„Büße jeden Tag dafür“

Bei Eifersucht Mord – jetzt spricht ein Täter

Österreich
03.11.2019 22:20

Die Gräueltat von Kitzbühel, bei der fünf Menschen starben. Die Frau, die in St. Pölten ihren Ex-Geliebten und sich selbst erschoss. Der Vater, der in Kottingbrunn seine Familie auslöschte. Alle diese Verbrechen geschahen nach Trennungen. In der „Krone“ spricht jetzt ein Mann, der einst seinen Nebenbuhler getötet hat.

Harald G. (Name geändert) sitzt im Garten eines Cafés in Niederösterreich. „Mein Stammlokal“, sagt er und nimmt einen tiefen Zug aus seiner Zigarette. „Alle hier“, erzählt der 60-Jährige dann auch gleich, „wissen, was ich getan habe.“

Leiche angezündet: „Doch ich wurde schnell gefasst“
Was er getan hat - seine Tat. Im Dezember 2001 hat er einen Mann umgebracht. Den Geliebten seiner Freundin, „der ich verfallen war“. Er hat seinen Nebenbuhler erschlagen, die Leiche zu einem Steinbruch gefahren - und angezündet. Um Spuren zu verwischen. „Doch ich wurde schnell gefasst.“

Wie beurteilt Harald G. jetzt sein Verbrechen? „Ich büße dafür, jeden Tag. Es ist nicht einfach, mit dem Wissen, einen Menschen getötet zu haben, zu leben.“ Schuldgefühle, Selbstvorwürfe, „sie sind immer da“. Herr G., wie konnte es dazu kommen, dass Sie zu einem Killer wurden? „Im Gefängnis habe ich viel darüber nachgedacht.“ Das Ergebnis? „Da muss ich ausholen, weit zurück in meine Vergangenheit gehen. Ich bin in behüteten Verhältnissen aufgewachsen, meine Eltern waren gut zu mir, doch bei Gleichaltrigen konnte ich nie wirklich bestehen.“

Inwiefern? „Ich wehrte mich nie gegen Angriffe, egal ob verbal oder körperlich. Mein Vater meinte, das wäre besser so. Und ich folgte ihm. Also habe ich ständig in mich ,reingeschluckt‘. Und bin damit der klassische Loser gewesen.“ Nach der Schule machte er eine Mechanikerlehre, später arbeitete er bei einem staatlichen Betrieb, „am Ende war ich Chauffeur, für verschiedene Politiker“.

Nach Betrug der Geliebten „brach meine Welt zusammen“
Und privat? „Ich heiratete früh, baute ein Haus, bekam zwei Kinder. Doch irgendwann begann es in meiner Ehe zu kriseln - und es geschah, dass ich mich unendlich in eine andere Frau verliebte. Ich weiß nicht, warum, aber ich steigerte mich zunehmend in die Idee hinein, ohne sie nicht mehr existieren zu können. Und als ich bemerkte, dass sie mich betrog, brach meine Welt zusammen.“

Eine Aussprache mit ihr sei „brutal verlaufen, sie wimmelte mich ab. Und dann wollte ich mit meinem Nebenbuhler reden“. Harald G. lauerte ihm auf, nachts, „er behandelte mich herablassend“, angeblich habe er ihm einen Schlag gegen den Kopf versetzt: „Da machte es ,Klick‘ in meinem Kopf, ich spürte plötzlich eine irre Wut in mir - und holte einen Hammer aus meinem Wagen.“

Erinnerungslücken auch noch nach der Tat
An sein weiteres Handeln will er sich „bloß bruchstückhaft erinnern, ich war wie in Trance“. Selbst bei seinen Verschleierungsaktionen sei das so gewesen, „und ich war froh, als Kriminalbeamte vor meiner Tür standen und mich festnahmen“. Sofort legte er ein Geständnis ab, „ich empfand dabei Erleichterung“. Und danach? „Fühlte ich mich wie in einem Albtraum. Warum bin ich so ausgerastet, fragte ich mich dauernd.“ Sogar bei seinem Prozess, 2002, „fiel es mir noch schwer, Antworten zu geben“. Sein Urteil: 20 Jahre Haft. „Erst hinter Gittern lernte ich, meine Abgründe zu erkennen. In der Folge versuchte ich, sie zu bekämpfen. Indem ich nicht mehr ,schluckte‘, sondern mich Schwierigkeiten stellte.“

Harald G. galt in der Justizanstalt Stein als Musterhäftling, arbeitete brav in verschiedenen Werkstätten, verhielt sich nie aggressiv. Im April 2015 wurde er auf Bewährung entlassen. Und seitdem? „Ich habe einen fixen Job als Lkw-Fahrer, bin viel in Kontakt mit meinen Kindern - sie konnten mir verzeihen.“

Psychologen stufen Harald G. als ungefährlich ein
Er sich selbst auch? „Nein.“ Harald G. lebt jetzt „in einem kleinen Haus. In meiner Freizeit baue ich Gemüse an.“ Und er hat eine neue Partnerin: „Ich bin sehr glücklich mit ihr.“ Weiß sie von seiner Tat? „Natürlich.“ Was wäre, wenn sie ihn betrügen würde? „Dann würde ich mich von ihr trennen. Ganz still. Ohne Gewaltausbruch.“ Ist er sich dessen sicher? „Ja.“ Auch Psychologen sind dieser Meinung. Hoffentlich behalten sie - und Harald G. - recht.

Anwältin: Eifersuchtsmörder hatten meist schwierige Kindheit
Die Wiener Anwältin Astrid Wagner hat einst Harald G. vor Gericht vertreten. In ihrem neuen Buch schreibt sie über Täter wie ihn; über Menschen, die aus Eifersucht mordeten.

„Krone“: In „Sie töteten, die sie liebten“ analysieren Sie sehr ausführlich das Seelenleben von vier Männern und einer Frau, die grauenhafte Verbrechen begangen haben.
Astrid Wagner: Sie alle waren - und sind - meine Klienten. Ich habe viel mit ihnen gesprochen. Über ihre Taten, über das Davor, das Danach; wie es dazu kommen konnte, dass sie zu Killern wurden.

Gibt es etwas, das ihnen allen gleich ist?
Eifersuchtsmörder hatten in der Regel eine schwierige Kindheit und Jugend, sie waren stets eher auf der Verliererseiten und haben viele Zurückweisungen erlitten.

Machen Kränkungen also gefährlich?
Ja, und narzisstisch. Ein Mensch, der sich herabgesetzt fühlt, konzentriert sich mit der Zeit immer mehr bloß auf sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse. Findet er einen Partner, wird dieser zu einem Teil von ihm - und somit als sein Besitz wahrgenommen.

Und eine Trennung wird nicht akzeptiert ...
Im schlimmsten Fall folgt dann eine Vergeltung - durch Mord.

Wie geht es den Tätern danach?
Die meisten behaupten, sich selbst nicht zu verstehen, bei ihren Verbrechen nicht bei sich gewesen zu sein - und verdrängen jeden Gedanken an das Geschehene.

Martin Prewein, Kronen Zeitung

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