Debatte um Schulbeginn

Für Schüler sind die Nächte zu kurz

Österreich
03.11.2019 06:00

Wenn die Winterzeit tatsächlich abgeschafft wird, müssen Kinder bald noch länger im Dunkeln zur Schule gehen. Experten warnen, dass die Glocken dort ohnehin zu früh läuten.

„Morgenstund hat Gold im Mund“, besagt ein lateinisches Sprichwort. Doch bei vielen Schülern trifft dieses ganz und gar nicht zu. Vielmehr herrscht in den Klassenzimmern in der ersten Schulstunde meist das große Gähnen.

Ein Umstand, der die Experten beschäftigt. Etliche Schlafforscher fordern, dass der Schulbeginn von 8 Uhr, oder teils sogar früher, auf etwa 9 Uhr verlegt wird. Zumal zahlreiche Studien besagen, dass Kinder, die länger schlafen, bessere schulische Leistungen erbringen. Weil sie konzentrierter und dadurch aufnahmefähiger sind.

Doch das Kindeswohl und die Frage, was für junge Menschen in puncto Lernen am sinnvollsten ist, steht bei der Debatte um den idealen Schulbeginn nicht im Mittelpunkt. Dort geht es primär um strukturelle und organisatorische Hürden.

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"Ich bin für einen späteren Unterrichtsbeginn ab 9 Uhr. So kann ich länger im Bett liegen bleiben und ein bisschen länger schlafen."

Nelly Koch (9), Volksschule Wittelsbachstraße

„Es beginnt mit der Taktung der Schulbusse“, erklärt eine AHS-Direktorin aus Niederösterreich. „Die Unternehmen sind unflexibel, wenn es darum geht, die Fahrpläne anzupassen.“

Sanfter Start mit aktiver Frühbetreuung
Ein weiteres Problem ist das Mittagessen. Bei späterem Schulstart würde der Unterricht länger dauern, was eine warme Mahlzeit erforderlich macht: „Viele Schulen haben dafür bei Weitem nicht die nötige Infrastruktur.“

Die Vereinbarkeit des Schulstarts mit der Arbeitswelt der Eltern ist der Haupt-Knackpunkt. Weil die Schulen für die Sprösslinge berufstätiger Eltern Frühbetreuung einrichten müssten. Ein Aufschrei der Lehrergewerkschaft ist vorprogrammiert. Auch wenn der sanfte Einstieg in den Unterrichtstag Vorteile bringt. Vor allem, wenn er Zeit im Freien und Sport beinhaltet. Ist es doch ebenfalls wissenschaftlich belegt, dass Bewegung die Lernfähigkeit verbessert.

Politik sieht keinen Handlungsbedarf
„Es gibt keine Bestrebungen, den Schulstart generell nach hinten zu verlegen. Das ist in der Schulautonomie und soll dort auch bleiben“, will Bildungsministerin Iris Rauskala die heiße Kartoffel nicht in die Hand nehmen.

Eltern müssen also ihre Kinder weiterhin teils bei Dunkelheit aus den Federn holen. Wobei sie sich selbst nicht aus der Verantwortung stehlen sollten. Denn laut dem anerkannten Schlafmediziner Univ.-Prof. Dr. Bernd Saletu ist das Gewöhnen an einen Schlaf-Wach-Rhythmus auch Erziehungssache.

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"Für uns HTLer ist der spätere Beginn ab 9 Uhr kein Vorteil, da wir oft bis am Abend in der Schule sind und so der Unterricht für uns noch länger wäre."

Manuel Kräuter (18), HTL Wien 3 Rennweg

Es gilt, den Nachwuchs rechtzeitig ins Bett zu bekommen: „Durch die Nutzung von Smartphones oder Tablets am Abend kommt Licht ins Auge, welches das Schlafhormon Melatonin unterdrückt.“ - Es ist nicht nur wegen des frühen Schulbeginns, sondern auch wegen des langen Wachbleibens, dass die Nächte für viele Schüler viel zu kurz sind.

„Jugendliche leiden am sozialen Jetlag“
Das Handy hindert Jugendliche am Schlafen. Doch auch bei Schülern gibt es Früh- und Spätaufsteher, weiß Kinderarzt Reinhold Kerbl.

„Krone“: Wie sehen Sie als Kindermediziner den Schulbeginn um 8 Uhr?
Reinhold Kerbl: Für viele Kinder ist das zu früh, weil sie mit zunehmendem Alter, vor allem in der Pubertät, später ins Bett kommen. Aber auch bei Schülern gibt es Früh- und Spätaufsteher.

Warum fängt für Jugendliche der Schlaf später an?
Sie sind sehr stark von den sozialen Medien beeinflusst. Bis nach Mitternacht wird auf dem Smartphone gecheckt, was es Neues gibt. Das Blaulicht des Handys verhindert die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin, und sie können erst viel später einschlafen. Am nächsten Tag leiden sie dann an Schlafmangel. Wir nennen das sozialer Jetlag.

Was wäre Ihr Vorschlag für jene Schüler, die keine Frühaufsteher sind?
Eine Parallelklasse, die später beginnt, zum Beispiel ab 8.45 Uhr. Organisatorisch ist das natürlich schwierig.

Wie viel Schlaf braucht ein Schulkind?
Das ist sehr stark altersabhängig. Es gibt Empfehlungen (siehe Grafik oben). Generell kommt es aber nicht auf die Schlafdauer an, sondern darauf, wie erholsam die Nacht ist.

Anja Richter und Kathi Pirker, Kronen Zeitung

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