Brisantes Gutachten

Migration: Drei Staaten haben EU-Recht gebrochen

Ausland
31.10.2019 16:52

Ungarn, Polen und Tschechien haben wegen mangelnder Solidarität in der Flüchtlingskrise nach Ansicht einer Gutachterin des Europäischen Gerichtshofs gegen EU-Recht verstoßen. Konkret geht es um die Weigerung der drei Staaten, sich an der 2015 in zwei Mehrheitsentscheidungen vereinbarten Umverteilung von 160.000 Asylwerbern aus Griechenland und Italien zu beteiligen. Die EU-Kommission hatte geklagt.

Generalanwältin Eleanor Sharpston erklärt, die von Ungarn, Polen und Tschechien genannten Vorbehalte seien unbegründet. Den Ländern sei es ohne Weiteres möglich gewesen, Sicherheit und Wohlergehen ihrer Bürger zu schützen. Die Umsiedlung eines Asylwerbers hätte jederzeit mit berechtigten Gründen abgelehnt werden können.

„Staat muss eigene Rechtspflichten erfüllen“
In ihrem Gutachten stellt Sharpston zudem grundsätzliche Überlegungen an: Die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in einem Land bedeute auch, dass der Staat die eigenen Rechtspflichten erfüllen müsse. Eine Missachtung dieser Pflichten, weil sie im konkreten Fall unwillkommen oder unpopulär seien, sei ein „gefährlicher erster Schritt hin zum Zusammenbruch einer der Rechtsstaatlichkeit verpflichteten geordneten und strukturierten Gesellschaft“.

Kommission: Polen und Ungarn nahmen niemanden auf
Polen und Ungarn haben nach Zahlen der EU-Kommission keinen einzigen Asylwerber im Rahmen der Beschlüsse von 2015 aufgenommen, Tschechien zwölf. Allerdings führte Polen im vergangenen Jahr die Liste jener EU-Staaten an, die den meisten Ausländern aus Drittstaaten den Aufenthalt in ihrem Land erlaubten. Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat zufolge erteilte die Regierung in Warschau 635.000 Aufenthaltstitel an Nicht-EU-Bürger - zum Großteil an Ukrainer.

Polen sieht Haltung durch EU-Vertrag gedeckt
Die polnische Regierung beharrt indes auch nach Veröffentlichung des Gutachtens auf ihrer Position. Diese sei durch den EU-Vertrag gedeckt, sagte ein Regierungssprecher laut der Nachrichtenagentur PAP. Demnach hätten die EU-Staaten die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und öffentlichen Ordnung. „Unsere Handlungen wurden bestimmt von den Interessen der polnischen Bürger und dem Schutz vor unkontrollierter Migration.“

Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis äußerte sich nur vorsichtig. „In jedem Fall müssen wir das Urteil des Gerichts abwarten, das einzig und allein verbindlich ist“, sagte der Gründer der populistischen Partei ANO der Agentur CTK zufolge. Tschechien „studiert und analysiert“ derzeit das Gutachten der Generalanwältin. Die Einschätzung der Gutachterin ist nicht bindend, häufig folgen die Richter ihr aber.

Spaltung verläuft quer durch die EU
Der EU-Beschluss von 2015 sollte Italien und Griechenland entlasten. Zugleich entzweite er die EU-Staaten jedoch nachhaltig. Bis heute stehen sie sich in der Migrationspolitik teils unversöhnlich gegenüber. Die große EU-Asylreform kommt seit Jahren kaum voran.

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