sittliche Hausverstand nicht mehr selbstverständlich.

Denn eigentlich ist es eine Sache der Erziehung, dass man auf seine Umgebung achtet, ordentliche Manieren an den Tag legt und respektvoll miteinander umgeht. Und das hat mit dem Geschlecht nichts zu tun.

Katia Wagner, krone.at

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